Kreis Südwestpfalz Papst Pius’ Knochen ruhen nun anderswo

Besucherbänke gibt es im Saal nicht mehr. Hier hat Jürgen Trösch seine Kunst untergebracht – und zwei mächtige Stereoboxen im Al
Besucherbänke gibt es im Saal nicht mehr. Hier hat Jürgen Trösch seine Kunst untergebracht – und zwei mächtige Stereoboxen im Altarraum.

Das monotone Wummern basslastiger Elektrobeats dringt aus den beiden mannshohen Standboxen rechts und links des Altars. Im weitläufigen Innenraum der Kirche – dort, wo normalerweise die Bänke der Gottesdienstbesucher stehen – thronen blankpolierte Metallskulpturen. An der linken Längsseite, an der zurzeit noch die Orgel prangt, soll bald eine Wandkonstruktion mit einem künstlichen Wasserfall angebracht werden. In der Neunkircher Herz-Jesu-Kirche hat kein Pfarrer mehr das Sagen: Neuer Herr im Haus ist der Künstler Jürgen Trösch.

„Jetzt wünsche ich mir noch eine Schaukel mitten im Raum“, muss Trösch aber erst einmal bei einem Statiker nachfragen, ob der Boden des Kirchenraums das Gewicht eines Hubsteigers verkraftet: Ein solches Kran-Gefährt ist nämlich nötig, um die endlos langen Schaukelseile an den Balken in 14 Metern Höhe unter dem Hallendach zu befestigen. An Ideen scheint es dem Künstler nicht zu mangeln: Vor etwa zwei Jahren hat Trösch die Herz-Jesu-Kirche in der Neunkircher Kleiststraße gekauft – ein Gotteshaus, für das die katholische Pfarrei St. Marien keine Verwendung mehr hatte. „Damals standen drei bis vier Kirchen zum Verkauf“, weiß der Homburger zu berichten: „Diese hier war die größte – und die letzte, die noch zu haben war.“ „Vom Hörensagen“, sagt Trösch, habe er seinerzeit von jener ungewöhnlichen Immobilien-Offerte erfahren. „Für mich war das genau das Richtige“, erzählt der Künstler, dass seine Atelier-Räume in Schwarzenbach aus den Nähten zu platzen drohten. Hier in Neunkirchen, auf 1100 Quadratmetern Fläche auf zwei Etagen, hat der gebürtige Jägersburger nun Platz genug, um seine Vorstellungen umzusetzen. „Im Untergeschoss nutzt die Kirchengemeinde einige Räume weiter – die zahlen mir jetzt Miete“, will Jürgen Trösch künftig einige der Säle auch für standesamtliche Trauungen, Kunstausstellungen, Lesungen oder Betriebsfeiern vermieten. „Auch eine Tanzschule könnte ich mir hier vorstellen, eine Messe oder auch mal eine Modenschau.“ Anfragen, seine Immobilie für Oktoberfeste oder Ramba-Zamba-Partys zur Verfügung zu stellen, habe er aber abgelehnt: „Da hätte ich hinterher zuviel Stress beim Aufräumen.“ Trösch nutzt die aufgegebene Kirche als Ausstellungsraum, Atelier und als Veranstaltungs-„Location“, wie er selbst sagt. Die Empore hat er als „Vip-Lounge“ auserkoren. Aus dem Kirchturm ließ Trösch die fünf mächtigen Glocken entfernen, um dort ein gemütliches Turmzimmer in luftiger Höhe einzurichten. In der ehemaligen Sakristei finden sich nun die Toiletten („Die gab’s im Haus vorher nicht“); auch eine Küche hat dort noch Platz. Und was sagen die Neunkircher Katholiken zu der neuen Rolle, die ihre alt-ehrwürdige Herz-Jesu-Kirche nun spielt? „Die Reaktionen waren durchweg positiv“, sagt der 47-Jährige, dass er „nach wie vor einen sehr guten Draht zur Kirche“ habe. „Als ich neu gestrichen und die Beleuchtung auf LED umgestellt hatte, waren alle begeistert. Einträge in meinem Gästebuch bedanken sich dafür, dass ,in diesem Gotteshaus immer noch so viel Kirche geblieben’ ist.“ Dass der Altar stehenbleibt, „hatte ich zu meiner persönlichen Bedingung für den Kauf gemacht“, sagt der Homburger: „Zum Schluss haben die dort allerdings noch vorsorglich ein paar Reliquien rausgeholt – die Fingerknochen eines Papsts Pius.“ Bevor er sich 2001 als freischaffender Designer und Künstler selbstständig gemacht hat, arbeitete Trösch 15 Jahre lang bei Schaeffler in Homburg: „Dass ich Maschinenbauer gelernt habe, kommt meiner künstlerischen Arbeit heute sehr zugute.“ Als die Pfarrei St. Marien beschloss, sich von der Herz-Jesu-Kirche zu trennen, war der Homburger nicht der einzige Interessent: „Damals gab es auch Bewerber, die hier eine Spielhölle oder ein Restaurant unterbringen wollten. Sogar für einen Rotlichtbetrieb und eine Kart-Bahn gab es Anfragen. Da hat die Kirche aber nicht mitgespielt – die wollte das nicht.“ Hand aufs Herz: Ob er sich in dem riesigen, fast leeren Bauwerk nicht manchmal ein wenig gruselt – so ganz allein? „Aber nein“, beteuert der Künstler: „Die besondere Atmosphäre hier ist genau mein Ding. Neun von zehn Besuchern sagen mir, dass das hier eine richtig tolle Party-Location wäre.“ Das gewaltige Holzkreuz mit der Christus-Figur über dem Altar hat Jürgen Trösch an Ort und Stelle belassen. Ebenso die vier großflächigen sakralen Wandplastiken mit den Evangelisten. Neuerdings leisten dieser traditionellen Kirchenkunst Jürgen Tröschs metallische Schöpfungen Gesellschaft, die tanzende Paare, Menschen und Tiere sowie Mischwesen aus Menschenwelt und Fauna darstellen. Und welchen Kaufpreis musste der Objektkünstler seinerzeit für das Neunkircher Gotteshaus auf den Tisch beziehungsweise Altar legen? „Auf diese Frage hat mich die Kirchgemeinde extra vorbereitet“, schmunzelt der 47-Jährige: „Die sagten mir, ich soll einfach mit dem ,Gegenwert von zwei Häusern’ antworten.“

Jürgen Trösch ist der Eigentümer des ehemaligen Gotteshauses.
Jürgen Trösch ist der Eigentümer des ehemaligen Gotteshauses.
In der Herz-Jesu-Kirche finden keine Gottesdienste mehr statt.
In der Herz-Jesu-Kirche finden keine Gottesdienste mehr statt.
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