Ludwigshafen „Habe mich in diesen Klang verliebt“

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Christina Pluhar ist Expertin für Alte Musik. Irgendwann hat die ausgebildete Gitarristin die Liebe zu den heute wieder so modern wirkenden Klängen der Barockzeit für sich entdeckt und ist zur Theorbe gewechselt, einem alten, zur Familie der Laute gehörenden Saiteninstrument. Mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata gastiert sie am kommenden Dienstag in Ludwigshafen.

Auf der Bühne sitzt sie meist ganz außen am Rand des Halbkreises. Während neben und hinter ihr Countertenöre und Sopranistinnen sich in überbordende Verzierungsgirlanden versteigen oder ihre Kollegen rauschende Jazz-Soli auf dem Zinken austesten, sitzt Christina Pluhar mit ihrer Theorbe am Rande des Geschehens und ist doch mittendrin: Der Ruhepol eines vor Ideen und Witz nur so überschäumenden Ensembles hält das Gebilde zusammen, ist die verlässliche Basis, ohne die so manche Waghalsigkeit scheitern würde. Die 50-Jährige ist Leiterin von L’Arpeggiata, eines Ensembles, das zwar in keine Schublade zu stecken ist, das sich aber besonders in der Alten Musik, der Musik des 17. Jahrhunderts also, zu Hause fühlt. Im Gespräch macht sie den Eindruck einer ruhigen, fast leisen Frau, die aber sehr genau weiß, wovon sie spricht und die sich viele Gedanken darüber macht, was sie eigentlich (an-)treibt. Angefangen hatte die gebürtige Österreicherin an der modernen Konzertgitarre. Doch als sie die alten Instrumente, die Laute und Theorbe, für sich entdeckte, war es, „als ob sich eine Tür öffnet“, erzählt sie begeistert. „Ich habe mich in die Musik, den Klang und in das Erlebnis, ein solches Instrument zu spielen, verliebt“. Wer mit L’Arpeggiata in die Welt der Alten Musik eintaucht, der hört neue Töne, kauzig und exotisch, manchmal gewöhnungsbedürftig, aber nie langweilig. Das liegt besonders an den Musikinstrumenten der Barockzeit. „Die Klänge dieser Instrumente sind so viel menschlicher als die der modernen“, meint Christina Pluhar. „Unsere heutige Geige zum Beispiel wird mit Stahlsaiten bespannt, eine Barockgeige aber mit Darmsaiten, die unter geringerer Spannung stehen.“ Das benötige weniger Druck und mache das Spielen angenehmer – ein Spiel ohne Widerstand. Pluhar und ihr Ensemble L’Arpeggiata führen nicht nur Monteverdi, Cavalli oder Purcell auf, sondern schlagen Brücken zwischen den Jahrhunderten. Crossover wird das gerne genannt, aber das trifft es in diesem Fall nicht genau. Anstatt ganz gegensätzliche Musiken aufeinander prallen zu lassen, zeigt Pluhar deren Gemeinsamkeiten. „Die Unterhaltungsmusik unserer Zeit ist der Musik des 17. Jahrhunderts wahnsinnig ähnlich, gerade wenn es um die harmonischen Strukturen geht.“ Auch das Prinzip des Walking Bass, des Lamentos und der variierten Wiederholung funktioniert heute ebenso wie vor 400 Jahren. Und: Über so einen durchgehenden Bass lässt es sich vorzüglich improvisieren. Das wiederum sei ein Grundprinzip ihrer Musik, sagt Pluhar: „Ein italienischer Musiker aus dem 17. Jahrhundert musste perfekt improvisieren können. Diese Praxis wollen wir wieder zum Leben erwecken.“ Da liegt der Sprung zum Jazz natürlich nahe, den L’Arpeggiata gemeinsam mit Countertenor Philippe Jaroussky und dem Jazz-Klarinettisten Gianluigi Trovesi im letzten Jahr wagte. „Grounds“ von Henry Purcell bildeten hier den Nährboden für aberwitzige Improvisationskünste. Doch Improvisation ist eigentlich immer gefragt bei der Interpretation Alter Musik. Viele Werke sind nur spärlich notiert; ein Mangel, der gleichzeitig eine ungeheure Freiheit in der Instrumentation, der Wahl der Klangfarben und der Verzierungspraxis erlaube, findet Pluhar. Aber man brauche viel Zeit, um sich in diese Aspekte einzuarbeiten. Pluhar vergleicht dieses Eindenken in die Musik mit dem Erlernen einer Sprache: „Man muss erst die Grammatik und die Vokabeln lernen, um sich dann künstlerisch in dieser Sprache ausdrücken zu können.“ Vor jedem Programm steht also eine lange Zeit der Recherche und der Quellensuche in den Archiven. Und es kommen immer wieder neue Sprachen hinzu: „Das Schöne an der Alten Musik ist doch, dass man nie aufhört, neue Werke zu entdecken.“ Viele der Konzerte von L’Arpeggiata sind auch Reisen durch klingende Landschaften – Brücken nicht nur in eine andere Zeit, sondern auch in andere Länder. Von Portugal begibt sich der Zuhörer entlang der Mittelmeerküste bis in die Türkei oder macht den Sprung über den Ozean nach Lateinamerika. Eine solche Entdeckungsreise beginnt bald auch in Ludwigshafen: L’Arpeggiata wird im BASF-Feierabendhaus zusammen mit der jungen Sopranistin Nuria Rial ein Programm mit traditionellen katalanischen Liedern vorstellen. Die Sängerin stammt selbst aus Katalonien, einer Region, die, so Christina Pluhar, mit einem unheimlichen Reichtum an Liedern gesegnet ist. „Es gibt einfach so viel wahnsinnig schöne Musik dort, die bei uns noch weitgehend unbekannt ist.“ Termin Konzert mit Christina Pluhar und dem Ensemble L’Arpeggiata am Dienstag, 8. Dezember, 20 Uhr, im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen.

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