Annweiler Demo in Annweiler: „Es riecht nach 1933“

Auch in Annweiler sind rund 500 Leute gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen.
Auch in Annweiler sind rund 500 Leute gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen.

Die Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie hören nicht auf. An diesem Wochenende waren in Annweiler Hunderte Leute auf der Straße. Die Reden der Rechten müsse man ernst nehmen, warnt ein berühmter Südpfälzer.

Eine Kundgebung für Demokratie – in Annweiler steht sie unter besonderen Vorzeichen. Denn die Stadt hat sich vor Kurzem gegen die AfD aufgebäumt und ihr die Nutzung des städtischen Hohenstaufensaals verweigert. Die Partei, die der Verfassungsschutz als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einordnet, will dort am kommenden Samstag ihren Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla zu einem „Bürgerdialog“ begrüßen. Aktuell liegt der Termin nach einer Entscheidung des Neustadter Verwaltungsgerichts auf Eis, die Partei hat dagegen Beschwerde bei der nächsten Instanz eingelegt.

„Lassen uns unsere Termine nicht von Rechten vorgeben“

Aber darum sollte es am Sonntag auf dem Annweilerer Rathausplatz nicht in erster Linie gehen. „Wir lassen uns unsere Termine ja nicht von den Rechten vorgeben“, sagte Sebastian Burger, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Zukunft Annweiler, der die Veranstaltung moderierte. Stattdessen gehe es ganz allgemein darum, ein Zeichen gegen den Rechtsruck im Land zu setzen. Das taten rund 500 Teilnehmer und eine bunte Mischung von Rednern aus Politik, Kirche, Gewerkschaften, Schulen und der Bürgerschaft. Erster Stadtbeigeordneter Benjamin Burckschat verkündete in seinem Beitrag die Aufnahme Annweilers in das bundesweite Projekt „Orte der Demokratiegeschichte“. Die Demokratie sehe er heute durch Populismus in Gefahr. „Wir leben in einer Zeit, in der wir mit Informationen überflutet werden. Menschen sehnen sich nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme.“ Da setze der Populismus an, der aber nur Scheinantworten liefere, die oft menschenverachtend seien. Wenn Rechtspopulisten aus Protest gewählt werden, seien diese zwar demokratisch gewählt, würden aber versuchen, die Demokratie und Gewaltenteilung auszuhebeln, und würden alles tun, um an der Macht zu bleiben.

„Ihr seid nicht das Volk“

Pfarrer Thomas Lang bedankte sich bei allen, die zum Rathausplatz gepilgert waren, um gegen Hass und Hetze zu demonstrieren. „Damit zeigt ihr denen, die immer behaupten, dass sie das Volk seien: Ihr seid es nicht!“ Der Geistliche plädierte in seiner Rede dafür, für die Demokratie einzustehen – trotz aller Probleme. „Die Demokratie ist schwer, sie ist komplex, aber sie ist es wert. Wert, dass wir uns um sie bemühen und uns einbringen. Wir können uns streiten, debattieren und Kompromisse schließen, mit denen wir uns noch alle in die Augen schauen können.“

Steffen Vey, Konrektor der Realschule plus in Annweiler, und Schülersprecher André Kesse-Kuntz wiesen in ihren Beiträgen auf die verschiedenen Aktionen hin, mit denen die Schule bei ihren Schülern Bewusstsein für Toleranz und demokratische Werte schaffen will. Etwa eine Kunstaktion während der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ oder ein Demokratietag, der am 14. Mai stattfinden soll. Dort soll sich unter anderem intensiv mit Hass und Hetze im Internet auseinandergesetzt werden.

Die Eizellen junger Frauen ...

Petra Fischerkeller von den „Omas gegen Rechts“ arbeitete sich in ihrer Rede am Frauenbild der AfD ab. „Alleinerziehende Frauen sollen nach dem Willen der AfD keine staatliche Unterstützung mehr erhalten, weil sie nicht in einer ,normalen’ Familie leben. Frauen zurück ins Haus, weil böse Männer, natürlich ausnahmslos mit Migrationshintergrund, auf der Straße schlimme Dinge mit ihnen machen – und das schlägt natürlich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, die eine Fliege heißt Frau und die andere Hetze.“ Entrüstet berichtete Fischerkeller auch von der Forderung eines AfD-nahen Aktivisten, junge Frauen zu einer Eizellenspende zu verpflichten, um die Demografie zu stabilisieren.

„So skurril, das kann man nicht ernst nehmen?“

Damit gab sie dem letzten Sprecher des Tages, Landesarbeitsminister Alexander Schweitzer, eine Steilvorlage: „Ich spreche da mit Erfahrung aus dem Parlament: Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, solche Zitate seien da, um uns amüsiert zurückzulassen. ,Das ist so skurril, das kann doch keiner ernst nehmen?’ Ich warne davor zu glauben, das sei nur Wichtigmacherei. Die meinen jeden Satz genau so, wie sie ihn sagen.“ Die AfD wolle die Demokratie in Deutschland beenden. Im Hinblick auf die anstehenden Europa- und Kommunalwahlen im Juni bat Schweitzer die Zuhörer, eine demokratische Partei zu wählen. „Jede ist besser als diese rechtsradikale AfD.“ Wer glaube, von den Remigrationsfantasien der Rechten nicht betroffen zu sein, dem könnte ein böses Erwachen blühen. „Diese Illusion gab es schon mal in diesem Land. Wir können alle sehr schnell auf diese Listen kommen. Viel zu vieles riecht und schmeckt und fühlt sich gerade nach dem Deutschland der 1920er- und 1930er-Jahren an. Wo die Reise hingehen kann, sehen wir aktuell in Nordamerika und anderswo in Europa. Und auch bei uns wird es so kommen, wenn wir nicht endlich aufstehen.“

Das letzte Wort blieb einem jungen Mädchen überlassen, das das Motto der Veranstaltung ins Mikrofon sprechen durfte: „Annweiler bleibt frech, bunt und wunderbar!“ Am kommenden Samstag soll in Annweiler die nächste Veranstaltung gegen rechts stattfinden, die Demo mit Begleitprogramm beginnt um 12.30 Uhr vor dem Hohenstaufersaal – egal, ob Tino Chrupalla hinein darf oder nicht.

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