Ludwigshafen „Ich muss auch mal eine Axt schwingen“

In Worms versucht man jedes Jahr die Geschichte der Nibelungen irgendwie neu zu erzählen. In diesem Jahr hat sich erstmals das neue Leitungsteam mit Intendant Nico Hoffmann, Autor Albert Ostermaier und Regisseur Thomas Schadt mit der mittelalterlichen Heldensage beschäftigt. Für die Musik wurde mit dem Panzerballett eine ungewöhnliche Band engagiert. Ein Gespräch mit Bandleader Jan Zehrfeld.

Herr Zehrfeld, Ihre Band Panzerballett hätte ich bei den Nibelungenfestspielen nicht erwartet.

Ich auch nicht. Regisseur Thomas Schadt kam letztes Jahr auf mich zu und fragte, ob ich mir das vorstellen könne. Ich bin nun nicht aus dem Theaterbereich und hatte bisher da auch keine musikalische Leitung im Rahmen einer solchen Produktion. Da sah ich die Herausforderung und den Reiz. Das Thema fand ich spannend. Nachdem ich mich damit beschäftigt hatte und auch Entwürfe des Bühnenbilds gesehen hatte, dachte ich mir, das könnte sehr gut passen. Es ist aber eine ganz andere Art zu musizieren, als ein Konzert zu spielen? Die Funktion, die wir Musiker erfüllen, ist hier natürlich eine komplett andere. Die Musiken sind oft sehr kurz, theatralisch-filmisch, mit Atmosphären und Übergängen, so genannte Cuts von gerade 20 Sekunden. Es ist, als ob man nur eine Musik bringt, aber in vielen Variationen. Ein Motiv, dann fünf Minuten später wieder in einer anderen Art, dann vermischen sich Motive. Das fand ich sehr spannend. Theatermusik kann man auf verschiedene Arten angehen – über Sounds und Stimmungen, oder über Motive, die Figuren oder Stimmungen zugeordnet sind. Wie gehen sie heran? Es ist eine Mischung aus beidem. Es gibt ein Hagen-Motiv und ein Krimhild-Motiv, aber auch in Verbindung mit einer Stimmung. Das Thema entwickelt sich dann mit den Situationen. Wenn zum Beispiel ein Traum zum Albtraum wird, dann wendet sich das Motiv auch horrormäßig. Gibt es auch eine Zuordnung von Instrumenten? Hagen könnte ich mir mit einer Heavy-Gitarre gut vorstellen Ganz genau. Ich bin ja auch „der Mann fürs Grobe“ und spiele eher tiefe Saiten und Metal-Riffs mit Sieben- und Achtsaiter-Gitarren. Dann gibt es die andere Gitarre und das Saxophon, die spielen oft mehrstimmige Melodien. Die zweite Gitarre ist auch dazu da, Harmonien zu legen und Stimmungen mit verschiedenen Sounds zu erzeugen. Ihre Musik ist oft rhythmisch extrem komplex. Wie passt das zum Bühnengeschehen? Die Musik, die ich dazu komponiert habe, ist meistens nicht so komplex geworden. Für die Tanzszenen habe ich nicht viel umarrangiert, das ist Musik, die wir mit der Band auch in Konzerten so spielen. Aber ich habe das mit dem Choreographen natürlich abgestimmt. Er wollte zum Beispiel eine Szene mit einem Drachen, also überlege ich, was für eine Grundstimmung dazu passt. Ich hatte einen Fundus von 40 Kompositionen und dann nach einem Song oder Songteil gesucht, der passen könnte. Er hat es sich dann angehört. Manches hat sofort gepasst, anderes musste ich anpassen. Zum Beispiel hat er mir gesagt, er brauche diesen langsamen Teil etwas länger, um die Szene aufzubauen, dafür den Schlussteil etwas kürzer. Ich muss sagen, das war eine sehr inspirierende Zusammenarbeit, die mir viel Spaß gemacht hat. Vor allem zu sehen, wie sich Musik und Tanz zusammenfügen, das wollte ich schon immer mal sehen, und das ist hier sehr schön umgesetzt. Ihr Metal-Jazz ist keine leise Hintergrundmusik – wie passt das mit dem Geschehen auf der Bühne zusammen? Es gibt oft einen Wechsel zwischen Bühnengeschehen und Band, aber es gibt auch Stellen, wo die Musik so beschaffen ist, dass sie als Hintergrund fungieren kann. Dann gibt es auch Momente, wo der Master-Mischer uns runterfährt auf eine – für meinen Geschmack – fast lächerliche Lautstärke. Meist ist es aber ein Wechsel. Die Feinjustierung von Länge und Aufbau der Musik war das Schwierigste, denn es muss immer alles ganz genau auf den Punkt kommen. Hier gibt es keinen Orchestergraben. Wo stehen Sie dann und wie verfolgen Sie, was auf der Bühne passiert? Es gibt rechts den Hunnenturm und links den Burgunderturm, auf die teilen wir uns auf. Die Musiker haben Ohrhörer, und sehen können wir per Kamera über Monitore. Für bestimmte Stellen gibt es ein Guckloch. Ein Theaterstück hat einen Spannungsbogen und dramaturgischen Aufbau. Wie haben Sie damit gearbeitet? Das habe ich im wesentlichen dem Regisseur überlassen. Die Handlung ist komplex, und verschiedene Regisseure können sie verschieden interpretieren. Deshalb habe ich mich nach ihm orientiert. Ich habe ihm Vorschläge gemacht. Er hat mir dann gesagt: „Hier nicht so melancholisch“ oder: „Hier muss es mehr abgehen“. Spielen die Musiker als Statisten mit? Nur ich bin in Kostüm und Maske und muss auch mal aus dem Turm raus und eine Axt schwingen ... die natürlich Ihre Metal-Gitarre ist? Ja klar. Nach den jetzigen Erfahrungen mit Theatermusik: Werden Sie das weiter machen? Es hat mir großen Spaß gemacht. Aber noch mal so etwas könnte ich wohl erst in zehn Jahren wieder machen. So lange hatte es gedauert, den Fundus an Stücken mit Panzerballett aufzubauen und intensiv einzuüben. Mit anderer Musik könnte ich mir das vorstellen. Für Panzerballett ist das eher eine einmalige Geschichte.

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