Landau Nur mit Bart geht’s an den Start

Die Klapprad-Community ist kurios – aberwitzig sind auch die Rennen, bei denen „Les Cyclistes miserables“ an den Start gehen. „Es gibt zwei Regeln bei allen Veranstaltungen“, sagt Christian Schwarz (41) alias Jaques de Sack, Marketingmanager und Meister des geflügelten Wortes im Team. „Ein Mann – ein Gang“ und „Ohne Bart kein Start“. Die Sache mit dem Schnauzer kommt aus den Siebziger-Jahren, erklärt Administrator Frank Schulte (40), besser gesagt Francois Gauloise aus Speyer. Als das einfache Klapprad die deutschen Haushalte eroberte, war nämlich auch die Oberlippen-Frisur à la „Magnum“ Tom Selleck schwer in Mode. Damals dachte von den fünf „erbärmlichen Radlern“ natürlich noch keiner daran, mal auf einem 20-Zoll-Klapprad ohne Gangschaltung die Kalmit hinauf zu strampeln oder einen Tag lang über die Rennbahn im „Schopp-o-drom“ zu hecheln. Dazu kam’s erst vor knapp drei Jahren, als sich die Arbeitskollegen Schwarz und Schulte beim 24-Stunden-Klapprad-Rennen im westpfälzischen Schopp anmeldeten. Dort entstand auch der französische Team-Name. Denn in Anklang an das legendäre Boliden-Rennen in Le Mans nennt sich der Wettkampf „24 Heures le Schopp“. Und die „Cyclistes miserables“ sind nun mal stilecht. „Wir suchten Brüder im Geiste“, erzählt Schwarz aus Sondernheim. Männer, die „mental stark sind und das Klappradfahren leben“. Mitfahren kann bei den „Cyclistes“ selbstverständlich nur, wer sich sportlich qualifiziert und menschlich geeignet ist. Das „gnadenlose“ Auswahlverfahren bestanden nur die Besten: Oliver Zinkeisen (48) aus Heiligenstein, Peter Gerbes (37) aus Gommersheim und Florian Krick (26) aus Speyer fahren auf der gleichen Wellenlänge. „Teamfähigkeit, Kommunikationstalent und Durchsetzungsvermögen“ nennt Jacques de Sack Schlüsselkompetenzen. Ein „ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt und dreistelliges Gewicht“ seien von Vorteil – nicht zu vergessen ein kräftiger Bartwuchs. Den kontrolliert bei jedem World-Klapp-Rennen – das sind die jährlichen Weltmeisterschaften – ein Amtsfriseur. Und ja, dessen richtiger Name ist Rainer Klapp. Der Schifferstadter gibt acht, dass die Teilnehmer die Oberlippenbartverordnung einhalten. Und teilt sie in Kategorien wie „Walrossbart“, „Fu-Manchu-Bart“ oder „Pornobalken“ ein. Wem kein Fläumchen wächst, dem stellt der Barbier mit gutem Willen eine Bartwuchsunfähigkeitsbescheinigung aus. Sogar für Frauen in den Teams gibt es eine Lösung: gehäkelte Bärte. Viel davon braucht es nicht, denn die weiblichen Starter sind in der Unterzahl. „Das verhält sich da ähnlich wie im Top-Management“, sagt Oliver Zinkeisen. Olivier le Maitre ist der Chef-Mechaniker im Team, der „Magier am Zweirad und Schraubenschlüssel“. Der gelernte Maschinenschlosser tüftelt in seinem „Atelier“ an der Technik, passt die Sitzposition an die Größe an – verwandelt das Klapprad nahezu in ein High-End-Gerät. In ein Rad der „Cyclistes miserables“ fließen durchaus mehrere Hundert Euro. Allerdings: Der Rahmen muss mindestens 20 Jahre alt sein, der Lenker original – nur dann besteht ein Rad bei den Rennen die Prüfung der Wahrheitskommission. Ein Klapprad „handmade in Heiligenstein“ bringt es auf knapp 50 Kilometer in der Stunde. „Vor einem Rennrad brauchen wir uns nicht zu verstecken“, sagt Florian Krick, der „Klapprad-Azubi“ und Junge Wilde im Team. „Da hat schon der ein oder andere blöd geschaut, als er von uns überholt wurde.“ Bei Radtouristikfahrten etwa. Da verstehen sich die „Cyclistes“ als Marken-Botschafter für den Klapprad-Sport. Wenngleich die Gaudi das Wichtigste ist, verlieren die fünf Männer das eigentliche Ziel nie aus den Augen. „Wenn einer auf dem Sattel hockt, dann gibt er alles“, sagt Olivier le Maitre. Dann schlage der Puls wie der eines Kolibris. „Es geht nur Vollgas“, ergänzt „der Hammer“ Floren le Marteau. Mit diesem Ehrgeiz haben sich „Les Cyclistes miserables“ beim jüngsten World-Klapp in „Monnem“ bis auf den 15. Platz in der Weltrangliste vorgefahren. Die Weltmeisterschaft – zuletzt waren 52 Team am Start – wird jedes Jahr als Mannschaftszeitfahren oder 24-Stunden-Rennen vom Pfälzer Klappverein ausgerichtet. Diesem Dudenhofener Gremium ist es zu verdanken, dass das Ein-Gang-Rad vor einigen Jahren als Wettkampf-Vehikel Fahrt aufnahm. Der Gipfel der Klappseligkeit ist seit 26 Jahren die Kalmit: Das Bergrennen ist das Mekka für Klapp-Virus-Infizierte. Die Klapprad-Szene werde immer prominenter, immer professioneller. „Es reicht nicht nur hinzugehen, gut auszusehen und zu treten“, meint Olivier le Maitre. „Wir müssen auch trainieren.“ Bis der Asphalt schmilzt. Die Hobbyfahrer, die alle auch Mountainbikes oder Rennräder in der Garage stehen haben, fahren in ihrer Freizeit insgesamt rund 18.000 Kilometer pro Jahr – für den Weltfrieden und gegen Adipositas. Zu den selbst gesteckten Zielen kommt noch ein weiteres: „Wir erwarten, dass der Klapprad-Sport demnächst olympisch wird“, sagt Jaques de Sack. Da ist er schon wieder, der Schalk, den die fünf Freunde im Nacken haben. Mit dem sie sich selbst gern auf die Schippe nehmen. Die Kunst, “Humor in Höchstleistung umzusetzen“, sei die eigentliche Herausforderung beim Klapprad-Sport. Das haben „Les Cyclistes miserables“ zweifelsohne drauf. Info Infos zum Klapprad-Team „Les Cyclistes miserables“ gibt es bei Facebook unter www.facebook.com/lescyclistesmiserables; zum Klappradsport unter www.world-klapp.de

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