Kreis Kusel „Wir waren Beach-Boys-Fans“

Die britische Gruppe Sweet war eine der Protagonisten der Glam-Rock-Ära. In den 70er Jahren reihte das Quartett einen Hit an den anderen, darunter acht Nummer-Eins-Erfolge wie „The Ballroom Blitz“, „Teenage Rampage“, „Wig Wam Bam“ und „Hell Raiser“. Am Samstag, 22. Oktober, tritt die Band in Landstuhl auf. Dass bei Sweet auch nach 41 Jahren mit der Action noch lange nicht Schluss ist, beweist der neue Song „Defender“. Daneben gibt es bei der Deluxe Edition der neuen CD mit „Still Got the Rock“ gleich noch einen mitreißenden Sweet-Song dazu. Christof Graf hat sich darüber mit Bandmitglied Andy Scott unterhalten.

Stichwort „Best-of-CD“: Was ist das Besondere dran?

Es handelt sich um eine Werkschau von den 70er Jahren bis heute, die es so noch nie gegeben hat. Sweet gab es in verschiedenen Besetzungen. Die mit Brian Connolly als Sänger war vielleicht die populärste. Nach den Hits aus den 70ern, die auch gecovert wurden, gab es sehr erfolgreiche Songs, auch lange nach Brian Connollys Ausstieg. Zudem waren wir in unserer über 40-jährigen Geschichte bei mehreren Plattenfirmen unter Vertrag. Keine konnte eine repräsentative Greatest-Hits-Kompilation zusammenstellen, weil es unterschiedliche Rechteinhaber gab. „Love Is Like Oxygene“ wurde von Polydor vertreten, einem anderen Label als „Ballroom Blitz“. Damals musste ein Unternehmen das andere fragen, ob es einen Song verwenden darf. Das war nur unter Zahlung immenser Summen möglich. Das ist nun anders. Sony hat alle Rechte, und es ist erstmals möglich, alles zu verwenden, was jemals erfolgreich oder interessant war. Stichwort: DVD-Film-Material. Sie sind als einziger von Anfang an dabei, Sie sind im fünften Sweet-Jahrzehnt aktiv. Erinnern Sie sich noch an jeden Auftritt? Ehrlich gesagt, nein. Natürlich erinnere ich mich an das Meiste, an die wichtigsten Ereignisse und tatsächlich auch noch an diverse TV-Auftritte und auch noch an das, was um diese Termine herum passierte. Aber du erinnerst dich natürlich nicht an jede Kleinigkeit. Ein Künstler ist ein Mensch wie jeder andere: Er vergisst, verdrängt oder kann sich schlichtweg einfach nicht mehr an alles haargenau erinnern. Somit war die Materialsichtung teilweise schon ein wenig wie Tagebuchblättern, bei dem man die Zeit Revue passieren lässt. Welche Aufnahmen meinen Sie? Nun ja, auf so manche hochtoupierte und blondierte Hochfrisur von Brian Connolly bin ich genauso wenig stolz wie auf so manche Bühnenklamotten oder das Make-up, das ich damals trug. Es war im Zuge des aufkommenden Glam-Rock-Zeitgeistes, so aufzutreten. Ich müsste mir das heute nicht unbedingt noch mal ansehen. Aber der Fan sieht das wohl aus Nostalgiegründen anders, und auch das Management meinte bei meinen Bedenken nur: „Hey, das sind The Sweet, so haben die Leute euch in Erinnerung, das muss unbedingt mit rein.“ Ich meine damit vor allem die Aufnahmen aus den Jahren 1972, 1973. Womit ich mich auch nicht so wohl fühlte, waren die Outfits Ende der 70er, zum Beispiel 1979, als wir diese American-Cowboy-Bühnen-Outfits trugen. Aber auch das ist Geschichte. Von wem ist Sweet musikalisch beeinflusst worden? Ich denke, jeder Musiker, der irgendwann einmal bei „The Sweet“ gespielt hat, wurde von den alten Bluesrockern Mitte/Ende der 60er beeinflusst: Cream, die Yardbirds, und natürlich Led Zeppelin und Deep Purple, alles Bands, die großen Einfluss auf die Gitarristen nahmen. Ich zog auch viel aus dem Output von den Who und den Kinks. Und wir waren alle Beach-Boys-Fans – und Fans von Bands mit melodischem Background. Am Ende waren es auch einige amerikanische Singer-Songwriter, die uns beeinflussten. Das verarbeiteten wir in Songs, die sich auch auf unseren Single-B-Seiten wiederfinden. Wie empfinden Sie den Wandel in der Musikbranche? Sie verdienen an ihren Konzerten und Tourneen besser als an ihren aktuellen neuen Alben. Etwas, was übrigens auch die Rolling