Ludwigshafener Geschichte(n) Der erste Sozialdemokrat im Stadtrat

Ehrhart war Abgeordneter im Stadtrat, Landtag und Reichstag.
Ehrhart war Abgeordneter im Stadtrat, Landtag und Reichstag.

Der legendäre „rote Pfalzgraf“ ist in Vergessenheit geraten. Ausgerechnet in Ludwigshafen, wo er die damals erst noch heranwachsende SPD aus ihrem Dämmerschlaf weckte, erinnert nur noch eine unscheinbare Straße im Stadtteil West an Franz Josef Ehrhart.

Ehrhart (1853-1908) hat seine vorderpfälzische Wahlheimat zwischen 1889 und 1908 zeitweise gleich in drei Parlamenten engagiert und wortreich vertreten. Als er 1908 auf dem heutigen Hauptfriedhof zu Grabe getragen wurde, setzte dieses Ereignis einen optischen Maßstab: Die Beerdigung des 55-jährigen Sozialdemokraten, der als „roter Pfalzgraf“ in die Parteigeschichte eingegangen ist, gilt als die bis dahin größte in Ludwigshafen – Tausende Trauergäste folgten seinem Sarg.

Dabei war es dem Mann mit dem markanten Spitzbart nicht in die Wiege gelegt, einmal den Ludwigshafener Honoratioren seiner Zeit wie dem renommierten Industriellen Heinrich Brunck, Carl Clemm, Friedrich Raschig, Karl Grünzweig oder Julius Waldkirch politisch Paroli zu bieten. Denn Ehrhart wurde am 6. Februar 1853 als uneheliches Kind einer Magd in Eschbach in der Südpfalz geboren und begann mit 13 Jahren eine Lehre als Tapezierer. Ab 1869 folgten unstete Wanderjahre durch Süd- und Mitteldeutschland. Dort fiel für den jungen Mann der Startschuss für eine ereignisreiche Polit-Karriere, als er nämlich 1871 in Nürnberg den damals bekannten Anarchisten Johann Most (1846-1906) kennenlernte.

Im Komitee für politische Agitation

Schon ein Jahr später gehörte Ehrhart dem 3. Deutschen Arbeitertag in Mainz als Delegierter an, hinterher verbreitete er seine noch kargen politischen Kenntnisse als wortreicher Redner in Baden und in der Pfalz. 1874 war Ehrhart Vorsitzender eines Komitees für politische Agitation im Elsass, in Baden und in der Pfalz – und wanderte wegen eines illegalen Wahlaufrufs für den Sozialistenführer August Bebel in Mannheim für zwei Monate ins Gefängnis. Ehrhart suchte sich danach neue Bühnen und trat in London, Brüssel und Paris auf – mit der Folge, dass er von dort wiederholt ausgewiesen wurde und schließlich 1880 nach einer politischen Werbetour in Mannheim erneut drei Monate in Haft kam.

Ehrhart wechselte 1884 die Rheinseite und kam nach Ludwigshafen, wo er heiratete und ein Möbel- und Tapezierergeschäft eröffnete. Und seiner Polit-Karriere einen Rahmen gab. Im Herbst 1895 gründete er die Zeitung „Pfälzische Post“, die bald zur führenden SPD-Zeitung der Pfalz avancierte, ehe sie 1933 verboten wurde. Der wortgewaltige Tapezierer war mittlerweile trotz erheblicher finanzieller Probleme in die „große Politik“ gewechselt: Am 6. November 1889 zog er mit gerade mal 36 Jahren als erster Sozialdemokrat in den Ludwigshafener Stadtrat ein – und war damit der erste „Sozi“ in einer pfälzischen Gemeindevertretung. 1891 wurde Ehrhart Vorsitzender der pfälzischen Sozialdemokraten.

Zehn Jahre im Reichstag

Doch das war ihm nicht genug. 1893 folgte seine Wahl für den Wahlkreis Nürnberg in den Bayerischen Landtag (die Pfalz gehörte damals zu Bayern). Am 16. Juni 1898 kandidierte er erfolgreich für den Deutschen Reichstag, dem er zehn Jahre lang, bis zu seinem Tod 1908, angehörte. Das war nicht gerade ein wirtschaftlicher Aufstieg, denn erst ab Mai 1901 wurden den Reichstagsabgeordneten für ihren Aufwand Diäten gezahlt. Bis dahin war ein Sitz im Reichstag als reines „Ehrenamt“ definiert worden. Die meist finanzschwachen Mitglieder der SPD konnten aus begreiflichen Gründen nicht immer an den schon wegen der langen Anfahrt kostspieligen Sitzungen in der Hauptstadt teilnehmen – die wohlhabenden Stände blieben weitgehend unter sich ...

BASF-Mitgründer gefolgt

Seinen Einzug in den Reichstag hatte Ehrhart 1898 dem BASF-Mitgründer und Reichstagsabgeordneten Carl Clemm zu verdanken, der als „Statthalter“ auf eine erneute Kandidatur verzichtete, weil sich Zentrum und Bauernpartei nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten. Die Folge: In einer notwendigen Stichwahl holte Ehrhart 15.471 Stimmen (55,1 Prozent) – sein bürgerlicher Kontrahent Johann Martin Mechtersheimer (ein protestantischer Pfarrer) kam auf nur 12.602 Stimmen (44,9 Prozent). Als Ehrhart am 20. Juli 1908 an einem Hirnschlag starb, folgte ihm bis 1918 sein Parteifreund Jakob Binder (1866-1932) nach und holte 61,3 Prozent der Stimmen, bei der Wahl 1912 immerhin noch 50,9 Prozent.

Der Bäckermeister überwarf sich mit der Ludwigshafener SPD 1920, als ihn die Partei nicht zum Nachfolger des zurückgetretenen Oberbürgermeisters Friedrich Krafft küren wollte. Die Wahl gegen den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann gewann der Bürgerliche Christian Weiß. Binder wurde von 1920 bis 1927 Bürgermeister von Grünstadt.

Franz Josef Ehrhart.
Franz Josef Ehrhart.
x