Kreis Südliche Weinstraße „Eher Therapie als Strafgericht“

Im Frühling 2017 soll es auf einem Spielplatz in Hochstadt passiert sein. Ein 28-Jähriger aus dem Kreis Südliche Weinstraße soll ein Mädchen unter ihr T-Shirt gefasst haben. Zudem soll er sie gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen auf die Wange geküsst haben. Der Missbrauchsprozess vor dem Jugendschutzgericht beim Amtsgericht Landau endete gestern mit der vorläufigen Einstellung – unter der Anordnung von Auflagen. Schon im Vorfeld des Prozesses war deutlich geworden, dass der Angeklagte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gehandelt hatte. Der junge Mann leidet möglicherweise unter dem Cohen-Syndrom. Zumindest gibt es dafür Anzeichen wie körperliche Verformungen und eine geistige Behinderung. Ob es sich wirklich um das Syndrom handelt, ist schwierig festzustellen, da weltweit nur rund 200 Fälle dieser Krankheit bekannt sind. Der hinzugezogene Psychiater hatte bei dem Angeklagten einen Intelligenzquotienten von 62 festgestellt. Bei Werten zwischen 50 und 69 spricht man von einer leichten Intelligenzminderung. Der Mann leidet zudem an ADHS und bekommt dafür amphetaminähnliche Medikamente. Seine Steuerungsfähigkeit sei erheblich herabgesetzt, hieß es. Der Angeklagte habe den Wunsch nach einer Partnerin, sei aber in seinen Möglichkeiten sehr eingeschränkt. „Der Mann weiß eigentlich, was er gemacht hat, und er weiß auch, dass man das nicht darf“, so der Psychiater. Er sieht in der Tat eine Art Ersatzhandlung, da der Angeklagte nur schwer Kontakte zum weiblichen Geschlecht knüpfen könne. Einen Fall von pädophilem Verhalten schloss er aus. Trotzdem könne er nicht ausschließen, dass der Angeklagte erneut solch eine Tat begehe. Der Vorsitzende Richter Urban Ruppert sagte zu Beginn der Verhandlung: „Das ist heute kein typisches Strafgericht, sondern eher eine therapeutische Angelegenheit.“ Ruppert verzichtete mit Einverständnis von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage auf die Vernehmung von Zeugen, da er sich davon keine neuen Erkenntnisse versprach. Er beschränkte sich auf die Verlesung des Vernehmungsprotokolls des Opfers. Das Mädchen hatte ausgesagt, dass sich der Angeklagte am Verschluss ihres Büstenhalters zu schaffen gemacht habe. Zuvor habe er sie verbal bedrängt und sich an sie herangedrückt. Als sie weglaufen wollte, habe er sie am Arm gepackt, zu sich auf den Schoß gesetzt und die Hand unter ihr T-Shirt geführt. Zu einer Berührung der Brust sei es nicht gekommen. Er habe sie aber auf die Wange geküsst. Sie habe sich dabei ständig gewehrt. Schließlich sei es ihr gelungen, sich aus seinem Griff zu befreien. Der Vorfall war erst offenkundig geworden, als das Opfer einem anderen Mädchen darüber berichtete. Dieses vertraute sich seiner Oma an. Rechtsanwalt Alexander Grassmann aus Landau, der die Nebenklage vertrat, sagte, dass das Mädchen noch immer unter den Geschehnissen leide und sich nicht alleine unter Menschen traue. Auch habe es Angst, dem Mann zu begegnen. Dies war wohl zufällig bei einer Busfahrt passiert. Die Mutter des Täters sagte, dass sie mittlerweile umgezogen seien, um weitere Begegnungen weitgehend auszuschließen. Der Angeklagte machte zur Sache keine Angaben. Er steht seit 2009 unter der Betreuung seiner Mutter. Diese Betreuung ist noch bis mindestens 2023 festgelegt. Das Schöffengericht verwies bei seiner Entscheidung auf die Strafprozessordnung, wonach die Einstellung eines Verfahrens möglich ist, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Angeklagte muss sich die nächsten zwölf Monate medizinisch behandeln lassen. Besonders der Umgang mit Sexualität und Partnerschaft soll dabei Thema sein. Der Angeklagte versprach, sich an die Auflagen zu halten und seine Tat nicht zu wiederholen.

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