Ludwigshafen „Geht nicht nur ums Saufen und Flirten“

Herr Kern, Herr Feickert, ich hoffe, Sie spazieren nicht gleich wieder die Tür raus, wenn ich Ihnen sage, dass mich Fasching nervt.Kern:

Quatsch, ich kann das verstehen. Ich hab’ schon immer zu Leuten gesagt, die keine Lust drauf haben, dass sie einfach weg bleiben sollen. Fasching ist halt nicht jedermanns Sache. Sie missionieren nicht? Feickert: Nein. Fasnachter wird man nicht, sondern ist man. Ich habe närrisches Blut in mir, weil mein Vater im Mundenheimer Elferrat war. Wir wollen, dass die Leute gern zur Prunksitzung kommen. Denn ein ehrlicher Gast ist immer noch am schönsten. Aber manche Sitzungen öden selbst den ehrlichsten Gast an. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es auf der Bühne mehr auf die kurzen Röcke der Funkenmariechen ankommt als auf die Qualität der Büttenreden. Im Zweifel schau ich mir lieber sechs Stunden Dschungelcamp an. Feickert: Das stimmt so nicht. Klar, es gibt langweilige Sitzungen, aber gute Büttenredner sind schwer aufzutreiben. Da gibt es zwei oder drei, die man einkauft, aber man kann auch bei denen nie sicher sein, dass die zünden. Es kommt vor allem darauf an, wie der Verein seine Prunksitzung gestaltet. Kern: Genau. Was aber in meinen Augen oft zu kurz kommt, ist Lokalkolorit. Außerdem sind die Büttenredner nicht mehr so stark wie früher, deshalb habe ich mich auch schon in Sitzungen gelangweilt. Einmal war ich bei einer und fand, dass der Redner ziemlich flach war. Und die RHEINPFALZ schreibt am nächsten Tag, dass die Rede super war. (lacht) Sorry, aber Karnevalisten, die sonst immer das Patent auf den Humor beanspruchen, sind doch ziemlich humorlos, wenn sie mal Kritik von der Presse bekommen. Feickert: Es kommt aber immer darauf an, wie man etwas schreibt. Hinter einer Karnevalskampagne steckt ziemlich viel Arbeit, klar wird man dann auch mal ungemütlich, wenn was Negatives in der Zeitung steht. Kern: Das stimmt allerdings. Fasching war mal anders, hab’ ich mir sagen lassen. Bissiger, politischer, witziger. Oder? Kern: Fasching hat sich vor allem kommerzialisiert. Wenn die Leute von den Vereinen heute meckern, dass die Büttenredner so teuer sind, dann sage ich immer, dass sie früher doch auch alles bezahlt haben. Wenn damals jemand kam und wollte 1000 Mark, dann hat er die gekriegt. Heute ärgern sich die Vereine, wenn sie 400 oder 500 Euro bezahlen müssen. Feickert: Das ist ein hausgemachtes Problem. Aber Nachwuchs ist schwer zu finden, wenn nicht schon der Opa oder der Vater in der Bütt standen. Da braucht man Herzblut, um auch politisch tiefer zu gehen. Außerdem ist Fastnacht ein schweres Brot, weil es auch eine Brauchtumspflege ist. Da kann nicht immer alles lustig sein. Unlustig ist, dass sich Fasching zu einer Mischung aus Sauforgie und Sexbörse entwickelt hat. Kern: Langsam. Die Knutscherei und Sauferei kommt noch aus den 50er- und 60er-Jahren. So was ist heute unvorstellbar. Garde ist Garde, Elferrat ist Elferrat. Da wird nicht mehr wild rumgemacht. Das ist verpönt. Generell gehört zum Karneval Disziplin. Ich habe einmal erlebt, wie ein Sitzungspräsident gegen das Bühnenbild gefallen ist, weil er so voll war. Deswegen gab’s für mich und meinen Vize immer nur Wasser. Und der Elferrat trank höchstens Schwangerschaftsschorle. Feickert: Es geht heute viel mehr um Respekt. Die Elferräte gucken mehr auf ihre Gardemädels. Zum Beispiel bei der Altweiberfastnacht in der Eberthalle, wo viele von unseren Mädels dabei sind. Wir sagen immer zu ihnen, dass sie sofort zu uns kommen sollen, wenn sie begrapscht werden. Dann gehen wir zur Security. Es geht eben beim Fasching nicht nur ums Saufen und Flirten. Hand aufs Herz: Welche Konflikte gibt es zwischen alten und jungen Narren? Feickert: Es gibt natürlich Präsidenten, die andere nicht ans Zepter lassen wollen. Heute ist es aber einfacher, als Junger etwas zu verändern. Mein Präsident ist 57 und für jedes Gespräch offen. Kern: Natürlich gibt es Generationskonflikte. Das Schlimme ist, wenn einer mit 70 oder 75 noch meint, weiter machen zu müssen. Dann hat er was nicht begriffen. Ich habe mit 55 bei den Mutterstadtern als Präsident abgedankt. Es war einfach Schluss. Wichtig ist, die Jungen zu fördern. Sie haben das Nachwuchsproblem angesprochen. Der Große Rat fahndet im April bei einem Wettbewerb der Marke „Ludwigshafen sucht den Super-Narren“ nach jungen Bühnentalenten. Wie versuchen Sie, junge Mitglieder zu gewinnen? Feickert: Man muss in den Vereinen suchen, weil sich dort Talente verstecken. Wir versuchen aber auch, über Facebook an die junge Generation dranzukommen. Ein Problem ist, dass sich viele altgediente Büttenredner keinen Nachwuchs ziehen. Die wollen manchmal nichts hergeben von ihrem Kuchen. Das ist der größte Fehler. Karneval ist auch ein Straßenfest. In den vergangenen Jahren sind nicht nur in Ludwigshafen die Auflagen für die Umzüge immer härter geworden. Machen Sie sich deshalb Sorgen? Kern: Das ist ganz schlimm. Jedes Jahr muss der Tüv die Wagen prüfen. Dann sind locker mal 400 Euro pro Verein weg. Die Sitzungen sind zwar wichtig, aber der Umzug ist das Größte. Deswegen muss man diese Tradition unbedingt schützen. Feickert: Oh ja. Das große Problem ist, dass die Umzugsplaner, wie zum Beispiel in Mannheim, dann mit ihren Wünschen für den Aufbau des Wagens kommen, wenn er schon fertig ist. Wir fangen ja im Sommer mit dem Bau an. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele Städte einen Umzug gar nicht mehr wollen. Das verstehe ich nicht, denn eine schönere Party gibt’s einfach nicht.

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