Stones erfolgreich zu nutzen wissen. Ihr letztes Album „A Bigger Bang“ (2005) liegt ja schon über zehn Jahre zurück, und sie gingen seitdem schon zweimal auf Welttournee, ohne ein aktuelles Album zu haben. Früher verdiente man als Rockstar sein Geld durch Platten- und Tonträger-Verkäufe. Aber durch das Downloaden und Streamen ist mit einem neuen Album nichts mehr zu verdienen, es dient höchstens noch als Anlass für eine Tournee. Waren die eher femininen Outfits, Latex-Anzüge und Schminke in den 70er Jahren Ihre Idee, die Ihres Managers oder einfach nur ein Marketing-Gag? Zunächst war Sweet immer eine Band, die sich nichts vorschreiben ließ, und das Glam-Rock-Ding unterlag keinem wirklichen Konzept. Wenn ich ehrlich bin, fühlten wir uns sehr von Marc Bolan von T-Rex beeinflusst, der der eigentliche Vorreiter des Glam-Rock in Europa war. Es begann 1972. Wir waren mit Marc befreundet, traten in den gleichen Sendungen wie „Top of the Pops“ oder Ilja Richters „Disco“ auf, und begannen schließlich, uns auch zu schminken und Glamrock-Outfits zu tragen. Es war die Zeit, als David Bowie „Starman“ herausbrachte: Alles orientierte sich plötzlich neu, wurde androgyner und glamouröser. Aber Bowie ist niemand, den man kennenlernt, er ließ kaum jemanden an sich heran. Dazu gibt es eine kleine Anekdote. Durch Zufall bekamen wir einmal ein Original-Master von Bowies „Changes“ angeboten. Wir prüften einen Teil des Materials und kamen zum Schluss, dass es das Original war und eigentlich David Bowies Eigentum, und er es zurückhaben sollte. Wir kontaktierten also sein Büro, erzählten von unserem Fund und fragten, ob wir es bei diesem anonymen Anbieter erwerben sollten, damit es den Weg zu seinem Urheber findet. Die einzige Reaktion war: „Das ist sowieso unser Eigentum, warum sollten wir für etwas bezahlen, was uns bereits gehört.“ Das war der einzige wirkliche Kontakt zu Bowie, den ich bis heute als recht seltsam empfinde. Was macht Andy Scott, wenn er nicht in Sachen Sweet aktiv ist? Dann produziere ich Alben von Suzi Quattro. Derzeit arbeite ich sogar an einem gemeinsamen Projekt, bei dem auch der Schlagzeuger von Slade, Don Powell, mit dabei ist. Es soll im nächsten Jahr veröffentlicht werden. QSP – Quattro, Scott & Powell. Es klingt definitiv nicht nach Sweet, eher nach all den Einflüssen, die uns drei mit unseren drei verschiedenen Bands dahin gebracht haben, wo wir heute angekommen sind. Aus unserer Sicht ein sehr spannendes Album. Sie sprachen vorhin von Einflüssen amerikanischer Singer-Songwriter. An wen denken Sie da? Ich bin nicht das, was man einen Ultra-Fan von Bob Dylan nennen kann, aber ich habe mich schon sehr früh zu seinen Songs hingezogen gefühlt, ihn meine ich also. In meiner Vinyl-Sammlung befinden sich zahlreiche Dylan-Alben, und ich besitze zahlreiche Songs als iTunes. Es gibt kaum Alben, auf denen nicht ein paar Songs sind, die mich noch heute aus den Socken hauen. Als in den 60ern Jimi Hendrix’ „Electric Ladyland“ herauskam und Jimi Dylans „All along the Watchtower“ coverte, wusste ich sofort, dies wird für immer der beste Dylan-Song aller Zeiten bleiben, und nach Hendrix wird es keinen mehr geben, der ihn so gut covert. Die zweitbeste Coverversion wird „Just Like a Woman“ von Suzi Quattro sein, die diesen Dylan-Song bei unserem QSP-Projekt interpretiert. Wir dachten auch an Songs von Dr. Hook, Jimmy Reed, Elvis Presley oder auch an „Bird on a Wire“ von Leonard Cohen. Ursprünglich wollte Suzi „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ aufnehmen, den sie ebenso gut interpretierte. Aber der blieb ein Song von einem Mann, gesungen von einer Frau. „Just Like a Woman“ klingt bei Suzi authentischer, weil hier eine Frau singt. Info Sweet spielt am Samstag, 22, Oktober, 20 Uhr, in der Landstuhler Stadthalle. Karten kosten 43,25 Euro, Infos: Telefon 06371 923444. Einlass ist um 19.30 Uhr.

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