Ludwigshafen „In Syrien hatten wir den größten Garten im Dorf“

Die 23-jährige Studentin der Universität Heidelberg, Sarah Freyler (Mitte, hinten), mit den Projektteilnehmern bei der Vernissag
Die 23-jährige Studentin der Universität Heidelberg, Sarah Freyler (Mitte, hinten), mit den Projektteilnehmern bei der Vernissage in der Stadtbibliothek Edigheim.

«Edigheim.» Ein großer Fisch ist auf Abduls Bild zu sehen, Land mit Palmen in der Ferne. Das ist es, was dem Zwölfjährigen im Kopf geblieben ist: die Flucht in einem viel zu kleinen Schlauchboot, er auf seiner Schwester sitzend, weil sonst kein Platz war. Abdul ist ein sehr stiller Junge. Zusammen mit anderen Migrantenkindern hat er sich dem Thema „Heimat“ malerisch genähert – unter Anleitung von Sarah Freyler. Die 23-Jährige studiert an der Universität Heidelberg Kindheitspädagogik und hat das Thema „Heimat in vielen Facetten“ für ihre Bachelorarbeit gewählt. Ein fester Bestandteil ist hier das Praxisprojekt in der Edigheimer Flüchtlingsunterkunft, die sie an vier Samstagen besucht hat, um mit den dort untergebrachten Schülern ab der ersten Klasse über die Begriffe „Heimat“ oder „Zuhause“ zu sprechen. Nachdem die Kinder verschiedene Maltechniken ausprobiert hatten, durften sie ihre Vorstellung zu den Begriffen zeichnerisch auf Leinwand darstellen – und dazu schreiben, was sie mit ihrem Kunstwerk darstellen. Das hat auch Ahmad gemacht. Der Elfjährige sprüht vor Energie, er springt sofort zu seinem Bild und erklärt, was er Tolles gesehen hat: „In Berlin Kreuzberg war ich zu Silvester und habe dort ein Feuerwerk gesehen. Das hat mir sehr gefallen. Es ist viel schöner gewesen als in Syrien.“ Dazu ergänzt Freyler: „In Syrien waren es die Raketen des Krieges, die er in Erinnerung hat.“ Ahmads Schwester Sidra (12) zeigt ein Bild mit einem Garten. Orangen- und Apfelbäume wachsen darin. Und es gibt einen Hund. „Das war unser Garten in Syrien“, erklärt sie schüchtern. Und Ahmad fällt mit leuchtenden Augen ein: „Wir hatten den größten Garten im Dorf. Und eine Katze und Kühe. Aber als wir gegangen sind, waren gar keine Tiere mehr da.“ Einige der Familien haben sich auf den weiten Weg gemacht, weil die älteren Söhne alle im Krieg gefallen sind. Die jüngeren Kinder wollten sie nicht auch noch verlieren. Freylers Ziel war es, den Kindern mit ihrem Projekt zu zeigen, dass es nicht nur ein Ort sein muss, sondern dass es vielmehr verschiedene Dinge wie Familie, ein Gefühl oder auch ein Gegenstand sind, die „Heimat“ oder „Zuhause sein“ bedeuten. Zum Abschluss des Projekts wurden die Werke nun bei einer Vernissage in der Stadtbibliothek Edigheim präsentiert – und können dort zwei Wochen lang betrachtet werden. Mit Stolz sind nicht nur zahlreiche Eltern der jungen Künstler zur Ausstellung gekommen, auch einige Bewohner des Stadtteils zeigen Interesse an den Werken. Bevorzugte Motive der Kinder sind Bäume, Herzen und Sterne. Ein Stern füllt ein weiteres Bild von Sidra in leuchtenden Rot- und Blautönen aus. Sie hat dazu geschrieben: „In Syrien gibt es auch Sterne, aber den habe ich so bunt gemalt, weil es mir hier so gut geht.“ Zudem sind Äpfel bei den Kindern sehr beliebt. Freyler berichtet, dass einer der jungen Künstler erklärt habe, dass es in Syrien zwar auch Äpfel gebe, diese aber nicht so gut schmecken würden. „Die seien eher mehlig“, ergänzt Freyler. Entscheidend für das Zustandekommen des Projekts war auch Brigitte Eckhart. Die Rentnerin, wie sie sich selbst bezeichnet, ist die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Respekt Mensch und hat den Kontakt zwischen der Studentin und den Kindern aus dem Edigheimer Flüchtlingsheim im Dammstückerweg ermöglicht. Sie hat zudem einen großen Anteil daran, dass sich die Kinder in einfachen Worten bereits nach einem Jahr in Dingen des Alltags verständlich machen konnten. Durch ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe haben die Menschen großes Vertrauen zu ihr aufgebaut. Sie hilft beispielsweise bei Anmeldungen in Schule und Kindergarten oder gibt Nachhilfe. Das gilt auch für Kainat. Die Zehnjährige ist mit ihren Eltern aus Afghanistan geflüchtet und hat von der Ausstellung durch ein Plakat an der Bücherei erfahren, in deren Haus sie mit ihrer Familie lebt. Da sie nicht mehr im Flüchtlingsheim ist, konnte sie an dem Projekt nicht teilnehmen. Das macht sie sichtlich traurig. Still läuft sie an den Gemälden entlang und schaut diese genau an. „Ich hätte ein Bild von dem Haus mit der Bücherei gemalt“, sagt sie. Aber die Zehnjährige kann sicher viele Erfahrungen mit den anderen Kindern teilen. Ausstellung Die Werke des Projekts „Heimat in vielen Facetten“ sind in der Stadtbibliothek Edigheim, Bürgermeister-Fries-Straße 14, zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch 10-12 Uhr & 13-18 Uhr, Freitag 10-12 Uhr & 13-17 Uhr.

Der elfjährige Ahmad und seine Schwester Sidra (12) haben ganz unterschiedliche Bilder zum Thema „Heimat“ gemalt.
Der elfjährige Ahmad und seine Schwester Sidra (12) haben ganz unterschiedliche Bilder zum Thema »Heimat« gemalt.
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