Hauenstein Georg-Kratz-Platz: Ehemalige Schuhfabrik steht sinnbildlich für die Wirtschaftsgeschichte des Dorfs

Vor 20 Jahren wurde die Schuhfabrik Kratz abgerissen. Heute erinnert eine Tafel an sie.
Vor 20 Jahren wurde die Schuhfabrik Kratz abgerissen. Heute erinnert eine Tafel an sie.

Der neue Georg-Kratz-Platz in Hauenstein kann als Spiegelbild der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des letzten Jahrhunderts gelten. Nicht nur für das größte Schuhdorf Deutschlands.

Mehr und mehr rücken die Persönlichkeiten, die Hauenstein entscheidend mitgeprägt haben, aus der Erinnerung ins lebendige Licht. Neben dem zentralen Johann-Naab-Platz und dem Lorenz-Wingerter-Platz in der Ortsmitte hat die Gemeinde in Zusammenarbeit mit Heimatgeschichtlern jetzt auch den um die Jahrtausendwende errichteten großen Parkplatz in der Landauer Straße – ganz in der Nähe des Friedhofs – mit anschaulicher Geschichte „geöffnet“. Gewidmet ist der Platz jetzt Georg Kratz, einem der ersten Hauensteiner Schuhpioniere, dessen Firmengeschichte über drei Generationen erfolgreich war. Das Beispiel Kratz’ ist eine sozialgeschichtliche Blaupause für Hunderte ähnlich gearteter Firmen- und Familiengeschichten im Auf und Ab des letzten Jahrhunderts. Die Kratz-Fabrik stand dort, wo jetzt ein moderner Parkplatz ist, der die Parknot im Ortskern und am Friedhof entscheidend lindern hilft.

Ein Ausflug in die Geschichte des Hauensteiner Schuhpioniers Georg Kratz, geboren 1865 in Elmstein, lohnt sich nicht nur für die Hauensteiner, sondern auch für alle Hauenstein-Besucher, die bei ihrem Ortsrundgang jetzt immer mehr lebendige Geschichte mit historischen Fotos und Kurztext-Tafeln vorfinden.

Aufstockung während des Wirtschaftswunders

So war auch die alte Schuhfabrik Kratz Teil der Schuhgeschichte Hauensteins geworden. Dabei gilt das Beispiel Hauenstein gleichwohl für alle Schuhgemeinde in unserer Region, in der rund 600 Schuhfabriken registriert waren. Am Beispiel der Firmengeschichte Kratz wird übrigens auch ein anderes Phänomen deutlich, das Dutzende anderer Betriebe in der gesamten Schuhregion als Erfolgsmuster dienen kann: Das aus den Pionierzeiten des beginnenden 20. Jahrhunderts stammende einstöckige Fabrikgebäude wurde in den Wirtschaftswunderzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestockt und vergrößert. Auch ein moderner Aufzug wurde in diesen Jahren wie fast überall zum Zeichen der modernen Fabrik.

Die Gemeinde hatte Anfang der 90er Jahres das Gebäude mit Mitteln der Städtebauförderung günstig erworben, mit der Absicht, es später abzureißen und eine neue städtebauliche Ordnungsmaßnahme im Ortskern zu schaffen. Zwischenzeitlich hatte man Fabrik und Wohngebäude immer wieder gewinnbringend vermietet, so dass sich der Kauf bald amortisiert hatte. Teilweise boten die Verantwortlichen auch jungen Geschäftsgründern Gelegenheit für eine günstige Startmöglichkeit. So wurden im letzten Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende in der leerstehenden Fabrik geschreinert, musiziert, ökologisch produziert und ausprobiert. Vereine nutzten Lagermöglichkeiten, im Wohnhaus waren Asylwohnungen vermietet. Mittlerweile war Hauenstein auch als Städtebaugemeinde anerkannt worden, die ganz neue Entwicklungsperspektiven eröffnete. Die gesamte Überplanung mit Abriss zugunsten einer innerörtlichen Neugestaltung mit Parkplatz wurde zu 100 Prozent von der Städtebauförderung übernommen und bezuschusst.

Wehmut beim Abriss

„Es war für mich schon ein bisschen mit Wehmut verbunden, den Abriss des Gebäudes zu verfolgen, das mein Großvater noch vor dem Jahr 1900 erbaut hatte“, meinte damals der mittlerweile verstorbene Gründerenkel Benno Kratz, der bis 1965 mit seinen beiden Brüdern Walter und Helmut die Palette-Schuhfabrik geführt hatte. Weil die „Kratze-Buwe“ zeit ihres Lebens sich der Fliegerei verschrieben hatten, sah man in den 50er- und 60er-Jahren bei allen großen Fußballspielen und sonstigen Ereignissen immer das Werbebanner „Palette – der Modeschuh von Rang“ am Stadionhimmel der Pfalz und des Saarlandes kreisen. „Wir haben schon früh gewusst, wie man sich das Firmenlogo einprägen konnte“, erzählte zu Lebzeiten „de Kratze Benno“, der im Zweiten Weltkrieg einen Messerschmitt-Nachtjäger flog.

Den damaligen Erzählungen von Benno Kratz ist es auch zu verdanken, dass es heute noch viel Wissenswertes über die Familien- und Fabrikgeschichte gibt. Großvater Georg Kratz hatte, bevor er nach Hauenstein kam, lange beim Militär gedient und war von Elmstein nach Hauenstein gekommen, wo er Sybille Feith heiratete. Georg Kratz gründete sein Unternehmen zehn Jahre nach der Beginn der Hauensteiner Schuhindustrie. Dem Vater folgte Sohn Josef, der selbst mehrere Jahre Militärluft schnupperte. Aus den Erzählungen von Benno Kratz ist bekannt, dass sich Gründervater Georg Kratz bereits um 1900 eine Dampfmaschine anschaffte. Das notwendige Wasser wurde durch eine 30 Meter tiefe Brunnenbohrung gewonnen. Als dann Hauenstein 1906 die erste Wasserleitung erhielt, brauchte man den Brunnen nicht mehr und hatte ihn verschüttet. Heute liegt der Brunnenschacht mitten im neuen Parkplatz. Die Energiegewinnung per Dampf und Transmission ging jedoch noch bis 1950. Nachdem die Brüder Walter, Benno und Helmut Kratz nach dem Krieg als dritte Generation die Palette-Schuhe erfanden, musste das Gebäude nochmals auf der ganzen Länge aufgestockt werden. 1965 schloss auch diese Fabrik , die in Glanzzeiten bis zu 130 Mitarbeiter beschäftigte, und ging in die ASS-Gruppe über.

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