Ludwigshafen Ein knickeriger Haustyrann

Molières Komödie „Der Geizige“ gehört zu den am häufigsten gespielten Stücken des französischen Dramatikers. Mit dem Theaterklassiker war nun die Münchener Komödie im Bayerischen Hof im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau zu Gast. In der Hauptrolle war der auch aus dem Fernsehen bekannte Schauspieler Nikolaus Paryla zu erleben, der auch die Regie geführt hat. Er bescherte dem Publikum einen sehr vergnüglichen Theaterabend.

Wenn Nikolaus Paryla für einen Fernsehkrimi engagiert wurde, was für den „Tatort“ oder „Derrick“ nicht selten der Fall war, dann wurde ihm gern die Rolle eines psychopathischen Mörders anvertraut. Der aus einer Schauspielerfamilie stammende, in Theateratmosphäre aufgewachsene Mime gibt seinen Figuren eine abgründige Tiefe und unheimliche Hintergründigkeit mit. Und auf der Bühne war Nikolaus Paryla vor bald 35 Jahren der einsame frustrierte Orchestermusiker in der Uraufführung von Patrick Süskinds Bühnenerfolg „Der Kontrabass“. Unzählige Male hat ihr erster Interpret seitdem als verklemmter, mediokrer, monologisierender Kontrabassist auf der Bühne gestanden. Wie würde nun dieser Charakterdarsteller Molières Geizigen geben? Als einen knickerigen, wenn auch nicht ganz und gar unsympathischen Haustyrann. Unablässig in seinem Wiener Tonfall mosernd, aber auch schon einmal laut auffahrend, verbreitet Nikolaus Paryla in der Rolle des Monsieur Harpagon, wie von tausend Teufeln gehetzt, um sich herum nur Unruhe, Unbehagen und Unmut. Dabei ist es eigentlich nur ein einziger Teufel, der diesen Gschaftlhuber in seiner nervösen Hektik reitet, ein Teufel, der aber noch etliche Unterteufel am Gängelband führt. Der Geiz beherrscht ihn und führt in seinem Gefolge Misstrauen, Mitleidlosigkeit und Menschenverachtung mit sich. Molière, der in der Uraufführung 1668 in Paris ebenfalls als Hauptdarsteller und Regisseur hervortrat, hat späteren Interpreten der Rolle alle Freiheiten gelassen. So fügt seine Vorlage dem Charakter Harpagons noch die Facette cholerischer Gewaltausbrüche hinzu, die in Parylas Inszenierung zurückgetreten sind zugunsten fieseliger Schimpfkanonaden gegen Sohn und Tochter und das Dienstpersonal. Denn die eigenen Kinder widersetzen sich den Heiratsplänen des Patriarchen mit alten, aber wohlhabenden Partnern, während er selbst ein junges Mädchen zur Frau nehmen will, in das der eigene Sohn bis über beide Ohren verliebt ist. Zu den Geldspekulationen mit den eigenen Kindern kommen so Liebesverwicklungen und der Generationenkonflikt. Das reicht für eine turbulente Inszenierung. Der Regisseur Nikolaus Paryla scheut sich auch nicht, bis an die Grenze zur Klamotte zu gehen. Zu den Sternstunden der Aufführung gehörten die Begegnung Harpagons mit der Heiratsvermittlerin Frosine, dargestellt von Parylas Frau Undine Brixner, als der auf Freiersfüßen Wandelnde herumstolzierte wie ein greiser Balletttänzer; die Begegnung Harpagons mit seinem Sohn Cléante (Paul Brusa), als sich Vater und Sohn im unverschämten Wucherer und im „verschwendungssüchtigen“ Geldleiher erkennen; die Szene mit den Missverständnissen um Harpagons Geldschatz und den „Schatz“ in Gestalt seiner Tochter mit deren Verehrer Valère, dargestellt von Nikolaus Parylas Sohn David. Unter den Höhepunkten nicht zu vergessen ist selbstverständlich Harpagons Wahnsinnsmonolog, als er entdeckt, dass sein Ein und Alles, die Kassette mit 40.000 Livres, verschwunden ist. Alles kreist um den Geizigen, alles steht und fällt mit der Leistung des Hauptdarstellers. Das wird deutlich, als er am Ende zurücktritt und Platz macht für den märchenhaften Schluss, in dem alle Liebespaare zueinander finden und der Geizhals sein Vermögen zurückbekommt. Da wird das Bühnengeschehen etwas zäher. Bühnenbild und Kostüme hat Thomas Pekny der Zeit Molières entnommen. Väterliche Gewalt und Zwangsheirat wären in der durch das Zeitalter der Empfindsamkeit gegangenen Gegenwart auch kaum noch glaubhaft. Aber Geiz und Geldgier des Bürgers, die sind noch so verbreitet wie ehedem.

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