Kreis Südliche Weinstraße Die Schattenseite

„Die Zahl der Menschen am Rand der Gesellschaft ist in unser Stadt höher als im Kreisdurchschnitt“, sagte Ulrike Brunck am Donnerstagabend in der Sitzung des Stadtrats Bad Bergzabern. Die Leiterin der Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes informierte das Gremium über die soziale Situation in der Kurstadt.

Ende August hatte die Grünen-Fraktion beantragt, dass Vertreter der in der Stadt tätigen karitativen Einrichtungen den Stadtrat über ihre Arbeit und die Situation in Bad Bergzabern informieren sollten. Stadtbürgermeister Fred-Holger Ludwig (CDU) war einverstanden, wollte aber zunächst den ersten Kreisbeigeordneten Marcus Ehrgott (CDU einladen, damit dieser einen umfassenden Überblick geben könne. Ehrgott hatte aber am Donnerstag keine Zeit. Im Haupt- und Finanzausschuss eine Woche zuvor drängte Gerhard Rodrian (Grüne) auf Umsetzung des Antrags und schlug Ulrike Brunck als erste Referentin vor. Deshalb wurde das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung genommen. Ludwig war sichtlich verärgert über die Grünen. Unter anderem hatten diese unlängst der Stadtspitze vorgeworfen, „nur eine Politik für reiche Alte zu machen“. Ludwig wollte „als Bürgermeister auf den Antrag reagieren“. Alten-, Familien- und Jugendpolitik müsse sich auf die Gestaltung der Lebenssituation von jungen und alten Menschen einrichten, „was wir auf vielen Feldern getan haben“. Er nannte unter anderem neue Spielplätze, die Ausweitung des Kindergartenbezirks, das seniorenpolitische Konzept oder die Aufnahme ins Netzwerk der gesunden Städte. Der Stadtbürgermeister ging auch auf das gescheiterte Projekt „Lebensräume für Jung und Alt“ ein. „Hier war die Fraktion der Grünen zusammen mit der Kreisverwaltung treibende Kraft, dass die Lebensräume nicht verwirklicht werden konnten.“ Dem ehemaligen Beigeordneten Gerhard Rodrian warf er vor, „konsequent die Kosten für die zu zahlende Summe des Abmangels hochgeschraubt“ zu haben. Dabei geht es um den Betrag, den die Stadt für die sogenannte Gemeinwesenarbeit hätte zahlen müssen. Eine Gemeinwesenarbeiterin koordiniert das Zusammenleben in den Lebensräumen. Rodrian ärgerte sich über „diesen persönlichen und verleumderischen Angriff“. Die Stadt habe die jährlich 27.000 Euro für die Gemeinwesenarbeit nicht aufbringen können, und es sehe auch nicht so aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren daran etwas ändert. Deshalb seien die von ihm genannten Summen korrekt. Auch Hans-Peter Geiger (SPD) wunderte sich über Ludwigs Ausführungen: „Sie behaupten immer, andere hätten Ihnen bei Liebenau Knüppel zwischen die Beine geworfen, mal waren wir es, jetzt sind es die Grünen. Es gab ja nie einen Finanzierungsplan.“ Sven Böttinger (FWG) nannte Ludwigs Ausführungen an dieser Stelle „selten deplatziert“. Sie arbeite seit zwölf Jahren in Bad Bergzabern als Sozialarbeiterin in der Diakonie, habe Hunderte von Menschen beraten, sagte Ulrike Brunck. „Ich mag unsere Stadt, und wenn ich jetzt über die soziale Problematik spreche, dann geht es nicht darum, Nestbeschmutzerin zu sein.“ Sie wolle nur ein „Spotlight“ auf die Menschen werfen, „die so leicht übersehen werden, an die man nicht bei der Städteplanung denkt“, sagte Brunck, die auch als Sozialberaterin die Eltern in allen vier Kindertagesstätten berät. Nach den von Brunck vorgelegten Zahlen, die sie vom Kreis, dem Jobcenter und anderen Behörden erhalten hat, leben in der 8384 Einwohner zählenden Kurstadt 850 Ausländer. Davon sind aktuell 78 Asylbewerber im Asylverfahren. 119 seien als Flüchtlinge bereits anerkannt, leben aber noch in Unterkünften für Asylbewerber. „Es ist sehr schwer für diese Menschen, eine eigene Wohnung zu finden“, sagte Brunck. Im Jahr 2012 lebten laut Jobcenter 399 Bedarfsgemeinschaften in der Kurstadt, im vergangenen Jahr waren es bereits 567. Betroffen davon sind laut Ulrike Brunck 1096 Personen, darunter 323 Kinder. Nach den vom Kreis vorgelegten Zahlen leben fast 15 Prozent der Bevölkerung in relativer Armut oder am Existenzminimum. 130 Familien und Einzelhaushalt – rund 400 Menschen – bekommen Wohngeld. Das Jugendamt gewährte 2016 im Kreis 1388 Hilfen zur Erziehung, davon 176 in der Stadt Bad Bergzabern. Im vergangenen Jahr gab es im Kreis 176 Fälle von Kindeswohlgefährdungen, davon 44 in der Kurstadt. „Das ist extrem viel“, sagte Brunck. Rund 1400 Beratungsgespräche führt sie pro Jahr bei rund 320 Fällen. Weiter informierte sie, dass die Tafel jeden Mittwoch und Donnerstag 110 bis 130 Familien versorgt. Brunck schlug vor, dass die Stadt einen Sozialbericht erstellen soll, in dem alle Zahlen und Daten über Leistungsempfänger, aber auch von Kitas und Schulsozialarbeitern, Jugendamt unter anderen Einrichtungen zusammengestellt werden.

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