Ludwigshafen „Kindertraining ist das Wichtigste“

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Herr Grimmer, Herr Rozwadowski, sehen Sie es als Vor- oder Nachteil, im Schatten vermögender großer Hockeyvereine zu sein? In der Nachbarschaft sind der Mannheimer HC und der TSV Mannheim, der TFC Ludwigshafen hat auch noch die TG Frankenthal als Konkurrent. Fabian Rozwadowski:

Ich weiß nicht, ob ich da von Nachteilen sprechen würde. Alle haben doch gedacht, dass der TSV Mannheim im Schatten des finanzstarken Mannheimer HC untergeht. Aber der TSV hat schließlich das Gegenteil bewiesen. Der Verein hat sich den neuen Gegebenheiten angepasst. Und darin sehe ich auch die Hausaufgaben, die Vereine wie der TFC, der Dürkheimer HC und die TG Frankenthal erledigen müssen. Führt das am Ende dann auf eine Spielgemeinschaft hinaus? Ist das in den höheren Klassen überhaupt erlaubt? Philipp Grimmer: Ich meine nicht, dass das verboten ist.Rozwadowski: In den unteren Ligen geht das auf jeden Fall. In der Bundesliga weiß ich nicht. Ich sehe darin aber auch nicht die Lösung. Wäre das dann eine Möglichkeit auch in Richtung Bad Dürkheim? Rozwadowski: Glaube ich nicht. Und die Aufgaben bleiben, wie gesagt, für alle die gleichen. In Mannheim funktioniert’s ja auch. Der MHC und der TSV existieren auch jeweils als eigenständige Vereine, stellen eigene Mannschaften. (An Grimmer) Was ist euer Gründungsjahr? Grimmer: 1861.Rozwadowski: Also ein Verein mit Tradition. Aber Tradition ist kein Erfolgsgarant. Schauen Sie sich doch mal um: Die Vereine, die die Tradition nicht so hochhalten, sind viel erfolgreicher. Die können freier entscheiden, freier planen. Bei den Traditionsvereinen hört man doch immer wieder, dass man die Identität nicht aufgeben, nicht verlieren darf.Grimmer: Ich sehe das ähnlich. Wir kooperieren ja schon mit dem TSV Mannheim, teilen uns beispielsweise einen FSJler . Das Problem ist: Die Jungs, die hier gut ausgebildet werden, schielen nach oben. Das ist natürlich legitim. Wir sind allerdings auf einem guten Weg, die verlorenen Söhne, wie Alexander Matz oder Leo Schnotale, wieder zurückzuholen. Wie schwierig ist es denn bei der Konkurrenzsituation, Nachwuchs zu gewinnen? Grimmer: Sehr schwierig. Aber auch da sehe ich uns auf einem guten Weg. Wir zeigen Präsenz, zum Beispiel beim Hafenfest oder bei der Kooperation mit der Heidelberger Ballschule. Wir bieten ja auch Kinderturnen an. Das ist sehr gut besucht. Die Aufgabe ist es, die Kinder von der Halle auf den Platz zu bekommen. Da stelle ich aber eine Verbesserung fest. Der Verein öffnet sich. Herr Rozwadowski, wie sieht das bei Ihnen aus? Die TG spielt in der Stadt ja eine andere Rolle als der TFC in Ludwigshafen. Haben Sie es einfacher? Rozwadowski: Klar werde ich als Trainer der TG-Herren in der Stadt öfter mal angesprochen. Das macht es in vielen Bereichen einfacher. Kindertraining ist das Wichtigste. Nehmen Sie ein Probetraining mit 20 Kindern. Zwei Trainer, Schläger, Bälle – die Kinder sind bestimmt mit Freude bei der Sache. Wenn wir Glück haben, bleiben zehn im Verein. Es reicht aber nicht, wenn wir dafür nur in eine Kindertagesstätte gehen. Andere Vereine sind da präsenter. Nehmen Sie zum Beispiel die Delta Kids des TSV Mannheim. Dort findet eine hockeyaffine Kinderbetreuung statt. Es geht nicht nur um die Kinder. Auch die Eltern sollen begeistert werden. Die wollen das Beste fürs Kind. Die müssen wir überzeugen, indem wir über den Hockeysport Werte transportieren und dabei die Klischees, die dem Hockey anhaften, geraderücken. Jedenfalls gibt es Hockeyvereine in Deutschland, die haben einen Aufnahmestopp. Davon sind wir weit entfernt. Sie sprechen davon, dass Sie die Kinder schon in der Kita für den Sport