Landau Interview über Landauer Thomas-Nast-Verein

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Der aus Landau stammende Thomas Nast hat in den USA mit seinen Zeichnungen viel bewegt. Heute ist er noch immer oder schon wieder hoch aktuell. Hubert Lehmann über den Verein, der das Andenken an den großen Cartoonisten hochhält.

Herr Lehmann, der Landauer Thomas Nast hat in den damals noch jungen USA mit seinen politischen Zeichnungen gehörig Wirbel gemacht. Wie käme er mit dem derzeitigen Präsidenten zurecht?

Das wäre eine helle Freude. Er könnte jeden Tag stundenlang Karikaturen über diesen merkwürdigen Präsidenten, dessen Umfeld und Familie zeichnen. Trump liefert ja ständig und wird dies weiter tun, solange er im Amt ist. Es gibt also reichlich Stoff zum Entlarven, Demaskieren und Brüskieren. Was unterscheidet Nasts Zeichnungen von der modernen Karikatur? Die Karikaturen heute sind nicht so künstlerisch gestaltet, nicht mit so viel Akribie gezeichnet und graviert. Nast musste ja noch auf Holzstöcke zeichnen und oft unter Zuhilfenahme einer Lupe in das Holz stechen. Moderne Karikaturisten kommen überwiegend ohne viel Sprache aus. Bei Gerhard Mester beobachte ich allerdings, dass auch bei ihm die Sprache eine große Rolle spielt. Wie gut kann man heute noch all das erschließen, was Nast in seine Werke hineingepackt hat? Manches ist offensichtlich, und vieles kommt einem sehr aktuell vor. Aber es gibt auch eine Fülle von Werken, deren Kontext man erläutern muss, wer die Protagonisten waren, was sie getan haben und welche politischen Hintergründe es gab. Zum Glück gibt es „Harpweek“ als Nachfolger der damaligen Zeitschrift „Harper’s Weekly“, für die Nast viel gearbeitet hat. „Harpweek“ veröffentlicht immer wieder auch Nast-Zeichnungen mit Erläuterungen. Uns liegen 250 solcher Texte vor, in Englisch, die wir ins Deutsche übertragen. So kommen wir dann auch zu neuen Ausstellungskonzepten. Welche zum Beispiel? Wir wollen die Außenpolitik zum Ende des 19. Jahrhunderts zum Thema machen, die Umbrüche im Nahen Osten und die Konflikte zwischen dem Deutschen Kaiserreich, England, Frankreich und dem Zarenreich. Die Themen Korruption, Kirche und Staat sowie Minderheiten sind schier unerschöpflich. Wir wollen ja nicht nur bewahren und pflegen, was wir haben, sondern die Karikaturen auch kommentiert an die Öffentlichkeit bringen. Wie viele Werke hat Nast hinterlassen? Ist noch mit Neuentdeckungen zu rechnen? Tausende. Und es gibt mit Sicherheit auch noch Neues. Wenn wir etwas finden, kaufen wir. Das kann im Kunsthandel sein, aber auch bei Ebay. Der Landauer Verein stellt Teile seiner Sammlung in Speyer aus. Woher stammen die 2500 Stücke, aus denen Sie schöpfen können? Rund 2200 stammen von einem Sammler aus den USA. Sie befinden sich im Landesbibliothekszentrum Speyer, wo sie auch restauriert und gesichert wurden. Etwa 80 Werke besitzt die Stadt Landau, und wir haben 186 Zeichnungen, die uns der Karlsruher Unternehmer Jörg Schindler, ehemaliger Rachengold-Chef, gestiftet hat. Alle 2500 liegen digitalisiert auf CD vor. Wann wird wieder ein Thomas-Nast-Preis an einen modernen Karikaturisten verliehen? 2018. Letzter Preisträger vor vier Jahren war Tomi Ungerer. Es hatte eine Pause gegeben, weil die Stadt kein Geld mehr hatte für Reise-, Übernachtungskosten und das Preisgeld. Mit der Auswahl eines Karikaturisten aus den USA war das recht teuer. Jetzt ist mit Oberbürgermeister Thomas Hirsch vereinbart, dass die Stadt die Räume stellt und der Verein sich um die Auswahl des zu Ehrenden und das Drumherum kümmert. Wir suchen jetzt Sponsoren. Da ist schon was im Werden. Gibt es den schon? Den gibt es schon, aber noch ist er nicht ausgewählt (Lehmann schmunzelt). Dabei wird uns Therese Willer helfen, die Leiterin des Tomi-Unger-Museums in Straßburg. Sie kennt die Szene ganz hervorragend. Welche weiteren Schritte plant der Verein? Wir haben gerade einen Katalog für die Ausstellung in Speyer gemacht, die nächstes Jahr auch in Zweibrücken gezeigt wird. Unsere Homepage wird überarbeitet. Wir werden zum Beispiel den Cartoon des Monats mit Erläuterungen veröffentlichen. Und wir werden unsere Weihnachtskarten-Aktion mit Nast-Motiven fortführen, um Mittel für das Preisgeld zu verdienen. Das soll beachtlich ausfallen, damit wir auch überregional beachtet werden. Wir wollen ja mit Thomas Nast auch für unsere Stadt werben. Außerdem steht die Sicherung unserer Nast-Karikaturen an, denn das 150 Jahre alte Zeitungspapier, auf dem sie gedruckt sind, zerfällt irgendwann. Das sind wir unserem Stifter Jörg Schindler schuldig. | Interview: Sebastian Böckmann

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