Ludwigshafen Judith Holofernes kommt nach LU: "Helden-Sachen hätten es jetzt viel schwerer"

„Ich mache hauptsächlich, was mir Spaß macht und mich interessiert“: Judith Holofernes.
»Ich mache hauptsächlich, was mir Spaß macht und mich interessiert«: Judith Holofernes.

Mit dem Heldentum ist es vorbei. Wie es sich anfühlt, solo unterwegs zu sein, erzählt die Sängerin Judith Holofernes im Interview.

Frau Holofernes, vor fast 15 Jahren, im Juni 2004, habe ich Sie und Pola Roy in der Popakademie in Mannheim erlebt. Sie haben den Studenten erzählt, dass zu Beginn der Helden viele Leute zu Ihnen gesagt haben: „Judith, lass’ das mit den Jungs, mach’ lieber solo was.“ Haben Sie es jetzt also endlich eingesehen?

(Lacht laut.) Ja, auf jeden Fall. Meine Fantasien als Teenager gingen in Richtung Band. Ich wollte immer eine Band haben und Teil einer Band sein. Jetzt bin ich ja auch nicht alleine unterwegs, wir stehen zu sechst auf der Bühne. Das ist schon auch eine Affenfamilie. Aber ich genieße es schon sehr, solo unterwegs zu sein und meine Haken ein bisschen leichtfüßiger schlagen zu können. Weil in der Band alle gleichberechtigt entschieden haben? Ja, schon. Das merke ich jetzt. Es hat zwar einen großen Charme und ist schön. Man hat es dadurch auch leichter und kann sich hinter den anderen verstecken. Aber wir waren halt sehr basisdemokratisch. Wir hatten sehr viel Spaß, aber wir waren nicht unkompliziert.

"Pop interessiert mich nicht genug"

Gibt es jetzt die Leute, die sagen: „Judith, hör’ auf, alleine was zu machen, mach’ lieber mit der Band weiter?“

Na klar. Jeder, der jetzt wollen würde, dass ich wieder die Charts dominiere. Die guten Ratschläge gehen einem nicht aus. Hätten Sie gerne wieder Hits? Nicht so sehr, als dass es mir nicht zu langweilig wäre, ein halbes Jahr dem zu widmen, sie herzustellen. Ich habe ein Herz für Pop, aber aus immer weiterer Entfernung. Unterm Strich interessiert es mich nicht genug. All die Songs, die ich Lust habe zu schreiben, die abseitiger sind, könnte ich nicht schreiben, und müsste stattdessen Songs schreiben, auf die ich nicht besonders große Lust habe. Dann wäre das ja fast wie ein Beruf. (Lacht.) Was im Moment die deutschen Charts dominiert, ist ja auch viel enger geworden als damals, als wir das mit den Helden gemacht haben. Die Helden-Sachen hätten es jetzt viel schwerer. Wir sind durch eine ganz schmal offene Tür reingewitscht, die sich jetzt geschlossen hat. Was jetzt in den Charts ist, finde ich zum größten Teil grußkartenromantisch. Und die Musikindustrie ist total fantasielos. Was funktioniert, wird kopiert. Das haben Sie doch auch erlebt. Eine Zeitlang hatte man das Gefühl, eine Band besteht aus drei Jungs und einer Frau, und Hauptsache, deutsche Texte.

"Heute ist er einer meiner besten Freunde"

Ich war nur einmal bei einem Helden-Konzert, aber schon zweimal bei Teitur. Einmal bin ich extra für ihn in die Niederlande gereist. Wie sind Sie mit ihm in Kontakt gekommen? Ich habe seit Jahren das Hobby, dass ich manche meiner Lieblingssongs ins Deutsche übersetze. Auf der Tour zur ersten Soloplatte habe ich noch keine Helden-Songs gespielt, weil das noch zu frisch war. Inzwischen mache ich das wieder, und es macht total viel Spaß. Da habe ich einige Übersetzungen reingenommen, und eine war „Catherine the Waitress“ von Teitur. Bei mir heißt es „Jonathan, der Kellner“. Das Video hat sein Manager im Internet gesehen und uns verkuppelt. Wir haben uns in Berlin getroffen und haben gleich an vier Tagen acht Songs geschrieben. Ich bin auf die Färöer gefahren und habe da noch mal mit ihm geschrieben. Heute ist er einer meiner besten Freunde und ein bisschen seelenverwandt. Das war ein totaler Segen. Wir haben auf meiner Platte acht Songs zusammen geschrieben und vier oder fünf auf seiner. Und man hört es total. Cool. Kannte er die Helden? Ich weiß es gar nicht. Wir haben viel zusammen gehört, aber erst, nachdem wir uns ein halbes Jahr kannten, meinte er: „Ich habe dich gestern gegoogelt.“ (Lacht.) Auch schön. In Deutschland kennt Sie praktisch jeder und Sie mussten jahrelang als Role-Model für alles Mögliche herhalten: Konsumkritik, Feminismus, Mama-Sein ... Das ist die Begleiterscheinung von meinem Weg, und ich habe mittlerweile einen starken Freiheitsdrang, was das angeht. Ich war 26 und hatte beim Schuhekaufen das Gefühl, dass die Leute denken: „Guck, die Holofernes, die ist doch so konsumkritisch, und jetzt kauft sie sich ein paar Schuhe.“ Ich habe das Gefühl, dass ich das nie angeboten habe. Aber es hätte deutlich schlimmer kommen können. Als politisch, engagiert und konsumkritisch zu gelten, ist ja nicht schlimm. Aber mir waren eben die Liebeslieder und traurigen Lieder genauso wichtig.

"Dadurch macht mir 42 sein mehr Spaß als 26 sein"

Hat die Entscheidung, an der Sendung „Sing meinen Song“ teilzunehmen und in sozialen Netzwerken sehr aktiv zu sein, auch damit zu tun, dass Sie überraschen und auch irritieren möchten?

Klar. Das spielt da schon mit rein. Vor allem aber damit, dass ich hauptsächlich mache, was mir Spaß macht und mich interessiert. Meine Leute, die mich über die Jahre begleiten, verstehen das sehr gut. Das ist schön. Dadurch macht mir 42 sein mehr Spaß als 26 sein. Von Wir sind Helden habe ich zum ersten Mal gehört, als Nena bei ihrem Konzert 2002 in Mannheim ein Shirt mit der Aufschrift „Guten Tag“ trug. Ach ja. Das hat uns schon geholfen. Finden Sie auch jemanden so toll, dass Sie unbedingt davon erzählen müssen? Das habe ich immer. Sicher ist das mit Teitur so, der in Indie-Kreisen eine große Fanbasis hat, aber darüber hinaus den Leuten gar nichts sagt. Käptn Peng finde ich großartig. Maeckes mag ich sehr. Ich bin immer ein glühender Fan. Termin Judith Holofernes spielt am Mittwoch, 28. November, 20 Uhr, im Kulturzentrum Das Haus in Ludwigshafen. Karten gibt es unter www.reservix.de

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