RHEINPFALZ-Sommeraktion Besuch bei Kartonhersteller Buchmann: Wo Bakterien Schwerstarbeit leisten

Die Wasserreinigungsanlage ist so leistungsfähig wie eine kommunale Kläranlage für 130.000 Bewohner – mehr als im Landkreis Südl
Die Wasserreinigungsanlage ist so leistungsfähig wie eine kommunale Kläranlage für 130.000 Bewohner – mehr als im Landkreis Südliche Weinstraße leben.

Buchmann ist eine Südpfälzer Institution. Seit 126 Jahren wird in der riesigen Fabrik in Sarnstall Karton hergestellt. Und dafür braucht es Massen an Wasser. Wie dieses gereinigt wird, bevor es zurück in die Queich kommt, erfuhren nun unsere Leser. Auch drei alte Buchmänner wollten sich den Rundgang nicht entgehen lassen.

„Kommen Sie mit, ich weiß, wo’s langgeht“, sagt Heinrich Hoffmann schon auf dem Parkplatz der riesigen Fabrik, die seit 126 Jahren das Ortsbild des Annweilerer Stadtdorfs Sarnstall prägt. Der Rentner ist einer von 15 Lesern, die in der vergangenen Woche an unserer RHEINPFALZ-Sommeraktion bei dem Kartonhersteller Buchmann teilgenommen haben. „Viel verändert hat sich nicht“, meint er wenig später schmunzelnd. Denn Hoffmann kennt das Gelände wie seine Westentasche, arbeitete er hier doch 30 Jahre an der Papiermaschine und im Labor.

Beim Gang zur Eingangspforte, wo die gelben Sicherheitswesten auf uns warten, gibt’s ein Wiedersehen mit zwei weiteren ehemaligen Buchmännern, die die Sommeraktion nutzen, um noch einmal einen Blick in ihre alte Wirkungsstätte werfen zu können. Und einer davon wird gleich von allen Seiten gegrüßt. „Das ist unser früherer Chef“, erfährt man flüsternd von der Seite. Josef Wiedmann war ab den 1980er-Jahren 25 Jahre Werksleiter bei Buchmann. „Und ich wollte man gucken, was die Jungs jetzt hier so machen“, erzählt er am Rande der Führung.

„Er kennt alle seine Bakterien mit Namen“

Zu dieser hat uns an diesem Tag sein Nach-Nachfolger Andreas Klumpp eingeladen. Und zwar in einen ganz besonderen Teil der riesigen Fabrik, die so groß wie 20 Fußballfelder ist: ins Reich von Manuel Völker. „Unser Mann mit den meisten Mitarbeitern“, scherzt der Werksleiter. Und meint damit die Heerschar an mikroskopisch-kleinen Helferlein, die tagtäglich für diesen Schwerstarbeit leisten. „Er kennt alle seine Bakterien mit Namen“, flappst Klumpp noch ein wenig weiter, bevor sich die Gruppe – der Nase nach – zum Ziel ihres Besuchs aufmacht. In die Kläranlage beziehungsweise, um korrekt zu bleiben, in die Betriebswasserbehandlungsanlage. Denn so biestig, wie man es erwarten würde, stinkt es entlang der riesigen Becken mit brauner Brühe gar nicht.

Von oben können die Leser einen Blick in die Hochlaststufen werfen.
Von oben können die Leser einen Blick in die Hochlaststufen werfen.

Es ist eben ein Unterschied, ob solch eine Anlage Abwasser mit Fäkalien und anderen menschlichen Hinterlassenschaften klärt oder Industriewasser wie bei Buchmann. Diesem dürfen sowieso nur bestimmte Chemikalien zugesetzt werden, die auch die Lebensmittelrichtlinien erfüllen. Denn die Kartons, die bei Buchmann vom Band gehen, stehen später als Verpackungen für Dr.-Oetker-Pizza, De-Beukelaer-Kekse oder Melitta-Kaffeefilter im Supermarkt-Regal. Trotzdem hat die hauseigene Abwasserreinigungsanlage einiges zu tun. Denn für die Produktion von Karton wird eine riesige Menge an Wasser benötigt. Pro Stunde laufen drei Millionen Liter Wasser über die Papiermaschine.

