Kreis Südwestpfalz Treffend bemerkt

Pirmasens

. Wenn Großstädter in die Provinz kommen, kann das manchmal böse enden. Gerade Pirmasens hat schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht, die nur in die Stadt gekommen sind, um sich ihre Vorurteile vom schlechtesten Pirmasens der Welt bestätigen zu lassen. Geradezu legendär ist der Bericht eines Fernsehteams, das sich bei Winterwetter auf die Suche machte nach armen Kindern in Sandalen, fündig wurde (oder die Situation für die Fernsehkamera nur nachgestellt hat) und der Welt dort draußen dann die Not der Pirmasenser Kinder schilderte. Als wäre das typisch für die Stadt. Aber es geht auch anders, seriöser, näher an der Realität. In diesen Tagen sind in der „Welt am Sonntag“ und der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ seitenlange Berichte über die Südwestpfalz und die Stadt Pirmasens erschienen, die die Situation abbilden, wie sie ist. „Paradies der Pendler“ ist die Geschichte in der „Welt am Sonntag“ überschrieben. Autor Daniel Zwick kennt die Südwestpfalz, er stammt aus Ruppertsweiler, hat die ersten journalistischen Gehversuche als freier Mitarbeiter der RHEINPFALZ gemacht und steht nicht im Verdacht, seiner Heimat Schlechtes zufügen zu wollen. Zwick beschreibt die Not von Kreisbewohnern, die pendeln müssen, weil es im Landkreis zu wenig Arbeitsplätze gibt. Aber dem stehe die hohe Lebensqualität gegenüber mit bezahlbaren Immobilien, freien Kindergartenplätzen oder der Freizeitgestaltung in der Natur. Damit’s besser wird, so sagen es Zwicks Gesprächspartner, müsse die B 10 vierspurig ausgebaut werden. Die Südwestpfälzer können sich in diesem Artikel wiederfinden. Das gilt auch für den Bericht „Pirmasens, abgehängt“ in der FAZ am Sonntag. Der Titel ließ Böses ahnen, der Text der Autoren Corinna Budras und Sharon Exeler war dann aber doch die Beschreibung der Wirklichkeit. „Pirmasens ist kein Fall für das Gruselkabinett, sondern geradezu ein Lehrstück“, so die Autoren. Ein Lehrstück dafür, dass eine boomende Stadt den Halt verliert, wenn die tragenden wirtschaftlichen Säulen (Schuhindustrie und US-Militär) wegbrechen. Die FAZ lässt die Pirmasenser Immobilienmaklerin Astrid Weibel erzählen. Davon, dass sie nach der Schule eine Ausbildung begonnen hat und mit dem kargen Lohn von 450 Mark im Monat auskommen musste, während Klassenkameraden ohne Ausbildung mit Akkordarbeit in der Schuhindustrie das Doppelte und mehr verdienten. „Ihre Klassenkameraden leben heute von Hartz IV“, heißt es etwas zu pauschal. Aber das Problem ist erfasst: Wo sich über Generationen Familien für auskömmliches Geld in der Schuhindustrie verdingten und auf weiterführende Schulen, Ausbildung oder Studium pfiffen, blieb Bildung außen vor. Es wird wieder Generationen dauern, diese falsche Sicht der Dinge geradezurücken. Beispielsweise mit dem Pakt für Pirmasens, „ein einzigartiges Projekt“, wie die FAZ-Autoren loben, das ebendies bezweckt: Kinder in der Schule bei der Stange zu halten und zu einem Abschluss zu bringen. Wie in der „Welt“ wird auch in der FAZ auf Vorzüge der Region hingewiesen. Pirmasens wird insbesondere als Stadt mit billigen Wohnungen beschrieben, „ein Standortvorteil in einem Land mit explodierenden Immobilienpreisen“, so die Autoren. Und es wird der dumme Spruch relativiert, dass die Menschen hier früher sterben. Gut, es stimmt, dass diejenigen Pirmasenser, die Hartz IV erben und weitervererben, eine geringere Lebenserwartung haben. Aber „der Normalbürger lebt natürlich ähnlich lang wie anderswo“, so die Autoren. Dem ist nichts hinzuzufügen. (pr)

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