Ludwigshafen Eine gewisse Lust am Untergang

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Thomas Köck ist in dieser Spielzeit Hausautor des Mannheimer Nationaltheaters. Er steht in einer Reihe mit inzwischen zu einiger Berühmtheit gelangten Dramatikern und Schriftstellern wie Albert Ostermaier, Feridun Zaimoglu und Ewald Palmetshofer. In der Lobby im Werkhaus hat sich der neue Hausautor nun vorgestellt.

In Thomas Köcks Stück „paradies fluten“ treten unter anderem eine „von der Vorsehung Übersehene“ und ein „von der Prophetie Vergessener“ auf. „Wir werden die letzten Menschen gewesen sein“, sagen die Überlebenden des Weltuntergangs. „Auf uns wartet jetzt ein apokalyptischer Cold Turkey“, befürchtet einer. Vor ihrem Epilog singen Chöre von einer wütend aufgeblähten Sonne, die den Planeten Erde austrocknet, bevor sie zu einem roten Riesen und schwarzen Loch mutiert. Finanzkrisen und der Kampf um Absatzmärkte werden dichterisch besungen, eine unausweichliche Katastrophe beschworen. „Wir wissen, dass wir gelebt haben werden!“ Das Futur II, die Beugeform der vollendeten Zukunft, herrscht im Stück „paradies fluten (verirrte sinfonie)“ vor. Im Auftritt von „Post-Parzen“, in die Postmoderne versetzten Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie, gibt Thomas Köck dieser zeitlichen Perspektive eine gewitzte Gestalt. Mit einer gewissen Lust am Untergang erhebt der Dramatiker warnend die Stimme und führt vor, wie die Menschheit sehenden Auges in eine Katastrophe stürzt. Bei der Vorstellung in der Lobby trug Köck selbst die lyrischen Chorpartien vor. Die beiden Schauspieler Hannah Müller und Fabian Raabe, seit dieser Spielzeit neu im Ensemble, übernahmen die Rollen der „von der Vorsehung Übersehenen“ und des „von der Prophetie Vergessenen“. Die Schauspieler und der Dramatiker kennen sich schon von der Universität der Künste in Berlin, wo Thomas Köck nach einem Studium der Philosophie und der Literaturwissenschaften szenisches Schreiben studiert hat. Mit „paradies fluten“ war der 29-Jährige im Frühjahr zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen worden. Der zweite Teil, „paradies hungern“, wird demnächst in Marburg uraufgeführt. An dem dritten der auf drei Teile projektierten „Klima-Trilogie“ arbeitet er noch. Als Schauspiel ist „paradies fluten“ bisher noch nicht inszeniert worden, erst eine choreographische Bearbeitung war in Osnabrück zu sehen. Die „Sinfonie“ im Titel, außerdem Tempo- und Lautstärkeanweisungen wie „Fortissimo“ und „Rubato“ kommen einer Bearbeitung für den Tanz entgegen. Sie unterstreichen noch den musikalischen Anspruch des Textes, der sich an der Grenze zur Lyrik bewegt. In Osnabrück hat Thomas Köck sich auch seine ersten Sporen verdient. 2014 bekam er hier für „jenseits von fukuyama“ den Dramatikerpreis. Es folgte der Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis am Pfalztheater Kaiserslautern, wo im Januar von ihm „Isabelle H. (geopfert wird immer)“ uraufgeführt wird. Schon durch „jenseits von fukuyama“, einen parodistischen Protest gegen die Behauptung, im Neoliberalismus seien Ziel und Ende der Geschichte erreicht, wurde das Nationaltheater auf ihn aufmerksam. Es inszenierte das Stück im Mai dieses Jahres in der Regie Dominic Friedels und lud den Verfasser nach Mannheim ein. Vor ein paar Tagen ist der gebürtige Österreicher nun von Berlin nach Mannheim gezogen und hat eine Wohnung in der Nähe des Theaters bezogen. Von dem befreundeten Schauspielerpärchen Hannah Müller und Fabian Raabe will er sich in den Theaterbetrieb einführen lassen und ihn auch hinter den Kulissen kennenlernen. Ab November wird er monatlich mit einem „Salon“ an die Öffentlichkeit treten. Darin trifft er alte Freunde und vielleicht neue Bekannte aus Mannheim. Den Anfang soll am 21. November eine Koch-Show machen. Und eine Idee für ein Stück, exklusiv für das Nationaltheater, wie es von einem Hausautor erwartet wird, hat er auch schon. „Es wird harter Tobak“ kündigt er schon einmal an.

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