Schweigen-Rechtenbach Barber Angels schneiden Bedürftigen kostenlos die Haare

Die Barber Angels in Aktion: Sie haben in Schweigen Rechtenbach kostenlos frisiert.
Die Barber Angels in Aktion: Sie haben in Schweigen Rechtenbach kostenlos frisiert.

Die Barber Angels sind Engel mit Schere und Kamm. Sie schneiden Menschen, die sich keinen Friseurbesuch leisten können die Haare. Sie geben ihnen ein neues Selbstwertgefühl – und manchmal sogar die Chance auf ein neues Leben.

„Deutsche und französische Feuerwehren arbeiten ganz eng zusammen, wir haben eine gemeinsame Wasserversorgung, deutsche Mütter können bei uns entbinden. Heute kommt die Handwerkskunst beider Länder zusammen, das ist ein Meilenstein der deutsch-französischen Kooperation und Freundschaft“, sagte Sandra Fischer-Junck. Die Bürgermeisterin von Weißenburg war am Sonntag gemeinsam mit ihrer deutschen Amtskollegin Sandra Bentz aus Schweigen-Rechtenbach zum ersten Frankreich-Einsatz der sogenannten Barber Angels auf einem Parkplatz ganz in der Nähe des Deutschen Weintors gekommen.

Die Barber Angels sind Friseurinnen und Friseure, die in ganz Deutschland obdachlosen und bedürftigen Menschen kostenlos ihre Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Meist geben die „Engel mit Scheren“ den Bedürftigen noch ein Päckchen mit Pflegeprodukten wie Shampoo, Kamm oder Spiegel mit. In den letzten Jahren haben sich acht Ländervertretungen, Chapter genannt, in Europa und Südamerika gebildet. Der jüngste Einsatz soll der Startschuss für ein Chapter in Frankreich sein. Das ist das erklärte Ziel von Uwe Becker, dem Präsidenten („Zenturio“) der Barber Angels Rheinland-Pfalz. Er betreibt in Bad Bergzabern einen Friseursalon und wohnt im elsässischen Grenzdörfchen Weiler.

Man hört von schlimmen Schicksalen

Die Idee kam, als Matthias Ackermann bei ihm auf dem Stuhl saß. Der Bürgermeister von Birkenhördt engagiert sich seit vielen Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen für die deutsch-französische Freundschaft. Er stellte den Kontakt zu Thomas Fenzl her, dem Leiter der mit den deutschen Tafeln vergleichbaren „Epicerie sociale“. Sofort begeistert von der Idee war Christine Laeuffer-Devevey. Vor zehn Jahren schloss sie den Salon in ihrem Heimatort Hatten, unterrichtet nun an der Berufsschule in Hagenau die Friseurfachklassen. Einmal pro Monat zieht die 59-Jährige mit Schere und Schneidmaschine durch Straßburg und schneidet bedürftigen Menschen auf der Straße die Haare. Viele erwarten sie schon auf ihrem Weg vom Place Kléber zum Münster. Oft nimmt sie einfach Auszubildende ihrer Klasse mit, verteilt Baguettes und Brötchen der Bäcker-Azubis.

Sie erzählt: „Die Menschen erzählen mir ihre persönliche Geschichte. Das berührt mich sehr tief. Ich habe danach oft schlaflose Nächte und brauche eine Woche, bis ich das alles verarbeitet habe.“ Sie nennt unter Tränen Beispiele für Schicksale, wie sie auch Becker oft schon ähnlich erlebt hat: Der afrikanische Bootsflüchtling, dessen Familie auf dem Weg nach Europa ertrank; die Frau, der sie wegen Kopfläusen alle Haare wegrasieren musste; die Dankbarkeit eines jungen Mannes, der mit frischem Haarschnitt einen Tag später einen festen Arbeitsvertrag bekam.

Warum eine Ukrainerin hilft

Die Hattenerin hat vier weitere Landsleute ihrer Zunft gewonnen. Die Resonanz am Sonntag in Schweigen war riesig. Über 70 Bedürftige bekamen von sechs deutschen und fünf französischen Friseurinnen und Friseuren, darunter auch zwei ukrainische Fachkräfte, einen neuen Haarschnitt verpasst. Tanya Shnel, die in Minfeld wohnt, hat durch ihr Engagement bei den Barber Angels einen Job bekommen. Was treibt sie an? „Für mich war es schon immer selbstverständlich, Menschen in Not zu helfen. Das habe ich viele Jahre in der christlichen Kirchengemeinde in meiner Heimatstadt Kiew auch getan.“

Eine ihrer Kundinnen ist die 63-jährige Birgit, die alle Malou nennen. Die Deutsche wohnt seit vielen Jahren in Weißenburg, hat in der Gastronomie gearbeitet. Wegen chronischer Schmerzen in der Wirbelsäule konnte sie nicht mehr arbeiten, beim Einkauf ist sie auf Hilfe angewiesen. Sie sagt: „Ich habe eine geringe Rente, mir bleiben acht Euro pro Tag für Lebensmittel. Da reicht es meist nicht mehr für den Friseur. Deshalb bin ich heilfroh, hier sein zu dürfen.“

Breite Unterstützung

Die Unterstützung für das Team von Uwe Becker ist vielfältig. Ein zehnköpfiges Organisationsteam koordinierte die Zeiten, begrüßte die Menschen, begleitete sie an den Stuhl. Andreas und Dirk Lindner vom angrenzenden Tabakladen Zollheisel stellten kostenlos Parkplatz und Kaltgetränke bereit, Casandra Keipert und Giuseppe Giustino verteilten an ihrem Imbisswagen Keipi Gratis-Pizza, eine große Drogeriekette stellte kostenlose Pflegesets zur Verfügung. Boss Uwe Becker zog ein sehr positives Fazit. Demnächst fährt er mit seinem Team nach Straßburg. Er formuliert nochmals sein großes Ziel: „Das französische Landeschapter soll nun zeitnah gegründet werden.“

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