Landau Als Landau verschwand

Landau ist nicht gleich Landau. Insgesamt fünf verschiedene Landaus stellt die RHEINPFALZ in einer Serie vor – längst vergessene Orte oder derart entlegene, dass wohl kaum ein Pfälzer sie je betreten wird. Heute führt der Weg in die Ukraine.

Deutschland – dieses Land war für viele Landauer ein Mysterium. Das Land ihrer Väter, das die meisten von ihnen noch nie betreten hatten. Und plötzlich sollten sie sich auf den Weg dorthin machen. Oder zumindest in die Nähe, ins von Deutschland besetzte Warthegau. Die Rede ist diesmal von Landau in der Ukraine – es ist die jüngste Siedlung dieses Namens. Einige wenige Bilder gibt es bei Facebook, außerdem findet sich im Internet eine Festschrift der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (www.lmdr.de) mit historischen Aufnahmen. Es war der 16. März 1944. Die russische Armee war nur noch wenige Kilometer vom Beresan-Fluss und damit von Landau entfernt. Schnell wurden die Wagen und Kutschen beladen, die letzten Züge und Flugzeuge verließen die Region in Richtung Westen. Die meisten Flüchtlinge sollten nie zurück kommen. 1809 hatten Auswanderer aus der Südpfalz die Stadt sowie die Nachbarorte Speyer und Rohrbach gegründet. Ein Jahr später entstanden Karlsruhe, Sulz, München und Rastadt. Es war die Zeit, in der Napoleon Europa mit Ausnahme Russlands beherrschte. Viele sahen in der Zeit dieser Unruhen keinen anderen Ausweg als die Auswanderung. In der Ukraine gab es viel Platz und wenig Bevölkerung, da Russland die Region erst wenige Jahrzehnte zuvor im Krieg vom Osmanischen Reich erobert hatte. Zaren wie die gebürtige Deutsche Katharina II. „die Große“ warben bereits im 18. Jahrhundert offensiv in Deutschland um Siedler, die sich an der Wolga oder in der Ukraine niederließen. So kamen die Siedler nach Osteuropa. Im 19. Jahrhundert bauten die südwestdeutschen Auswanderer ihre Siedlungen aus. Aus Schafhirten wurden schnell Landwirte, und bald siedelte sich auch Handwerk in der bis dahin unberührten südukrainischen Prärie an. Zwischen 1811 und 1926 hatte sich die Einwohnerzahl der Kolonien fast versiebenfacht, Schulen, Kirchen und andere Einrichtungen entstanden. Die kommunistische Revolution führte zu einigen Unruhen zwischen Schwarzmeerdeutschen und Roter Armee, doch die endgültige Katastrophe geschah 1941 mit dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion. Als „Volksdeutsche“ oder „russische Kollaborateure mit dem Feind“ wurden sie zwischen den Fronten aufgerieben. Ende 1941 wurde das von der Wehrmacht besetzte Landau zum Sitz des Sonderkommandos R, wodurch die Koloniegebiete eine weitgehende Autonomie erhielten. Bis 1944. Denn als die Rote Armee auf den Beresan-Fluss zumarschierte, waren die Kolonien verloren, die Trecks standen bereit und zogen gen Westen. Das Ziel jedoch sollte sich als folgenschwer erweisen – das Warthegau, die Region rund um das polnische Posen. Denn auch dorthin sollte die Rote Armee noch kommen – und nicht jedem Schwarzmeerflüchtling gelang die Flucht in das Gebiet der späteren Bundesrepublik. Da für die Sowjets die Schwarzmeerdeutschen Verräter an der Sache Russlands waren, wurden diese soweit fassbar nach Zentralasien deportiert – auch viele der 2000 Landauer. Sie durften nie wieder nach „Schyrokolaniwka“ zurückkehren, wie die Stadt mit ebenfalls 2000 Einwohnern heute heißt. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Gründung der Ukraine wurden diese Gesetze zwar gelockert – aber nur wenige der nun seit einem halben Jahrhundert in Sibirien, Kasachstan oder anderen Regionen Zentralasiens lebenden Landauer konnten oder wollten da noch zurück. Manche gingen auch gleich ganz nach Deutschland. Schließlich ist die Region zwischen der Krim und Transnistrien auch heute wieder ein Krisenherd. Wesentlich beständiger ist da das letzte Landau auf unserer Reise. Das am weitesten Entfernte. Die Serie Bisher vorgestellt: die „Bergstadt“ Landau in Hessen (19. Januar), Landau an der Isar (4. Februar) und Petit-Landau am elsässischen Oberrhein (5. März).

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