Mannheim Ausstellung „Queer im Leben!“: Geschichten von Verfolgung, Emanzipation und Zusammenhalt

Mit multimedialen Installationen visualisiert die Ausstellung queeres Leben in Mannheim.
Mit multimedialen Installationen visualisiert die Ausstellung queeres Leben in Mannheim.

Das Marchivum in Mannheim eröffnet mit Andreas Schenk als Kurator eine neue Ausstellung. „Queer im Leben!“ zeigt Biografien und Orte queeren Lebens der Vergangenheit und Gegenwart .

Noch trennt ein Absperrband alle Neugierigen vom Eingang zur Ausstellung „Queer im Leben!“ im Mannheimer Marchivum. Doch erste Eindrücke kann man erhaschen: bunte Leitlinien auf dem Boden, verschiedene Installationen, Lichter, Fotos, Bildschirme. Die Besucher der Ausstellungseröffnung müssen sich gedulden und werden zunächst hoch in den ersten Stock gewiesen. Dort ist schon der weite Blick über die Neckarstadt und deren Kirchtürme sehenswert – und es soll auch um die Stadt gehen, auf man aus dem Fenster blickt. „Queer im Leben!“ erzählt die Geschichten und Wege queeren Lebens in Mannheim. „Queer“ sei ein Hilfsbegriff, erklärt Stadthistoriker Andreas Schenk. Er solle die große Vielfalt der Geschlechteridentitäten und Sexualitäten zusammenfassen.

Der Abend beginnt. Vorträge von Kulturwissenschaftlerin Julia Noah Munier und Historiker Karl-Heinz Steinle machen das Publikum mit der Forschung bekannt, die sich hinter dem Projekt verbirgt. Aus Lexika, medizinischen und polizeilichen Akten beziehen sie Wissen über das Leben queerer Menschen in der Vergangenheit. Dabei entstehen Biografien und tauchen Orte der Begegnung auf. Aus ihnen wird eine Geschichte der Verfolgung und Emanzipation. Diesen Weg der Mannheimer queeren Community (Gemeinschaft) stellt die von Schenk kuratierte Ausstellung dar.

Sie ist ein multimediales Folgeprojekt des Buches „Queer im Leben!“ von Dana-Livia Cohen, Wolfgang Knapp und Christian Könne. Die Schrift sei eine gemeinsame Publikation, Stadthistoriker Schenk habe die Rolle des Redakteurs gehabt. Die Idee einer Ausstellung bestand dabei von Anfang an. Nun passe die Eröffnung gut in den „Pride Month“, kurz vor dem Christopher Street Day in Mannheim – an dem am Samstag auch Schenk und seine Kollegen teilnehmen.

Verfolgung während der Dreißiger

Doch zuerst führt der Weg durch die Ausstellung. Die Leitlinien führen zu den Stationen queeren Lebens. Besonders interessant findet Schenk, dass es bereits um 1910 erste Gaststätten gegeben habe, die dem queeren Austausch und Kennenlernen dienten. Das wisse man aus Polizeiakten. Denn: Zu der Zeit stellte der berühmte Paragraf 175 Homosexualität unter Strafe. Trotzdem habe sich die Community organisiert, das sei eine wichtige Station Richtung Emanzipation gewesen. Ebenfalls markant: die Verfolgung während der Dreißiger. „Brutal und unmenschlich“, sagt Schenk. Das mache einem schon zu schaffen.

Als Historiker sei er um Distanz bemüht. Außerdem müsse er „auch mal kritisch sein“ und den Wahrheitsgehalt von Tagebüchern und Briefen hinterfragen. Aber die schweren Schicksale der Menschen würden ihn nicht kalt lassen. „Junge Menschen wurden da ganz früh kriminalisiert.“ Umso beachtlicher sind die Biografien derjenigen, die sich zu ihrer Sexualität bekannten.

Melchior Grohe beispielsweise war Schriftsteller und offen homosexuell. Trotz Zwangseinweisung und Gefängnisstrafen habe er Veröffentlichungen geschrieben, in denen er Homosexualität verteidigt und die Verfolgung angeklagt habe. 16 weitere Biografien sind im Marchivum zu entdecken. Der Höhepunkt für Schenk seien die der Gegenwart. Sie würden zeigen, dass Mannheim zu einem besonderen und queerfreundlichen Ort geworden sei.

Auf die Geschichten können Gäste interaktiv zugreifen.
Auf die Geschichten können Gäste interaktiv zugreifen.
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