Ludwigshafen Auf Leben und Tod

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Das Jugendstück „Superhero“ ist so todtraurig und galgenhumorig cool, dass man es kaum einem Erwachsenen zumuten möchte. Es ist also genau richtig für diejenigen, die es angeht. Handelt es doch vom elenden Sterben eines leukämiekranken Vierzehnjährigen und wie er darüber, authentisch und ergreifend, zum echten Helden wird. Das Staatstheater Mainz hat mit seiner Inszenierung des Stücks nach dem Roman von Anthony McCarten im Ludwigshafener Pfalzbau gastiert.

Donald weiß, dass er sterben muss. Das ist Fuck und Scheiß. Zwischen ungebremster Wut und Keep-cool-man-Pose kommt auch der verängstigte Junge zum Vorschein, dem, so weit er nach der Chemotherapie jetzt schon ist, nichts mehr vom Leben bleibt. Er wird nicht einmal mehr erfahren, wie das ist mit einer Frau – und eben dies erscheint dem Pubertierenden als das Höchste. Er zeichnet an einem Comic, in dem er der Superheld Miracle Man ist. Der vollbringt Wundertaten, leidet aber zugleich an sexuellen Obsessionen und übermäßigen Flatulenzen, die aussichtsreiche Begegnungen zunichte machen. Die verzweifelte Mutter klammert sich an den Strohhalm, dass Donald mit Lebensmut seine Krankheit besiegen könnte, und heuert dafür einen Psychotherapeuten an. Mit Sex würde ihm der Lebensmut zurückkehren, meint der Therapeut. Der ältere Bruder gibt Ratschläge, die sich als wenig dienlich erweisen. Die Kumpels machen Wind mit angeblichen Eroberungen. Der Psychotherapeut besorgt eine Prostituierte. Aus eigener Kraft gelingt es Donald schließlich, in der romantischen Verschmelzung von Liebe und Tod vor dem Abgang noch die Krone des Lebens zu erringen. Schlicht gegenwärtig im realen Leben, hoch pathetisch in seinem Comic. Der neuseeländische Theater-, Film- und Romanautor Anthony McCarten – er ist auch Textautor der Musicals „Ladies Night“ und „The Full Monty“ – hat 2007 mit „Superhero“ einen Welterfolg gelandet. Der Roman mischt traditionelles Erzählen mit Film- und Comictechniken. Er wurde für die medial geprägte Erlebnis- und Vorstellungswelt Jugendlicher ebenso gelobt, wie für seinen traurig-rotzigen Umgang mit dem Thema Tod. Regisseur Markolf Naujoks erzählt mit vier Darstellern die Geschichte des Jungen und seines autobiografischen Comics multimedial und mit viel Tempo. Auf einer Projektionswand laufen Passagen aus dem Comic. Sie bildet die Stirnseite eines schwarzen Kastens, in den die Theaterzuschauer nur wenig einsehen können, wenn seine zwei Türen heruntergeklappt werden. In diesem Kasten spielen unsichtbar manche Szenen, die im Roman drastisch beschrieben sind wie die Begegnung mit der Prostituierten oder das Zimmer mit den Leidensgenossen im Krankenhaus. Vincent Doddema in der Hauptrolle und die weiteren Darsteller beeindrucken durch komödiantische Vielseitigkeit bei ernster Charakterdarstellung. Erzähltheater, kurze Spielszenen, Comic-Passagen in zeitverschobenen Häppchen, Kommentare zu den Spielszenen und zum Comic bilden eine dynamische Mischung, in der sich dramaturgisch geschickt erst am Schluss alles richtig zusammenfügt. Dem Psychotherapeuten wird etwas zu viel Platz eingeräumt. Er ist ein Loser, wie Donald richtig einschätzt. Aus einer verfahrenen Beziehung steigt er zum Helden auf, indem er für Donald seine Approbation riskiert. Das ist eine Art Parallelgeschichte, die nichts zu Donalds Entwicklung beiträgt. Der Junge allein ist der Superhero, indem er das Schlachtfeld Leben mit seinem Vermächtnis des Miracle Man verlässt. Das tröstet über seinen viel zu frühen, viel zu ungerechten, viel zu banalen, viel zu schrecklichen Tod hinweg.

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