Kreis Südliche Weinstraße Häuserkampf

91-93659749.jpg

Herxheim. Petra Kolm wohnt in einem dieser Fachwerkhäuser, die von sich erzählen. Wer durchs Wohnzimmer läuft, durch das sich ein buckliger Holzbalken zieht, hört bei jedem Schritt den knarrenden Boden. Das Heim der 52-jährigen Sozialpädagogin in der Bruchgartenstraße hat schon viel erlebt, wenn man das so sagen kann. Im Haus nebenan war mal die älteste Kneipe des Dorfes, erzählt sie, der Grüne Baum. Dort wird schon lange kein Bier mehr getrunken, jetzt bröckelt nur noch der Putz. Doch bei allem, was sich in der engen Gasse über die Jahrzehnte verändert hat, ist eines immer geblieben: der Bruch, dieses kleine Areal aus Bauerngärten und Wiesen mit Obstbäumen. Es ist nur wenige Schritte von Kolms Haus entfernt. Sie macht sich Sorgen, dass das Idyll bald zugepflastert wird. Die Gemeinde plant dort nämlich ein Neubaugebiet. Das will die Frau nicht akzeptieren – und wehrt sich. Petra Kolm hat Kaffee gekocht, an diesem Mittwochmorgen liegt noch Schneematsch auf der Straße. Ein paar Freunde aus der Nachbarschaft sind vorbeigekommen. Sie haben sich zusammengetan, um den Bruch zu retten, wie sie sagen. Kolm kramt in einem dicken Ordner und legt ein Blatt Papier mit dicht bedruckten Zeilen auf den Tisch. Ziemlich weit oben steht: „Fledermausvorkommen im Bruch in Herxheim.“ Es ist eine Untersuchung des Landauer Naturkundlers Heinz Wissing vom Bund für Umwelt und Naturschutz aus dem Jahr 2009. Darin steht, dass im Bruch, der sich im Osten der Gemeinde hinter den Baureihen der Unteren Hauptstraße entlangzieht, acht Fledermausarten vorkämen. In Rheinland-Pfalz gebe es insgesamt gerade mal 20. In seinem Kommentar schreibt Wissing: „Aus Sicht des Fledermausschutzes sollte das Gebiet in seiner jetzigen Form erhalten bleiben.“ Das ist es, was Petra Kolm, Gudrun Heller, Hannelore Freyer, Silvia Rätzel und Dominik Jäger wollen, die an diesem Morgen zusammensitzen. „Es gibt so viele Vögel und Pflanzen dort, außerdem ist es ein Naherholungsgebiet in der Nähe des Ortszentrums, das viele Menschen nutzen“, sagt Heller. Sie sind gerade dabei, eine Bürgerinitiative zu gründen, einen Namen haben sie schon: „Rettet den Bruch“. Es gebe einen harten Kern von acht Leuten, und rund 20 Interessenten, sagen sie. Die Baugebietsgegner waren auch schon im Herxheimer Gemeinderat, um ihre Forderungen deutlich zu machen. Fast eine Stunde löcherten sie die Räte mit Fragen, erzählen sie. Der Bruch ist für die Anwohner nicht nur ein Stück Land, auf dem es sich gut mit dem Hund Gassi gehen lässt. Es hängen Erinnerungen daran. Für die vier Kinder von Gudrun Heller, die inzwischen aus dem Haus sind, war das Gelände ein Abenteuerspielplatz. „Wir brauchen keine Alla-Hopp-Anlage, wir haben den Bruch“, sagt sie. Auch Hannelore Freyers Mutter liebte dieses ziemlich unberührte Stück Natur. Wenn sie einmal im Jahr für mehrere Wochen zu Besuch war, ging sie jeden Tag mit ihrem Rollator durch den Bruch. „Sie hat immer gesagt, dass es so dort so schön sei“, sagt Freyer. Vielen anderen Menschen im Ort gehe es ähnlich. Der Streit um das Herxheimer Neubaugebiet ist kein Einzelfall – und er ist nicht neu. In Landau will die Stadt im Südwesten ein Baugebiet ausweisen, Winzer und Anwohner gehen auf die Barrikaden. Die Winzer fürchten um Rebflächen, die Anwohner sagen, die Natur würde verschandelt. Franz-Ludwig Trauth weiß das. Überall, wo gebaut wird, gingen Flächen verloren, sagt der Herxheimer Ortsbürgermeister. Und überall gebe es Kritiker und Befürworter. Man wisse im Rathaus, dass der Bruch eine sensible Fläche sei, nicht nur wegen der Fledermäuse. Deshalb wolle die Gemeinde das geplante Neubaugebiet Kalkofen im Nordosten vorziehen, wo rund 100 Bauplätze entstehen sollen. „Wir haben zurzeit rund 150 Bauanfragen, mir hat man ja auch schon vorgeworfen, dass ich zu wenig dafür tue, um Bauland bereitzustellen“, sagt er. Die möglichen 80 Bauplätze im Bruch könnten die Nachfrage stillen. „Aber damit das klar ist. Wir stehen noch lange nicht vor einem Beschluss“, sagt Trauth. Die Bruch-Bewahrer treibt aber auch die Frage um, was passiert, wenn die Fläche versiegelt wird. Sie haben Angst, dass Regenwasser nicht mehr problemlos ablaufen kann. Trauth gibt Entwarnung: Das werde natürlich alles geprüft. Petra Kolm und ihre Mitstreiter haben inzwischen ihren Kaffee ausgetrunken und Winterstiefel angezogen, es geht in den Bruch. Über einen schmalen Pfad, der an Gudrun Hellers Haus vorbeiführt, kommt die Gruppe an einer Wiese vorbei. Silvia Rätzel streckt ihren Arm aus. „Da haben sie ein paar alte Obstbäume einfach gefällt, das kann nicht sein“, sagt sie. Die anderen nicken. Ein Nachbar hatte sich beschwert, dass ein Brombeerstrauch auf der gemeindeeigenen Wiese vor sich hinwuchere. Gemeindemitarbeiter rasierten aber nicht nur den Strauch, sondern fällten gleich noch ein paar Bäume. Petra Kolm wandte sich in einer Mail an Landrätin Theresia Riedmaier. In ihrer Antwort schrieb sie, dass der Bruch eine sehr hohe ökologische Bedeutung habe. Sie habe die Herxheimer Verwaltung darauf hingewiesen, dass nichts passieren dürfe, bevor eine „artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme“ abgeschlossen sei. Sie habe auch mit Bürgermeister Trauth telefoniert. Der sagt, die Gemeindemitarbeiter seien vielleicht „ein wenig übers Ziel hinausgeschossen“, die Sache sei inzwischen geklärt. Die Kommune wolle ja nichts Unrechtes tun. Die Akte „Bruch“ ist noch ziemlich neu, jetzt müssen Prüfverfahren zeigen, wie es um das Gebiet bestellt ist. Die Bürgerinitiative will nun ein Gutachten über das Vorkommen von Pflanzen und Tieren erstellen lassen, „es wird unser Arbeitsjahr, wir stehen ja erst am Anfang“, sagt Gudrun Heller. Das Ende ist jedenfalls ungewiss. Info Wer bei der Bürgerinitiative mitmachen möchte oder sich interessiert, kann sich unter Telefon 07276 966418 oder per Mail an rettet-den-bruch@gmx.de wenden.

x