Kreis Südliche Weinstraße Bücher gegen Gartenarbeit

Bei den Tauschtreffs wechseln Gegenstände ohne Bezahlung den Besitzer. Von diesem nachhaltigen Wirtschaften sind Matthias Brock
Bei den Tauschtreffs wechseln Gegenstände ohne Bezahlung den Besitzer. Von diesem nachhaltigen Wirtschaften sind Matthias Brock und Christel Schlosser vom Verein »Regiotauschnetz« begeistert.

Friederike Carius, Schreinerin aus Bad Bergzabern, hat Menschen geholfen, wenn handwerkliches Geschick gefragt war. So packte sie mit an, wenn die Küche umgebaut, der Fußboden erneuert oder Stühle repariert wurden. Im Gegenzug erhielt sie Unterstützung von anderen Personen, die wie sie im Verein Regiotauschnetz aktiv sind. Etwa von Matthias Brock aus Oberotterbach. Er stellte sich bei der Taufe von Carius’ Tochter in die Küche, um ein Drei-Gänge-Menü zu zaubern. Für seine Mühe konnte Brock wiederum jemand anderes damit beauftragen, für ihn etwas zu erledigen. So könnte die Kette ewig weitergehen. Genau das stellen sich die Vereinsmitglieder vor, dass man sich hilft oder Sachen weitergibt, die man selbst nicht mehr benötigt – ohne Geld, versteht sich. Das Regiotauschnetz gibt es seit 13 Jahren, 50 Mitglieder hat es derzeit in seinen Reihen. Sie kommen beispielsweise aus Germersheim, Billigheim-Ingenheim oder Herxheimweyher. Fest im Terminkalender markiert haben sie die Tauschtreffs, wo nach Unterstützung gefragt und welche angeboten wird sowie Sachen wie Bücher und Kleider den Besitzer wechseln. Die Mitglieder kommen regelmäßig an drei Standorten zusammen, nicht nur in Bad Bergzabern, sondern auch in Wörth und Kandel, wo der Verein seinen Ursprung hat. Brock, der zweite Vorsitzende, sagt: „Wir waren früher auch in Landau, Neustadt und Offenbach, haben uns jedoch auf drei Orte beschränkt, damit alles in einem überschaubaren Rahmen bleibt.“ Wer es zu den Tauschtreffs nicht schafft, kann online in der Marktliste einsehen, welche Gesuche und Angebote es derzeit gibt. So erfährt man, dass in Hatzenbühl nach Honiggläsern gesucht wird, während in Kapellen-Drusweiler eine Briefmarkensammlung zu vergeben ist. Eine Person aus Pleisweiler-Oberhofen ist dagegen für Hundesitting zu haben. Zwar verzichten die Mitglieder darauf, Geld für ihre Leistungen oder Sachen zu verlangen. Ganz ohne Währung geht es aber doch nicht. „Schließlich muss für alle Mitglieder erkennbar sein, was die Leistung des Einzelnen wert ist und was er dafür bekommt“, erläutert Matthias Brock. „Bezahlt“ wird mit Talenten, einer Fantasiewährung. So erhält man für eine Stunde körperliche Arbeit zehn Talente, während für einen Kuchen oder CD-Player mehr oder weniger Talente erforderlich sind. Ein Talent entspricht einem Euro. Damit können Außenstehende besser nachvollziehen, dass es sich um eine „erweiterte Nachbarschaftshilfe“ handelt, bei der keine teuren Gegenstände oder Dienstleistungen angeboten werden. „Sobald es professionell wird, beispielsweise ein Rechtsberater in juristischen Fragen hilft, muss dafür in Euro bezahlt werden. Und zwar so viel, wie er auch in seinem Beruf verdient“, erklärt Brock. Wichtig ist den Mitgliedern, dass der Tauschkreislauf in Gang bleibt, sodass keiner Talente auf seinem Konto hortet. So muss man Gebühren entrichten, wenn man zu viele Talente auf seinem Konto hat. Später, bei 250 Talenten, kommen die „Steuern“ dazu. Schulden darf man auch nicht haben, damit keiner eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, ohne später selbst zu helfen. 2005 wurde das Regiotauschnetz von Michael Wünstel gegründet, als Ableger zum Tauschring in Karlsruhe. In Bad Bergzabern kommt die Gruppe seit 2008 zusammen. Traf man sich zunächst in einer Gaststätte, wurden die Zusammenkünfte später ins Haus der Familie verlegt. Helga Schreieck, die Leiterin der Einrichtung, freut sich, dass es damals so kam. „Die Idee, die hinter dem Tauschtreff steckt, ist sehr toll. Das Konzept passt zu einer Reihe von Veranstaltungen, die wir bei uns im Programm haben.“ Zu jenen, bei denen die gegenseitige Hilfe großgeschrieben wird. Schreieck nennt das Repair Café, bei dem Menschen unter fachlicher Anleitung defekte Geräte wieder funktionstüchtig machen. Oder die Klamotten-Tausch-Party, die demnächst wieder stattfinden soll. So schön die Idee hinter dem Regiotauschnetz auch sein mag – es läuft leider nicht so wie gewünscht. So sind beim jüngsten Treffen in Bad Bergzabern nur vier Personen da. Dabei hatte Brock liebevoll Essen vorbereitet. Unter anderem japanische Teigtaschen hat er in den Backofen geschoben. „Es hängt unter anderem vom Wetter ab, wie viele den Weg zu uns finden“, sagt er. Scheint die Sonne, sei damit zu rechnen, dass weniger kommen. „Es gibt Tage, da stehen sieben Neulinge an der Tür.“ Das komme allerdings immer seltener vor. Gab es früher Abende, an denen bis zu 15 Personen da waren, sind es heute nur eine Handvoll Interessierte. Christel Schlosser aus Silz beispielsweise nahm gerne an den Treffen teil. „Mir gefällt der Gedanke, dass unentgeltlich Hilfe angeboten und in Anspruch genommen werden kann.“ Schließlich können sich so auch sozial schwache Menschen, Dinge leisten, ohne Geld dafür auszugeben. Die Mitglieder erleben vielmehr die Gemeinschaft und können von dem Wissen und den Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder profitieren. Allerdings scheint das nur noch die ältere Generation zu interessieren. Wie Carius erzählt, sind die Mitglieder meist älter als 50 Jahre. An die jungen Menschen komme man nicht ran. „Der Tauchtreff scheint leider zu Zeiten von Whatsapp und Ebay-Kleinanzeigen nicht attraktiv genug zu sein“, sagt Carius. Damit der Verein optimistisch in die Zukunft blicken kann und das Ganze nicht einschläft, brauche es frische Kräfte, wie Matthias Brock ergänzt. Info —Der nächste offene Tauschtreff ist am 10. Oktober in Kandel, in Bad Bergzabern wieder Ende November. —www.regiotauschnetz.de

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