Ludwigshafen Frisch und fetzig

Großartige Bühnenpräsenz: Mary Roos im Rosengarten.
Großartige Bühnenpräsenz: Mary Roos im Rosengarten.

Als „Helene Fischer der Bronzezeit“ wird sie von Wolfgang Trepper angekündigt, mit dem sie die Show „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ macht. Jetzt ist Schlagerstar Mary Roos im zarten Alter von 70 Jahren auf ihrer ersten Solo-Tour. Im Mannheimer Rosengarten wurde das ein Riesenspaß – mit einem Überraschungsgast.

Kein Schlagerstar ohne Showtreppe: Also kommt die Sängerin viele Stufen herab auf die Bühne. „Na, was haben sie gedacht, als ich die Treppe runterkam? – ,Schafft sie’s noch?’“, witzelt Mary Roos. Die Frau hat einen tollen Humor, ist extrem lässig drauf und hat an diesem Abend fest vor, mal so richtig die Sau rauszulassen. Und so richtig will sie in die Schublade „Schlager“ gar nicht passen. Da hat man schon Schlimmeres erlebt. Halbplaybacks oder Maschinenmusik, die aus Computern gebastelt wurde und seelenlos vor sich hin wummert – nichts davon bei Mary Roos. Sie hat eine üppige Entourage von Musikern mitgebracht. Da wurde an nichts gespart und das Beste dabei: Das klingt alles frisch und fetzig, es gibt auch Platz für einige Solos. Nur einmal wandelt sich der Sound in eurodanceartigen Elektropop. Aber das ist nur kurz und wirkt wie ein ironisches Zitat. Zuzutrauen ist der Künstlerin das. Schließlich zeigt sie auch per Einspieler, wie sie in den 1980er-Jahren von Stylisten durch die Mangel gedreht wurde und mit Starkstrom-Frisur und quietschbunten Klamotten durch Videos hüpfte, die einen heute die Augen tränen lassen. Die Musik zu den Bildern wird aber live gespielt. Noch am Anfang der Show erinnert die Sängerin an die große Zeit des deutschen Schlagers mit einem Medley aus „Liebeskummer lohnt sich nicht“, „Schuld war nur der Bossa Nova“ und „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“. Das sind alles Stücke, die ursprünglich für andere Interpreten geschrieben wurden, die Mary Roos aber auch gesungen hat. Die Musik reicht ansonsten von Latin Pop bis Country, letzteres etwa bei „Ich bin Mary, nicht Jane“ – immer ist das toll gespielt von den Musikern auf der Bühne, die auch noch die ältesten Schinken geschmackvoll und zeitlos klingen lassen. Und hört man mal genauer hin, merkt man auch, dass die alten Schlager musikalisch meistens mehr zu bieten haben als viele der heutigen Produktionen, bei denen ein elektronisch hämmernder Four-to-the-Floor-Beat (zu deutsch: Bumm-Bumm-Bumm-Bumm) das Maß aller Dinge ist. Aber Mary Roos bleibt nicht in der Vergangenheit stehen. Sie mag offenbar Judith Holofernes und Wir sind Helden und singt deren Song „Nur ein Wort“. Mark Forster hatte die Sängerin zu „Sing meinen Song“ eingeladen und einige der Songs haben Eingang in ihr Bühnen-Repertoire gefunden. Darunter auch „Spinner“, ein Titel von Revolverheld, dessen Aussage die Sängerin ebenso auf sich bezieht, wie die von Johannes Oerdings „Einzigartig“: Man sollte den Mut haben, zu sich selbst zu stehen und seine Macken und Unvollkommenheiten schätzen, weil sie einen zu etwas Besonderem machen. Mut hat Mary Roos früher vielleicht gefehlt. Dass sie erst mit im Alter von 70 Jahren eine Solotour macht, erklärt sie so: „Ich hab’ mich nicht getraut.“ Neueren Datums sind auch die Lieder „Unbemannt“ und „Stein auf Stein“ – und die Frau die Musik und Texte geschrieben hat, ist im Publikum: Pe Werner. Die beiden singen dann ein tolles Duett. Mary Roos hat eine großartige Bühnenpräsenz, hat viel Humor und Spontanität, singt toll und reißt das Publikum mit. Ihre Version von „My Way“ hört das Publikum schon stehend, der Jubel ist enorm und bis zur letzten, laut mitgesungenen Zugabe, „Champs Elysee“, steht der ganze Saal.

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