begeistern wollen. Früher hieß es mal: Wir müssen in die Schulen gehen … Grimmer: Wenn wir in die Schule gehen, ist das ein guter Zusatz. Aber in der zweiten, dritten oder vierten Klasse haben sich die Kinder heutzutage längst für eine Sportart oder mehrere Sportarten entschieden. Wenn wir dann kämen, wären wir zu spät dran. Daher müssen wir die Kinder aus den Kitas auf den Hockeyplatz holen. Das ist bisher auch super angenommen worden. Und wenn es den Kindern Spaß macht: Dran bleiben, bei Elternabenden Flyer verteilen. Rozwadowski: Das ist aber auch ein Ressourcenproblem. Rational betrachtet ist es für die Vereine die beste Investition, in die Kitas zu gehen. Wir haben einmal pro Woche Training mit den Minis. Zum Vergleich: Wir waren vor Kurzem in Düsseldorf zum Testspiel. Der Düsseldorfer HC hat dreimal unter der Woche und auch noch samstags Minitraining. Das war ein Gewimmel. Bei diesen Voraussetzungen ist es eigentlich erstaunlich, welch gute Spieler der TFC und wir hervorbringen. Die Kinder müssen aber auch trainiert werden. Grimmer: Bei den ganz Kleinen ist die Technik noch nicht so wichtig. Da ist die Hauptsache, dass es menschlich passt. Vertrauen muss aufgebaut werden. Und auch die Kommunikation mit den Eltern muss stimmen. Ab den C-Knaben braucht man dann einen, besser zwei Trainer, die gut Hockey spielen können. Das läuft bei uns schon ganz gut, kann aber auch noch ausgebaut werden.Rozwadowski: Ich denke, die Balance zwischen ehrenamtlicher und bezahlter Arbeit hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert. Bei Vereinen wie dem MHC hat sich die Balance deutlich in Richtung bezahlter Arbeit verändert. Das ist eine Tatsache, die wir erkennen müssen. Gibt es eine Patentlösung? Rozwadowski: Was zu tun ist, haben wir angesprochen. Am Ende hängt’s wohl am Geld. Bei den Vereinen von Platz eins bis acht in der Ersten Bundesliga bekommen die Spieler alle geldwerte Vorteile – Auto, Wohnung und ähnliche Dinge. Bei uns gibt es nur die Fahrtkosten. Dazu kommt, dass bei den Bundesliga-Vereinen oft Stiftungen mit viel Kapital dahinterstehen. Die Vereine brauchen jemanden, der als Identifikationsfigur, als das Gesicht des Vereins, die Leute begeistert. In der Nationalmannschaft ist es Moritz Fürste, bei den Dallas Mavericks Dirk Nowitzki, bei der Fußball-Nationalmannschaft Bastian Schweinsteiger. Und wer ist das Gesicht der TG?Grimmer: Das Gesicht des TFC gibt es leider auch nicht mehr. Vor Jahren war das mal mein Vater. Der TFC hat viele Gesichter, und das ist auch gut so. Christian Hanz hat zum Beispiel fast kein Privatleben mehr. Auch in meiner Verantwortung liegt es, die Arbeit nach außen zu tragen. Das Patentrezept gibt’s meiner Meinung nach nicht. Vom Inneren her nach außen stark bleiben. Sich engagieren, auch ehrenamtlich. Und wenn die aktive Zeit vorbei ist, schauen, dass die Leute dem Verein weiter treu bleiben.Rozwadowski: Stimmt, der Funke muss auf andere überspringen. Dabei ist die Authentizität entscheidend, sonst klappt das nicht. Sehen Sie eine Chance, Kinder von Flüchtlingsfamilien für das Hockey zu begeistern? Rozwadowski: Warum nicht? Die Stadt hat Frankenthaler Vereine angefragt, ob diese auch ihre Leistungen Flüchtlingsfamilien anbieten würden. Selbstverständlich haben wir uns da auch gemeldet. Leider war bei den ersten Flüchtlingen, die nach Frankenthal gekommen sind, kein Interesse. Unser Angebot, also Hockey, Fechten und Turnen, bleibt aber natürlich weiter bestehen. Grimmer: Das wäre von unserer Seite aus auch kein Problem. Wenn es gewünscht wird, sind wir gerne bereit, zu helfen. Das betrifft natürlich auch die anderen Sportarten im Verein wie Fechten oder Kinderturnen.

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