Ludwigshafen Kinolandschaft in Nahaufnahme

66 Kinos hatte er besucht, im Cinema Quadrat war zum ersten Mal: Filmemacher Philipp Hartmann.
66 Kinos hatte er besucht, im Cinema Quadrat war zum ersten Mal: Filmemacher Philipp Hartmann.

Treffend und einfach „66 Kinos“ heißt dieser Film, der eben 66 Kinos in Deutschland porträtiert. Das führt von Aachen im Westen bis Passau im Osten und von Flensburg im hohen Norden bis Singen am Hohentwiel. Einem 67. Kino, dem Cinema Quadrat in Mannheim, stattete Regisseur Philipp Hartmann nun einen Besuch ab, um seine ungewöhnliche Dokumentation vorzustellen.

Vor drei Jahren begleitete Hartmann seinen vorhergehenden Essayfilm „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“ durch deutsche Kinos, um vor Ort mit Journalisten und Kinomachern zu sprechen und jeweils nach der Vorstellung mit dem Publikum zu diskutieren und Fragen zu beantworten. „Mit den Zuschauern zu reden, ist für einen Filmemacher das größte Privileg, das man haben kann, weil man wirklich Rückmeldungen zu seinem Film kriegt“, schwärmt der Karlsruher. Monatelang war er damals unterwegs und hatte stets eine Kamera dabei, die er vorher eigens für diese Reise erworben hatte. Als sein eigener Produzent, Regisseur, Ton- und Kameramann filmte er in all den Kinos, die er besuchte. Von den Foyers bis in die Vorführräume, ließ er sich alles zeigen und sprach mit den Betreibern. Das Ergebnis ist eine sichtlich von persönlicher Leidenschaft gelenkte, umfassende Bestandsaufnahme der gegenwärtigen deutschen Kinolandschaft. Vom „Subiaco“ in einem 900 Jahre alten ehemaligen Klostergebäude in Alpirsbach bis zum Wolf-Kino in Berlin-Neukölln, das zur Zeit der Dreharbeiten noch im Bau war, sehen wir kleine und große, opulent oder nur minimalst ausgestattete Filmtheater, blicken in beengte Vorführkabinen, helle, repräsentative Foyers und abgedunkelte Säle mit plüschigen Sitzreihen. Wir lernen dominante Multiplexe und Kinos mit weniger als 20 Besucherplätzen kennen, ausdrücklich „popcornfreie“ Häuser oder solche mit Bewirtung am Platz sowie eines, in dem vor der Vorstellung basisdemokratisch abgestimmt wird, ob geraucht werden darf oder nicht. Vielleicht noch ergiebiger sind die lebendigen Erzählungen der Filmtheaterbetreiber, ihr kundiger Blick auf den Betrieb im permanenten Wandel, ihre authentischen Erlebnisse, ihre Biografien, die sich ums Kino ranken. In den besten Momenten des Films ist nicht allein ihre Arbeit, sondern auch der Enthusiasmus, ja, sogar Liebe zu spüren, die sie in den Betrieb und das Programm ihrer Lichtspielhäuser stecken. „Ich bin ein Tante-Emma-Kino“, sagt beispielsweise der Inhaber der „Blauen Königin“ in Bühl im Schwarzwald. Mittlerweile hat er sein Kino geschlossen. „Es ist ein immerwährender Kampf“, erklärt Inka Gürtler von der Karlsruher Kinemathek und meint damit vor allem die mangelnde Anerkennung und finanzielle Unterstützung kommunaler Filmarbeit. „Die Kinolandschaft lebt davon, dass da unglaublich engagierte Leute sind“, formuliert Philipp Hartmann eine Erkenntnis seiner langen Kinotour, die ihn ab Oktober 2014 auch in die Region, in die Speyerer Filmklappe und ins Heidelberger Karlstorkino führte. „Das spürt man hoffentlich auch am Film, dass er eigentlich eine Hommage an die ganzen Kinobetreiberinnen und -betreiber ist.“ Im Cinema Quadrat war der 46-jährige Karlsruher zum ersten Mal. Außerhalb des Kommunalen Kinos zeigte er sich vor allem beeindruckt vom Bauwerk Collini-Center, in dem es noch bis Ende dieses Jahres zu finden ist. Danach wird das Cinema Quadrat voraussichtlich Anfang 2019 in ein ehemaliges Kaufhaus im Innenstadtquadrat K1 einziehen. „Ich bin ganz begeistert von diesem Gebäude, das ja fast so eine übersehene Schönheit hat oder eine Schönheit, die wahrscheinlich nicht jeder zu schätzen weiß“, meinte der Filmemacher. „Das passt doch gut zu einem Kino, das sich zwischen aktuellen und historischen Filmen bewegt und auch Kunstperlen zeigt.“ Auch in Mannheim führte Hartmann wie stets seine Kamera mit sich. Er hat sich jedoch selbst auferlegt, nicht wieder in den Kinos zu filmen. „Wenn ich jetzt damit weitermache, dann komme ich aus der Nummer nicht mehr raus und bin den Rest meines Lebens der Kino-Chronist. Ich filme aber ganz viel außerhalb, auf dem Weg, in den Städten oder wenn ich irgendwas entdecke.“ Ob irgendwann dann ein Film daraus wird, weiß Hartmann noch nicht: „Ich sammle gerade so Material und könnte mir vorstellen, dass ich angesichts dieser tollen Architektur hier gleich die Kamera noch mal auspacke.“

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