Kreis Kusel Voller Pep und Wohlklang

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Etwas anders als gewohnt ist dieses Neujahrskonzert am Freitagabend in der nahezu ausverkauften Fritz-Wunderlich-Halle schon. Es gibt diesmal keinen Moderator, doch dafür eine ungemein quirlige Sängerin, die ihr Publikum nie im Zweifel darüber lässt, was das Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern unter Leitung des jungen spanischen Dirigenten Rodrigo Tomillo aufs Programm gesetzt hat. Sopranistin Astrid Vosberg liegt das Theaterspielen einfach im Blut, das merkt man ihren launigen Wortwechseln mit Rodrigo Tomillo und ihren Sketchen sofort an.

Dank ihres umwerfenden Temperamentes fühlen sich die Zuschauer auch sofort mittendrin. Wenn sie nach dem spritzigen Auftakt des Konzertes mit der Ouvertüre zu Franz von Suppés Operette „Dichter und Bauer“ als Putzfrau am Theater mit künstlerischen Ambitionen und kessen Sprüchen den Staubwedel schwingt und sich mit ihrer Version von Franz Lehars Erfolgshit „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ als Operettendiva Giuditta zu inszenieren versucht, ist dies ein kabarettistischer Frontalangriff auf die Lachmuskeln des Publikums. Denn der trotz unzähliger Castings immer noch nicht entdeckte Möchte-Gern-Star lispelt! Dass dieses Handicap auch durch die beste Figur nicht wettgemacht werden kann, sieht sie schon ein. Aber sie ist nicht um eine Lösung verlegen und dichtet den Text kurzerhand einfach um – es geht eben auch ohne „s“! Ein geschwätziges Porträt einer quirligen Quasselstrippe zeichnet sie zusammen mit dem Orchester des Pfalztheaters in der „Tritsch-Tratsch-Polka“ op. 214 von Johann Strauß Sohn, die das Orchester voller Pep und mitreißendem Schwung interpretiert – man merkt den Musikern an, wie viel Spaß sie bei der Sache haben. Aber auch die großen Gefühle kommen bei diesem Neujahrskonzert zu Wort – allerdings scheinen sie mehr den Männern vorbehalten, in diesem Fall Tenor Heiko Börner. Klangschön, mit tiefer Empfindung, singt er die Bravourarie „Und es blitzten die Sterne“ aus Giacomo Puccinis Oper „Tosca“, in der der Maler Mario Cavaradossi im Morgengrauen vor seiner Hinrichtung Abschied vom Leben und seiner Geliebten Tosca nimmt. Verzweiflung und Lebenshunger klingen in seiner Stimme an, die auch in den hohen Spitzentönen durch ein klares, markiges Timbre fesselt. Auch die tiefe Zerrissenheit des „Bajazzo“, der fühlt, dass ihn seine hübsche Frau Nedda für einen jüngeren Mann verlassen will, interpretiert Heiko Börner in der Arie „Vesti la giubba“ aus Ruggero Leoncavallos gleichnamiger Oper mit packender Gestaltungskraft, die Zweifel und selbstzerstörerische Ironie und Eifersucht des alternden Mannes gehen unter die Haut. Aber auch als erfolgreicher Liebhaber kann Heiko Börner sein Publikum begeistern: „Gern hab“ ich die Frau’n geküsst“ singt er als virtuoser „Teufelsgeiger“ aus Franz Lehars Operette „Paganini“, ein Gentleman mit grauen Schläfen, ungezwungenem Charme und mühelosen Spitzentönen mit männlich-markantem Timbre. Das Orchester des Pfalztheaters zeigt bei diesem Konzert ebenfalls eindrucksvoll seine Vielseitigkeit. Neben spritzig-federnden, klangvollen Polkas und Walzern wie dem aus Charles Gounods Faust-Oper oder dem bekannten Walzer aus Peter Tschaikowskys Ballettklassiker „Dornröschen“ überzeugen die Musikerinnen und Musiker auch mit einer Interpretation des Intermezzos aus Giacomo Puccinis Oper „Suor Angelica“, die sich durch warme, satte Streicherfarben, eine sehr schöne Formgebung und einen ergreifend melancholischen Ausdruck auszeichnet. Rasante, geschmeidig flutende Klänge prägen die mitreißende Ouvertüre zu Michael Glinkas Oper „Ruslan und Ludmilla“. Und wie ein verjazzter Walzer klingt, zeigen die Gäste aus Kaiserslautern im Walzer Nr. 2 aus der Jazz-Suite Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz: „Don’t rain on my parade“ singt Astrid Vosberg klangvoll als Jule Stynes „Funny Girl“. Und mit dem Neujahrsklassiker schlechthin, dem „Radetzky“-Marsch, lässt das Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern unter dem begeisterten Klatschen und den Zugabe-Rufen des Publikums das Neujahrskonzert 2017 ausklingen.

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