Annweiler Als die Revolution in die Pfalz schwappte

Landauer Frauen übergeben auf dem Marktplatz eine gestickte Fahne an die Landauer Nationalgarde.
Landauer Frauen übergeben auf dem Marktplatz eine gestickte Fahne an die Landauer Nationalgarde.

Nur zwei Wochen nach dem Sturm auf die Bastille in Paris gingen auch die Pfälzer auf die Straße. Ihnen ging es weniger um Menschenrechte – sie hatten Hunger. Helmut Seebach und Rolf Übel sind auf Spurensuche gegangen.

Mit seinen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Volkskunde, insbesondere zur Entwicklung des pfälzischen Kulturguts, ist der Autor und Ethnologe Helmut Seebach bei Vertretern der traditionellen Forschung nicht immer auf Zustimmung gestoßen. Seine bisweilen provokanten Argumente wie etwa zur Besiedelung der Pfalz nach dem 30-jährigen Krieg gelten in Fachkreisen als umstritten.

Die Trifelsschatulle des Republikaners, Revolutionärs und „Communisten“ Johann Heinrich Rothhaas (1805-1863) aus Bergzabern, gem
Die Trifelsschatulle des Republikaners, Revolutionärs und »Communisten« Johann Heinrich Rothhaas (1805-1863) aus Bergzabern, gemalt »zum Andenken an den Kerker« in Zweibrücken.

Hingegen schlägt Seebach in seinem neuesten Werk, einer Darstellung der pfälzischen Freiheitskämpfe im 18. und 19. Jahrhundert, eine ungewohnte neue Gangart ein. Er hält sich mit einflussnehmenden Kommentaren bewusst zurück, reflektiert kaum, lässt vielmehr ausführlich die Quellen zu Wort kommen. Mit Fleiß und Sorgfalt hat der Autor eine Menge historischer Fakten zusammengetragen und stellt sie in einer großen Dichte dem Leser anschaulich vor. Bereichert wird die umfangreiche Zusammenstellung mit zahlreichen detaillierten Beiträgen des Historikers Rolf Übel, zum Teil aus dessen früheren Veröffentlichungen übernommen, sodass eigentlich von zwei Verfassern ausgegangen werden darf.

Geschichte kurzweilig dargeboten

Das umfangreiche Gemeinschaftswerk füllt eine Lücke im bisherigen Wissen um die Volksaufstände, die, ausgelöst von der Französischen Revolution, auf die Pfalz übergegangen waren, bis hin zu ihrem unspektakulären, vermeidbar gewesenen Niedergang. Lebhafte Schilderungen der Geschehnisse lassen konkrete Vorstellungen jener noch recht wenig veröffentlichten unruhigen Zeiten entstehen. Die Anmerkungsverzeichnisse am Ende der Kapitel beeinträchtigen allerdings das flüssige Lesen. Mit Fußnoten hätte das umständliche Nachblättern vermieden werden können. Dafür sind die Texte verständlich und kurzweilig geschrieben.

Seebach beginnt seine Ausführungen mit der Revolution in Frankreich. Die Nachricht von der Verkündung der Menschenrechte verbreitete sich in Windeseile über die Grenzen des Landes hinaus. Keine zwei Wochen nach dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 schwappte der Aufruhr, wie Seebach feststellt, vom Elsass her in die Pfalz hinüber. Schon eine Woche danach habe es auch in der Südwestpfalz rumort, zuerst in Fischbach. Es sei das erste Aufbegehren auf deutschem Boden als direkte Folge der Revolution gewesen. Ab sofort verweigerten die Bauern ihre Abgaben, teilten Wiesen und Äcker unter sich auf, schlugen nach Belieben Holz in den herrschaftlichen Wäldern. In erster Linie sei es den Aufständischen nicht so sehr um die ideellen Werte der Revolution mit ihrer Veränderung des politischen Systems gegangen: Die blanke Not, der Hunger habe die Bürger aufsässig gemacht. Sie wollten ein erträgliches Leben mit Selbstverwaltung und Gerechtigkeit durchsetzen. Die Unruhen griffen weiter auf Bergzabern, Annweiler und Ramberg über.

Armut und Missernten

Auch für die Freiheitskämpfe von 1832 und 1849 sieht Seebach die Gründe vordringlich in den Missernten der Vorjahre, im vergeblichen Versuch der pfälzischen Landbevölkerung, der prekären Ernährungslage einigermaßen Herr zu werden. Besonders in den Handwerksberufen breitete sich die Armut aus. Schuld war die zunehmende Mechanisierung und Technisierung. Sie machte insbesondere die davon betroffene Gruppe der Handwerksgesellen mittellos und folglich empfänglich für revolutionäre Umtriebe. Das Hambacher Fest von 27. Mai 1832 müsse daher, so folgert Seebach, auch als ausdrücklicher Handwerkerprotest verstanden werden. Die unverändert fortbestehende Armut breiter Bevölkerungskreise sei wenige Jahre später auch der Auslöser für die Revolten 1848/49 gewesen. Als sichtbarer Ausdruck des aufbegehrenden Unmuts sollten allenthalben die auf den Marktplätzen aufgestellten Freiheitsbäume gelten, herablassend beobachtet von den Vertretern der Obrigkeit, die darin „ein Handeln von rohen Handwerksburschen, Tagelöhnern und Gesindel“ erkennen wollten.

Der desolate Zustand der zusammengewürfelten und konzeptlos ausgerüsteten Revolutionstruppen, der Bürgerwehren und Freischärler, die zum großen Teil wie im Bauernkrieg von 1525 sich lediglich mit zu Spießen umfunktionierten Sensen zu Wehr setzen wollten und somit hoffnungslos unterlegen waren, führte schließlich zur Niederschlagung der pfälzischen Revolution an einem einzigen Tag, dem 17. Juni 1849, sowohl in Steinfeld, wo sich die Bevölkerung plündernden Freischärlern erfolgreich widersetzte, als auch in Rinnthal, als die herbeigerufenen, professionell ausgebildeten preußischen Truppen die Freischärler kurzerhand in die Flucht trieben.

Lesezeichen

Helmut Seebach, Revolutionäre Freiheitskämpfe in der Pfalz im 18. und 19. Jahrhundert (1789, 1832, 1849), Bachstelz-Verlag, 336 Seiten, 30 Euro; www.bachstelz-verlag.de.

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