Ludwigshafen Achterbahnfahrt im Biergarten

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Die drei Barhocker, die sonst ihren Stammplatz vor der Theke drinnen im „Maffe“ haben, stehen ausnahmsweise draußen im Biergarten unter der – vorsichtshalber – aufgespannten Plane. Davor zwei Stehtische, dahinter drei FCK-Trikots aus den 1990er-Jahren, die wie kein anderes Jahrzehnt – auch nicht die 1950er – die Fans der Roten Teufel auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle schickten. Genau um jenes schicksalhafte FCK-Jahrzehnt dreht sich die Lesung an diesem Dienstagabend im Hemshof. Autor Günter Rohrbacher-List liest aus seinem mittlerweile in der fünften Auflage befindlichen, 464 Seiten dicken Buch „Der Berg, das Land und der Ball, Die Geschichte des 1. FC Kaiserslautern“ vor – interessante, unterhaltsame, aber auch nachdenkliche Passagen. Als Zeitzeuge erzählt Ex-Profi und FCK-Legende Axel Roos, der zwischen 1984 und 2001 328 Pflichtspiele für die Roten Teufel bestritt, von 2003 bis 2006 unter Hans-Peter Briegel Co-Trainer von Albanien war, seit Langem eine eigene Fußballschule führt und viele soziale Projekte unterstützt. Durch den Abend führt Martin Quast, Moderator von Sport1, der außerdem noch eine riesige Überraschung im Gepäck hat, den DFB-Pokal, und zwar das Original. „Heute Mittag war ich in der DFB-Zentrale in Frankfurt, da habe ich den Pokal ausnahmsweise mitbekommen“, erzählt Quast. Danach hatte ich noch einen Termin mit Dirk Nowitzki. „Wie geil ist das denn“, meinte der Basketballstar, „als ich ihm den Cup zeigte.“ Fortan stehen im Biergarten nicht nur die drei Hauptakteure vorne im Mittelpunkt, sondern auch dieser goldene Pott. So mancher kleine Knirps wird ihn berühren und von seiner Mutter fotografiert werden. So nach dem Motto: „Weißt du noch, damals im ,Maffe’ …“ Günter Rohrbacher-List nennt die Meilensteine der Neunziger. Der Fast-Abstieg und DFB-Pokalsieg 1990. Die Meistersaison 90/91, vor der Trainer „Kalli“ Feldkamp sagte, 30, 31 Punkte seien machbar. Das Wintertrainingslager in der Bretagne, „weil’s dort so kühl ist wie in Lautern“. Das bittere 2:3 gegen Mönchengladbach am vorletzten Spieltag und der anschließende Triumph in Köln. „Feldkamp war ein riesiger Motivator“, betont Axel Roos. „Zum richtigen Zeitpunkt der richtige Trainer.“ Dann natürlich das „Bakero-Trauma“, als der FCK gegen Barcelona im Landesmeisterpokal schon fast unter den letzten Acht war und doch noch ausschied. Der erstmalige Bundesligaabstieg 95/96, als die neu eingeführte Drei-Punkte-Regel dem FCK zum Verhängnis wurde. Der bittersüße Pokalsieg gegen den KSC eine Woche nach dem Abstieg. Otto Rehhagel, die Verpflichtung von Ciriaco Sforza, die sensationelle Meisterschaft 1998 als Aufsteiger. „Irgendwie der schönste Titel“, sagt Roos. Erinnerungen an den damaligen Stadionsprecher Udo Scholz („Willst du bequem nach Hause laufen, musst du Roschy-Schuhe kaufen“). An Fritz Walter. „Er war mit seiner Frau Italia auf meiner Hochzeit“, betont Axel Roos stolz. Und er hat schon gegen meinen Vater gespielt. Roos’ Vater Ludwig kickte beim FK Pirmasens. Mit dem 1:5 am letzten Spieltag 1999 gegen Frankfurt verspielten die Lauterer Sympathien, die Champions-League-Teilnahme – und damit Millionen. Michael Ballack musste verkauft werden. Der Niedergang begann – und dauert bis heute an. Zwei Stunden vergehen wie im Flug. Die Barhocker wandern wieder in die Gaststube. Die drei Trikots hinten werden abgehängt. Das rote gehört „Maffe“-Wirt Thomas „Fidschi“ Schulte-Hobein, das rot-weiße hat Pavel Kuka einst getragen, das graue „Zaubermaus“ Ratinho.

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