Eine große Kreislaufwirtschaft

Der Karton wird nämlich aus Altpapier hergestellt. Das wird zerkleinert und dann eingeweicht, bis das Gemisch nur noch einen Faseranteil von 1,2 Prozent hat, der Rest ist Wasser. Zunehmend eine Herausforderung für diese Recyclingproduktion wird jedoch, dass in der heutigen digitalisierten Gesellschaft Papierprodukte aufs Abstellgleis geraten. Alte Bücher, Prospekte und Co. würden immer weniger angeliefert. „Wir sind immer mehr auf Altpapiermüll angewiesen“, berichtet Klumpp den Besuchern. „Und Sie wollen gar nicht wissen, was man darin alles findet. Windeln und Co.: Wir sind fast schon ein Entsorgungsfachbetrieb.“

Deswegen ist das Traditionsunternehmen, das seit vergangenem Jahr zur Weig-Gruppe aus der Eifel gehört, bestrebt, mit den vorhandenen Mitteln bestmöglich zu haushalten – und zwar auf allen Ebenen. Das Wasser, das die Fabrik aus der Queich zieht, durchläuft 36-mal den Produktionskreislauf, bevor es in die Reinigung geht. „2020 hatten wir noch einen Wasserverbrauch von 6,9 Millionen Liter pro Tag, jetzt sind wir bei 4,8 Millionen Liter“, berichtet Klumpp. Das Unternehmen zieht es aus der Queich und leitet es anschließend auch wieder in den Fluss zurück. Dafür muss die Schmutzbelastung herausgefiltert und abgebaut sein. Letzteren Job übernimmt Manuel Völkers Vielfraß-Armee aus Bakterien. Ersteren unter anderem die große Rechen, die im Vorklärbecken grobe Schmutzpartikel herausziehen, wie die beiden beim Gang entlang des ersten großen Schmutzwasser-Bassins erklären. Die aufgefangenen Fremdstoffe kommen zurück in die Produktion, und was nicht wiederverwendet werden kann, landet in der Verbrennungsanlage. „Aber auch hier konnten wir den Anteil in den letzten vier Jahren von 60 auf 13 Prozent senken“, zeigt Klumpp auf.

Bakterien fressen sich durch trübe Brühe

Dann ist Treppensteigen angesagt, damit wir von oben einen Blick ins blubbernde Feuchtgebiet der beiden Hochlaststufen werfen können, wo die verschiedenen Bakterienstämme durch die trübe Brühe kärchern, bis sich die Belastung mehr als halbiert hat. Die braune Färbung kommt übrigens nicht vom Schmutz, sondern von den Bakterien. In weiteren Klärstufen fressen sie noch die verbliebenen Schmutzpartikel auf. „Und dann müssen wir sie zurückgewinnen, denn sie sind unsere treuen Arbeitstiere“, berichtet Klumpp am „höchsten Punkt unseres Fitnessprogramms“: dem Biofilter, wo die letzten Schwebstoffe herausgezogen werden. Erst danach öffnet sich die Schleuse, die das Nass wieder in die Queich entlässt. Im hauseigenen Labor beprobt jede Schicht die Wasserqualität. „Wenn irgendein Wert abweicht, wird die Einleitung in den Fluss sofort gestoppt“, versichert der Werksleiter, während die Sonne der Gruppe auf die Köpfe brutzelt.

Im Technikraum werden Wasserproben getestet.
Im Technikraum werden Wasserproben getestet.

Angesichts der Temperaturen kommt schnell die Frage auf, wie das wasserzehrende Unternehmen mit dem Klimawandel klarkommt. „Gab es schon mal Probleme, wenn die Queich im Sommer weniger Wasser hat?“, möchte eine Leserin wissen. „Bisher war noch nie so großer Wassermangel, dass wir nicht hätten produzieren können“, antwortet Klumpp. Im Sommer müsse das Unternehmen nur besonders darauf achten, dass die Temperaturwerte eingehalten werden. Dafür gibt es einen Wärmetauscher am Ende der Anlage, damit dem 52 Kilometer langen Fluss kein überhitztes Wasser zugeführt wird.

Neue Projekte gegen Geruchsbelästigung

Auf gute Nachbarschaft ist Buchmann nicht nur mit dem Gewässer angewiesen, an dem es sich bedient, sondern auch mit der Bevölkerung im Ort. Die ersten Wohnhäuser stehen nur wenige Meter neben den Klärbecken. Und es gebe auch mal Tage, an denen es hier unangenehm in der Nase zieht. Deswegen plant das Unternehmen gerade für 15 Millionen Euro eine zusätzliche Stufe, die Geruch und Lautstärke verringern soll. Drei Jahre werde es aber wohl noch dauern, bis diese genehmigt, bestellt und gebaut ist. Gerade wenn der Klärschlamm entwässert wird, komme auch schon mal die ein oder andere Anwohnerbeschwerde, ist Klumpp bewusst. Hier testet Buchmann gerade natürliche Produkte, die üble Gerüche unterdrücken sollen. Denn dem Werksleiter, der aus dem Schwarzwald kommt, sich mittlerweile aber pudelwohl in der Pfalz fühlt („Wald, Wandern, Wein“), ist klar: „Es geht nur miteinander.“

Ex-Chef Wiedmann, unter dem 90 Prozent der Abwasserreinigungsanlage gebaut wurden, wie er nach dem Rundgang erzählt, ist auf jeden Fall begeistert: „Es ist toll, wie die alles weiterentwickelt haben und noch optimieren wollen.“

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