Nussdorf Kräuterbuch aus dem Jahr 1663 wird restauriert

Klaus Müller, ein altes wertvolles Kräuterbuch von 1663 in Buchbinderei Müller.
Klaus Müller, ein altes wertvolles Kräuterbuch von 1663 in Buchbinderei Müller.

Ein altes Kräuterbuch aus dem Jahr 1663 gibt interessante Einblicke in die Pflanzenkunde und Heilkunst. Doch das Werk ist schwer in die Jahre gekommen. Die Seiten sind an den Rändern ausgefranst. Ein Sammler lässt es nun restaurieren.

Das Kräuterbuch, das zurzeit in der Nussdorfer Buchbinderei Müller auf dem Arbeitstisch liegt, ist ein wahrer Prachtband, an die tausend Seiten dick, mit 1200 detailreichen Holzschnitten illustriert. Doch die bibliophile Kostbarkeit aus dem Jahr 1663 ist schwer in die Jahre gekommen, der Pergamenteinband fleckig und beulig, die Seiten an den Rändern ausgefranst, die Fadenheftung lädiert. „Das sind die normalen altersbedingten Gebrauchsspuren“, stellt Buchbindermeister Klaus Müller fest. Höchste Zeit jedenfalls für eine behutsame Restaurierung. Und genau dafür sind Hedwig und Klaus Müller Spezialisten. Sie haben schon Hunderte von alten Bibeln instandgesetzt.

Einblick in lang vergangene Zeit

Jetzt also ein Kräuterbuch. Ein Sammler aus der Südpfalz hat den beiden Meistern den Auftrag zur Sanierung des Werks erteilt, das 1663 in Ulm gedruckt wurde. Es ist ein wunderschöner, kunstvoller Band, der einen Einblick in Pflanzenkunde und Heilkunst aus lang vergangener Zeit gibt. „Thier-Kräuter-Berg-Buch“ steht auf dem Titelblatt. Weiter heißt es dort unter anderem: „Alles in Hoch-Teutscher Sprach… lustig und außführlich in vier Theilen beschrieben und mit ZwölffHundert Figuren gezieret.“ Als Verfasser des Werks wird Johann Joachim Becher aus Speyer genannt, „der Artzney Doctorn, Churfürstl. Mayntzischen Mathematicum und Medicum“. Becher galt als bedeutender Arzt und Gelehrter seiner Zeit, allerdings laut Wikipedia „eine schillernde Persönlichkeit in der Zeit des Übergangs von der Alchemie zur modernen Chemie“.

Wort Salbey wird übersetzt

Der 1000-Seiten-Wälzer hat vier Kapitel, das weitaus größte heißt „Phythologia“ (Pflanzenkunde), die drei anderen befassen sich mit Tierkunde, Mineralogie und Medizin. Es macht Spaß, in dem alten Buch zu blättern, auch wenn das natürlich äußerst behutsam geschehen sollte. In der Phythologia sind Hunderte von Kräutern und Nutzpflanzen mit immer gleicher Systematik beschrieben. Nehmen wir als Beispiel auf Seite 319 den Salbei. Oben auf dem Blatt werden in drei Holzschnitten Blätter, Früchte und Wurzeln des Krauts dargestellt. Es folgt ein (wie auf dem Titelblatt angekündigt) lustiges Gedicht. Auszug: „Salbey/das edle Kraut/viel guts von ihm herrührt/ Nicht besser mirs gefällt/als wanns ein Schuncken ziert. Doch in der Artzeney/verrichts viel gute Ding/Vier Stück drauß praeparirt/man hält sie nicht gering.“ Der „Schuncken“ ist natürlich ein Schinken. Nach dem Gedicht wird’s wieder wissenschaftlich. Das Wort Salbey wird in verschiedene Sprachen übersetzt, die Blüte- und Erntezeit wird mitgeteilt, es folgt die „Gestalt“, also die äußerliche Beschreibung. Unter „Stell“ erfährt man, dass Salbei „einen leimischten Boden“ braucht. Weitere Absätze beschreiben die „Würckung“ der Pflanze und schließlich sind die medizinischen Präparate aufgezählt, die daraus hergestellt werden.

Etwa 100 Stunden Arbeit warten

Salbei mag manches menschliche Leiden lindern, bei beschädigten Büchern ist er wirkungslos. Die Kur der Müllers ist von anderer Art. Zunächst ist der Band Seite für Seite komplett zerlegt und mit einer feinen Bürste trocken gereinigt worden. Jahrhundertealter Schmutz hatte sich zwischen den Blättern gesammelt. Etwa 50 Blätter, die größere Schäden aufwiesen, wurden gewaschen, mit Papierbrei angefasert und nachgeleimt. In einem weiteren Schritt werden die alten Heftlagen wieder mit Faden geheftet und der Buchrücken wird neu verleimt. Zuletzt bekommt das Kräuterbuch einen neuen Ledereinband. Klaus Müller schätzt, dass etwa hundert Stunden Arbeit in der Restaurierung stecken.

Angeregt durch den wertvollen Band, der ihm anvertraut wurde, hat sich der Buchbindermeister ein wenig in die Geschichte der Kräuterheilkunde und der Kräuterbücher eingelesen. Schon im frühen Mittelalter legten Mönche die ersten Kräutergärten an, etwa auf der Insel Reichenau. Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert lebte, verfasste handgeschriebene Kräuterbücher. Mit Beginn der Druckkunst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kamen Kräuterbücher dann in größeren Mengen auf den Markt. „Und heute“, Klaus Müller zückt sein Handy und schlägt einen großen Bogen, „gibt es Apps für das Smartphone. Ein, zwei Klicks und eingescannt und schon hat man eine Pflanzenbestimmung in Bild und Text.“ Das gilt für alles, was da wächst und blüht, und natürlich auch für Kräuter.

Ein altes wertvolles Kräuterbuch von 1663 in Buchbinderei Müller. Hier: Knoblauch.
Ein altes wertvolles Kräuterbuch von 1663 in Buchbinderei Müller. Hier: Knoblauch.
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