Ludwigshafen „Für meinen Verband lege ich die Hand ins Feuer“

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Herr Böhme, warum gehört der Islam nicht zu Deutschland? So steht’s zumindest im AfD-Programm.

Er ist vielleicht Teil der neueren, aber nicht der gesamten deutschen Geschichte. Ich denke, dass wir eine Diskussion zum Islam brauchen. Es geht doch immer um Menschen, ob die sich an unsere Gesetze halten und unsere Werte leben – und weniger um deren Religionszugehörigkeit, oder? Ich glaube, das kann man nicht voneinander trennen. Auch wir von der AfD werden oft pauschal beurteilt, ohne dass auf den einzelnen Menschen Bezug genommen wird. Genauso ist das auch bei einer Religion oder einer Familie: Wenn einer Mist baut, werden die anderen mitbezichtigt. Deswegen ist es so wichtig, dass wir über den Islam reden und welche Rolle er bei uns hat. Wir haben dabei nicht den einzelnen Muslim im Blick, sondern die Religion als Ganzes. Das zuletzt verabschiedete Parteiprogramm bezeichnen politische Gegner mit Blick auf die Forderungen nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke, die Rückkehr zur Wehrpflicht oder den Euro-Ausstieg als rückwärtsgewandt. Die Grünen sprechen von Hetze und dem Schüren antiislamischer Vorurteile. Ficht Sie das an? Nein, weil der Fortschritt, der oftmals propagiert wird, keiner ist. Wie meinen Sie das? Gerade die Grünen wollen ja immer alles retten, die Umwelt oder gleich die ganze Welt. Aus meiner Erfahrungen heraus hat das keine positiven Effekte auf die Gesellschaft. Ich nenne hier nur das Beispiel Energiewende, die aus AfD-Sicht völlig verfehlt ist. Das, was man als Fortschritt bezeichnet, ist nicht unbedingt immer gut. Man kann sich auch auf Werte und das Gute besinnen, das es in der Vergangenheit gab. Man muss eine Balance zwischen Fortschritt und dem finden, was man erhalten möchte. Ihr Vorgänger als Kreisvorsitzender Jörg Matzat, der im Juli zur FDP wechselt, stuft die AfD als erzkonservativ ein. Er sagt: In einigen Bundesländern gebe es Überschneidungen zur extremen Rechten. Liegt er richtig? Extreme Rechte kann ich bei mir in der Partei vor Ort nicht entdecken. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass der eine oder andere in der Partei auch mal eine extreme Position einnimmt. Das können Linke oder SPD auch nicht. Deswegen würde ich aber nicht die ganze Partei über einen Kamm scheren. Für meinen Kreisverband lege ich die Hand ins Feuer. Da gibt es keinen, den ich als extrem einstufen würde. Wir arbeiten nicht mit Extremisten zusammen. Und was sagen Sie zu Matzats Parteiwechsel und dem Austritt des AfD-Quintetts im Stadtrat „wegen des Rechtsrucks“ beim Essener Parteitag? Ich wünsche ihm viel Erfolg bei seiner politischen Karriere. Jeder hat das Recht, sich seine politische Heimat zu suchen. In Essen musste eine Entscheidung gefällt werden zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry. Die Mehrheit hat für Petry votiert. Da kann man niemandem einen Vorwurf machen. Es gibt angeblich strenge Aufnahmeverfahren bei der AfD. Wie läuft das? Wir führen mit Bewerbern Aufnahmegespräche und fragen sie etwa nach einer Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen. Diese Gespräche werden je nach Bedarf von einem anderen Vorstandsmitglied wiederholt. Das läuft jetzt nicht Stasi-mäßig ab, das ist schon eine nette Atmosphäre. Wir versuchen, den Bewerber besser kennenzulernen und herauszufinden, wo er steht. Wenn eine Person Ansichten vertritt, die uns zu extrem erscheinen, überlegen wir zweimal, ob wir sie aufnehmen. Der AfD-Landesverband Saar hat Kontakte in die rechtsextreme Szene. Beim Parteitag in Stuttgart Anfang Mai hat ihn die Partei nur mit knapper Mehrheit ausgeschlossen – sieht so klare Kante gegen Rechts aus? Das ist kein einfaches Thema, denn viele Parteimitglieder, die nach Stuttgart gefahren sind, kannten die Details nicht. Viele mussten sich also auf die Atmosphäre auf dem Parteitag verlassen. Das war wirklich keine einfach Entscheidung, und es ist ja auch keine endgültige. Es wurde lediglich entschieden, das Verfahren vor dem Schiedsgericht wieder aufzunehmen. Und wo stehen Sie – sind Sie für einen Ausschluss oder dagegen? Ich bin dafür, dass die Partei klare Kante zeigt. Wenn es eine Zusammenarbeit mit Leuten gegeben hat, die offensichtlich zu extremistisch sind, selbst wenn das nur lokal begrenzt der Fall war, müssen die entsprechenden Damen und Herren die Konsequenzen ziehen. Wir können da keine Experimente machen. Wie würden Sie das Profil, die Ausrichtung Ihrer Partei beschreiben? Rechtspopulismus, trifft es das? Populismus ist zunächst mal ein Kampfbegriff, der immer wieder gegen uns eingesetzt wird. Letztlich ist Volksnähe nichts Schlechtes. Das ist genau der Grund, warum ich in dieser Partei bin. Ich möchte eine volksnahe, realitätsbezogene Politik. Und wo ordnen Sie die AfD im Rechts-Links-Schema ein? Rechts von