Ludwigshafen Bilder aus dem Südseeparadies

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Einen Beitrag zu der Spendenaktion „Erna soll bleiben“ hat das Wilhelm-Hack-Museum selbst mit dem Abend „Gauguin trifft Kirchner“ geleistet. Die Schauspielerin Suzanne von Borsody und das Trio Amanti della Musica um den in Ludwigshafen geborenen Gitarristen Sigi Schwab haben das Leben des Malers Paul Gauguin, insbesondere dessen Südsee-Aufenthalt, mit Lichtbildern und Lesungen aus seiner Erzählung „Noa Noa“ lebendig werden lassen.

86 Prozent des vereinbarten Kaufpreises für Ernst Ludwig Kirchners Gemälde „Das Urteil des Paris“ seien inzwischen akquiriert, gab eingangs Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg bekannt. Mit der Erbin Anita Halpin soll eine Summe von sechs Millionen Euro, die sich deutlich unter dem Marktwert bewegt, vereinbart worden sein. Bei dem Gemälde handelt es sich um einen nicht eindeutigen Fall von Nazi-Raubkunst. Eine lockere Verbindung zur darauffolgenden Soirée stellte die Kulturdezernentin durch die Bemerkung her, der Expressionist Kirchner sei ein Bewunderer Gauguins gewesen. Davon gibt und gab es freilich viele. Und Gauguin war denn auch nicht der einzige Künstler, dem die Gesellschaft, wie der Kunsthistoriker Paul Fechter feststellte, „schreckliche Schicksale aufzwingt, um sie nachher desto besser rühmen zu können“. Suzanne von Borsody, Tochter des Schauspielerpaares Hans von Borsody und Rosemarie Fendel, machte mit dieser sicherlich generell nicht unzutreffenden Feststellung neugierig auf einen erbarmenswerten Lebenslauf. Die Fakten, die sie dann folgen ließ, sprachen jedoch dafür, dass Gauguin selbst einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zu seinem Schicksal geleistet hat. Ein idealer Gatte und treusorgender Vater war er wohl kaum, und für ein bürgerliches Familienleben war er nicht geboren. Während der Unruhen der 48er-Revolution in Paris zur Welt gekommen, führte er schon als Kind mit seiner Familie ein unstetes Leben und entwickelte sich zu einem introvertierten Einzelgänger. Als Erwachsener fuhr er zur See, diente in der Marine und heiratete mit Ende zwanzig eine Dänin, mit der er fünf Kinder zeugte. Mit Cézanne, Pissarro und van Gogh befreundet, fand er zu einem eigenen Malstil, mit dem er zu einem der Wegbereiter des Expressionismus wurde. Zuletzt hatte er einen recht einträglichen Broterwerb als Börsenmakler. Auf der Pariser Weltausstellung 1891 machte er jedoch eine Entdeckung, die sein weiteres Leben ändern sollte. Hier hatte es ihm der Südsee-Pavillon angetan, und noch im selben Jahr schiffte er sich nach Tahiti ein. Den größten Teil des Abends bestritt Suzanne von Borsody mit einer Lesung aus Gauguins Reisebericht in dem Buch „Noa Noa“. Zunächst war er enttäuscht, weil das Leben in Tahitis Hauptstadt Papeete zu sehr dem in Europa ähnelte, dem er doch gerade entfliehen wollte. Der Kolonialismus hatte mit seinen Soldaten, Beamten und Händlern die europäische „Zivilisation“ selbst diesem fernen Winkel der Erde aufgedrückt, so dass den Künstler zunächst eine große Traurigkeit überkam. „Hüte dich vor Luxus“, schärfte er in seinem Reisebericht ein. Bei den Maori, fern den europäischen Häusern, die er Gefängnisse nennt, entdeckte er dann, was er suchte. „Die Zivilisation fällt nach und nach von mir ab. Ich beginne, einfach zu denken. Ich nähere mich der Natur“, schrieb er voller Begeisterung. Zu diesem Glück scheint nicht zuletzt die holde Weiblichkeit beigetragen zu haben. Denn der Mitvierziger „heiratete“ mit dem Einverständnis der Großfamilie ein Mädchen von dreizehn, vierzehn Jahren. Zwei Jahre später sieht sich der Künstler abgebrannt und augenkrank gezwungen, nach Frankreich zurückzukehren. 1895 begibt er sich nach einem desaströsen Aufenthalt in Frankreich auf seine zweite Tahiti-Reise. Aus der Heimat bringt er die Syphilis mit, unternimmt einen missglückten Selbstmordversuch und stirbt schließlich 1903 mit 54 Jahren. Sein letztes in der Südsee entstandenes Bild zeigt eine bretonische Schneelandschaft und zitiert Arthur Rimbaud: „Ich sehne mich nach Europas Wasser.“ Suzanne von Borsodys Lesung wurde durch die Projektion von Gemälden und Photographien sehr anschaulich. Das Trio Amanti della Musica mit dem Gitarristen Sigi Schwab, dem Flötisten Willy Freivogel und dem Klarinettisten Rainer Schumacher setzte zwischendurch musikalische Akzente oder trug ganze Stücke vor wie Gabriel Faurés „Sicilienne“ oder „Incantation“ aus Sigi Schwabs Feder.

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