Landau Forschung in Landau: Wie überleben Libellen in Städten?

Die Queich in der Bachgasse ist Forschungsort.
Die Queich in der Bachgasse ist Forschungsort.

Über der Queich in der Landauer Bachgasse baumelten bis Freitag an drei Stellen rote Gebilde und Flaschen. Was hatte es damit auf sich?

An einem der Seile, die am Geländer vertäut waren, hing ein Zettel mit der Aufschrift: Bitte nicht berühren, Forschungsprojekt. Ein beigefügter QR-Code gab Aufschluss, worum es geht. Julia Gieser, eine Doktorandin des Fachbereichs Natur- und Umweltwissenschaften der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau, untersucht die Qualität der Lebensräume von Libellen in städtischen Wasserläufen.

So sehen die Fensterfallen aus.
So sehen die Fensterfallen aus.

Artenvielfalt nimmt ab

Die Gebilde sind Fensterfallen, erläutert Julia Gieser auf Anfrage. Sie hätten noch einige Tage hängen sollen, mussten am Freitag aber eingeholt werden, weil die Meteorologen für das Wochenende Unwetter angekündigt haben. Die Stationen sollen in diesem Sommer wieder aufgehängt werden.

Worum geht es? Die mit Süßwasserlebensräumen verbundene Artenvielfalt ist in den letzten Jahrzehnten aufgrund städtischer Stressfaktoren wie der Begradigung und Kanalisierung von Wasserläufen und der Oberflächenversiegelung stark zurückgegangen. „Dies ist einer der Gründe, warum die Vereinten Nationen das Jahrzehnt der Wiederherstellung von Ökosystemen ausgerufen haben. Verbesserungen der Lebensraumqualität an aquatisch-terrestrischen Schnittstellen könnten insbesondere Organismen mit komplexen Lebenszyklen zugutekommen, darunter Libellen und Kleinlibellen“, erläutert Gieser. Aquatisch beschreibt die Verbindung zu Wasser, terrestrisch bedeutet an Land.

Was fressen Libellen?

Libellen sind von den Auswirkungen der Entwicklungen in Städten betroffen, denn einige Arten fühlen sich dort, auch in Stadtrandgebieten und durchgrünten Wohnsiedlungen wohl. Doch die Wissenschaft weiß zu wenig über die Hauptbedrohungen. Laut Gieser sind trotz ihres Schutzstatus nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes nur 54 Prozent der 81 in Deutschland vorkommenden Libellen-Arten auf der Roten Liste Deutschlands als „nicht gefährdet“ eingestuft.

Die junge Frau untersucht also die Lebensumstände der Insekten in Städten. Landau ist eine von acht Städten des Projekts, in denen mehrere Fensterfallen in je vier innerstädtischen Abschnitten und einem außerstädtischen Abschnitt hängen. Zu klären ist, welche Beute hier auf der Speisekarte steht und ob die Auswahl und die Qualität der Nahrung ausreichend ist. Zwischen den roten Schalen ist eine Plexiglasscheibe fixiert, auf die Insekten wie Stechmücken, Hautflügler oder Nachtfalter prallen. Die einen fallen nach unten durch den Trichter in ein Probeentnahmegefäß mit Konservierungsmittel. Die anderen, zum Beispiel Marienkäfer, krabbeln nach oben in die Flasche, die ebenfalls mit Konservierungsmittel gefüllt ist.

Kot wird untersucht

Parallel fangen Gieser und ihre Unterstützer mit Keschern Libellen, untersuchen ihren Kot und lassen sie wieder frei. So erhalten sie Aufschlüsse darüber, was die Tierchen verspeisen, „was die Nahrungspräferenzen sind“.

Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf Biodiversität und Fortpflanzungserfolg, trophischen Interaktionen – also Nahrungsbeziehungen (einer frisst den anderen), und Populationsdynamik von Libellen-Gemeinschaften. Ziel ist laut Gieser die Entwicklung von Empfehlungen, wie lokal angepasste Renaturierungsmaßnahmen zum Schutz von Libellen beitragen können – insbesondere in Gebieten mit stark volatilen Umweltbedingungen wie Städten.

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