CDU und SPD, was nicht besonders schwierig ist, weil diese Parteien sehr weit nach links gerückt sind. Deshalb würde ich sagen, wir stehen genau in der Mitte der Gesellschaft. Eine sehr exklusive Sicht. Blicken wir nach Ludwigshafen. Jeder Fünfte hat hier bei der Landtagswahl seine Zweitstimme der Alternative für Deutschland gegeben. Warum ist Ludwigshafen ein gutes Pflaster für Ihre Partei? Da kommen zwei Komponenten zusammen. Ludwigshafen ist eine Großstadt, was gewisse soziale Probleme mit sich bringt. Und wir haben die Leute im Wahlkampf dort abgeholt, wo sie stehen. Ich habe in meinem Leben zwei Systeme erlebt: in der ehemaligen DDR den Realsozialismus und hier den sozialen Kapitalismus. Im Sozialismus hat die Umverteilung von Reich zu Arm letztlich alle arm gemacht. In der heutigen Gesellschaft gibt es eine Umverteilung von Arm zu Reich. Die wird immer größer, die Schere geht immer weiter auf. Die sogenannten Volksparteien, die das betreiben, brauchen sich daher nicht zu wundern, dass sie vom Wähler abgewatscht werden. Das ist die Quittung für ihre Politik. Die AfD ist mittlerweile die einzige Partei der kleinen Leute in diesem Land. Diesen Titel beanspruchen andere Parteien auch für sich. Nächstes Jahr ist Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen. Gibt es Überlegungen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen? Wir überlegen, warum SPD-Kandidatin Jutta Steinruck Oberbürgermeisterin werden möchte und warum sie nicht im EU-Parlament bleibt. Vielleicht hat sie Angst, nicht mehr gewählt zu werden. Wir werden auf alle Fälle dafür sorgen, dass die SPD hier nicht noch weitere Posten an Land zieht. Wie wir das genau machen und ob wir einen eigenen Kandidaten aufbieten, ist noch nicht entschieden. Warum schießen Sie sich dermaßen auf die Sozialdemokraten ein? Wenn ich die Politik der SPD verfolge, dann gibt es wenig Überschneidungen mit der AfD. Dementsprechend fokussieren wir uns natürlich auf den linksgrünen Wettbewerber. Wäre Ihnen Julia Klöckner als Ministerpräsidentin lieber gewesen? Eine konservativere Politik wäre uns lieber gewesen. Inwieweit Klöckner konservative Politik betreibt, sei mal dahingestellt. Sie hat bei der Flüchtlingsfrage einen Eiertanz hingelegt: zwischen dem, was die Kanzlerin geäußert hat, und dem, was sie selbst zu dem Thema geäußert hat. Sagen wir es mal so: Wer mit uns gemeinsam konservative Politik machen möchte, den bevorzugen wir. Blicken wir auf den 13. März zurück: Plötzlich im Landtag – wann war Ihnen bewusst, dass Sie künftig als Politiker Ihre Brötchen verdienen? Politiker zu werden, das war tatsächlich eine Überraschung. Wir haben ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Damit war nicht zu rechnen. Ich denke, ich wachse in diese Rolle hinein. Ich komme aus dem Osten, habe die Wende miterlebt und andere Umbrüche. Insofern werde ich mich auch hier an neue Herausforderungen gewöhnen. Wofür wollen Sie sich starkmachen mit Blick auf Ihren Wahlkreis? Als Landtagsabgeordneter habe ich das Recht, kleine Anfragen zu stellen, unabhängig von meiner Fraktion. Das heißt: Jeder Ludwigshafener, den der Schuh drückt und der von der Landesregierung Antwort auf Fragen haben möchte, kann sich an mich wenden. Ich will Ansprechpartner für die Bürger sein. Das ist der erste Punkt. Und die weiteren Punkte? Ludwigshafen hat zwei große Probleme: die Verschuldung und die Infrastruktur. Da muss ich, da muss die AfD genau hinschauen. Es muss mehr gegen die Verschuldung und mehr für die Finanzierung von Projekten wie den Hochstraßenabriss getan werden. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts Konkretes. Als AfD-Chef vor Ort und als Ludwigshafener stört es mich, dass wir hier nicht mal ein gescheites Hallenbad haben. Das in Süd ist viel zu klein, das in Oggersheim wird renoviert. Nicht mal der Schulsport ist sichergestellt. Dafür sollte Geld da sein, da unterstütze ich die Freien Wähler in ihrer Forderung nach einem Ganzjahresbad am Willersinnweiher. Innere Sicherheit ist ein weiterer Punkt, der in einer Stadt wie Ludwigshafen wichtig ist. Dass der Polizei manchmal die Schlagkraft fehlt, um adäquat einzugreifen, liegt daran, dass zu wenig in deren Aus- und Weiterbildung investiert wurde. Polizisten haben einen harten Job und schieben Überstunden vor sich her. Das wird nicht einfach in der Rolle einer isolierten Fraktion. Wir treiben die Altparteien ja jetzt schon vor uns her. Wenn SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sagt, sie will die Sozialleistungen für EU-Migranten erst nach fünf Jahren zahlen oder CDU-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder jetzt endlich gegen zu fundamentalistische Moscheengemeinden vorgehen will, dann sind das ja keine Dinge, die zur Politik von SPD oder CDU passen. Sie werden von uns dazu getrieben. So wird das auch im Landtag laufen.

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