Ludwigshafen „Bezahlbarer Wohnraum kaum zu finden“

Herr Lieser, wird das Café Asyl im dritten Jahr nach der Flüchtlingskrise 2015 überhaupt noch gebraucht?

Durchaus. Wir brauchen dringend eine Institution, die Geflüchtete und ihre Familien berät und begleitet. Niederschwellige Anlaufstellen für diese Menschen sind wichtig in Ludwigshafen. Zum Glück gibt es auch noch in anderen Stadtteilen Anlaufpunkte, nicht nur in Mundenheim. Aber die Flüchtlingskrise ist doch überwunden, oder nicht? Nein, überwunden ist die Krise nicht. Unsere Aufgabe besteht darin, den Menschen, die hergekommen sind, ein gutes Ankommen zu ermöglichen. Stichworte sind da Wohnen, Arbeit und Ausbildung, Sprachkurse. Das Café Asyl ist schon im Dezember 2012 gestartet. Da gab es noch gar keine Flüchtlingskrise. Die folgte erst drei Jahre später. Was war damals der Impuls, ein Asyl-Café zu gründen? Flüchtlinge kamen schon zu dieser Zeit. Die Idee war, ausgehend von einer Mitarbeiterin des Hauses der Diakonie, dass wir eine unterkunftsnahe Beratungs- und Begegnungsmöglichkeit erschließen. Gerade für die Leute, die im Rheingönheimer Rampenweg untergebracht waren. Die haben ja eine lange Fahrt bis in die Stadt. Die Geflüchteten sollten fußläufig Beratung und Begegnung in Anspruch nehmen können. Wir hatten damals die Unterkunft im Rampenweg besichtigt und uns die Lebenssituation der Menschen dort vor Augen geführt. Kommen bis heute vorwiegend Menschen aus dem Rampenweg ins Café Asyl? Nein, zwar überwiegend aus dem Rampenweg und der Wattstraße, aber sie kommen aus der ganzen Stadt zu uns. Mit welchen Problemen klopfen die Geflüchteten bei Ihnen an? Die Liste ist lang. Da gibt es einmal Fragen hinsichtlich des Asylverfahrens, zu sozial- und aufenthaltsrechtlichen Fragen, zur Familienzusammenführung und vor allem Fragen zum Wohnen: Wie und wo kann man eine Wohnung bekommen? Aber auch die Kita-Plätze sind stets ein Thema. Da sind wir für die professionelle Beratungskompetenz aus dem Haus der Diakonie sehr dankbar. Auch Ehrenamtliche, die schon länger in der Arbeit tätig sind, wirken hier engagiert mit. Häufig wird auch Unterstützung beim Ausfüllen behördlicher Papiere nachgefragt. Sprechen alle Flüchtlinge so gut Deutsch, dass die Beratung problemlos möglich ist, oder müssen Sie auf Dolmetscher zurückgreifen? Wir haben Menschen, die sich als Migranten ehrenamtlich im Café Asyl engagieren. Diese Helfer sprechen Arabisch oder Persisch. Mit diesen Dolmetschern können wir uns gut verständigen. Wir können außerdem auf Brückenbauer von der Stadt zurückgreifen und sie um Präsenz im Café bitten, um bei schwierigen Sachverhalten zu übersetzen. Fühlen Sie sich von der Stadt gut unterstützt? Eine Unterstützung finden wir im Rahmen des runden Tischs Asyl mit den verschiedenen Akteuren, die sich mit dem Thema Asyl beschäftigen. Da gibt es einen regen Austausch, das kann immer wieder sehr hilfreich sein für die Arbeit vor Ort. Zudem haben wir einen Kreis derjenigen Cafés in der Stadt gegründet, die in kirchlicher Trägerschaft sind, um uns auszutauschen. Sie hatten auch mal eine Kleiderkammer und haben Haushaltwaren verteilt. Gibt es das nicht mehr? Nein, das haben wir vor geraumer Zeit aufgegeben. Wir konnten das nicht mehr stemmen, waren mit Kleiderspenden und Flohmarkt an unsere räumlichen und personellen Grenzen gekommen. Wir haben uns anderen Schwerpunkten zugewandt, die stärker mit Beratung, Begegnung und Bildung zu tun haben. Wie haben Sie die fünf Jahre im Café Asyl erlebt, wie hat sich die Stadtgesellschaft in dieser Zeit verändert? Der Prozess der Integration ist noch lange nicht abgeschlossen. Menschen leben immer noch in Not- und Sammelunterkünften. Sie brauchen eine Perspektive, einmal in einer eigenen Wohnung leben zu können. Das Wohnen ist das eine. Die Integration in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist die nächste Herausforderung. Für die Menschen, die allein gekommen sind, muss es auch die Möglichkeit der Familienzusammenführung geben. Das ist wichtig. Was ist aus der Willkommenskultur in Ludwigshafen geworden? Eine Willkommenskultur gibt es noch, eher leise, mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit. Demgegenüber finden sich aber auch andere eher ablehnende Positionen. Auch die Haltung bei Teilen der Bevölkerung ist heute eine andere, als wir das vor nicht allzu langer Zeit erlebt haben. Wir sollten wieder zu einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik zurückkehren. Ein friedliches Zusammenleben in Humanität und Menschenwürde ist für uns alle substanziell. Wir sind und bleiben eine Gesellschaft der Vielfalt. Wie dramatisch ist die Wohnungsnot? Geflüchtete haben fast keine Möglichkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch anerkannte Flüchtlinge leben weiter in Not- und Sammelunterkünften. Ein Förderprogramm für preiswerten Wohnraum wäre hier wünschenswert. Bemerken Sie den Wandel in der Stadtgesellschaft auch bei den ehrenamtlichen Helfern im Café? Gibt es eine starke Fluktuation? Die Menschen, die sich bei uns engagieren, die sind geblieben. Es sind aber keine neuen hinzugekommen. Es ist äußerst schwierig, Menschen für die ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten zu gewinnen. Wir freuen uns über all jene, die sich bei uns engagieren möchten. Das Café Asyl ist an einem Nachmittag in der Woche für wenige Stunden geöffnet. Reicht dieses Angebot aus? Ein interkulturelles Zentrum, also ein Ort der Begegnung für alle Ethnien in der Stadt, wäre wünschenswert. Neben der Förderung von Integration, Teilhabe und kultureller Vielfalt könnte das Zentrum auch als Anlaufstelle für die Migrantenorganisationen dienen. So könnten dort verschiedene Veranstaltungen durchgeführt und alles gebündelt werden, was mit dem Thema Migration und Integration zu tun hat. Andere Kommunen haben das schon verwirklicht und auch gute Erfahrungen damit gemacht. Termin Das Café Asyl in der Protestantischen Christuskirche, Kirchplatz 5, in Mundenheim, feiert am Freitag ab 18 Uhr sein fünftes Jubiläum. Musik machen die Deltahelden. Für Getränke und internationale Leckereien ist gesorgt.

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