Ludwigshafen Mit Anmut und Esprit

Das Kunstlied befindet sich auf dem Rückzug. In den meisten Konzertzyklen spielt es kaum noch eine Rolle. Sein Publikum scheint noch stärker überaltert als das der anderen klassischen Genres. Eine Lanze bricht nun das Mannheimer Nationaltheater, indem es in seiner Reihe „Musiksalon“ auch Liederabende anbietet. Der jüngste mit Ludovica Bello und Christopher Diffey, begleitet von Robin Phillips, fand begeisterte Aufnahme.

Diesmal führte die tönende Reise nach Italien. Frei nach Hugo Wolf hätte sich das Programm in der Montagehalle im Werkhaus des Nationaltheaters auch „Italienisches Liederbuch“ überschreiben lassen. Zu hören gab es Lieder nach italienischen Gedichten von italienischen und auch nicht-italienischen Komponisten. Die Werkfolge, zu der Pianist Robin Phillips kurze Einführungen gab, begann beim Belcanto mit vokaler Kammermusik von Bellini, Donizetti und Verdi. Der zweite und dritte Block galten dem Sonett. Auf ein Hauptwerk der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, Benjamin Brittens „Sieben Michelangelo-Sonette“ für Tenor und Klavier, folgten nach der Pause Liszts Vertonungen von drei Sonetten Francesco Petrarcas, des neben Dante bedeutendsten Dichters in den Anfängen der italienischen Literatur. Im letzten Abschnitt hatte die leichtere Muse das Wort. Auf dem Programm standen neapolitanische Lieder aus dem späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, teils folkloristisch angehaucht, einige auch im Dialekt, teils mitgeprägt durch den Opernstil. Robin Phillips sprach von den „Popliedern“ der Epoche. Den Schlusspunkt setzten dann zwei Evergreens: Luigi Arditis „Kusswalzer“ und Leoncavallos „Mattinata“. Ludovica Bello und Christopher Diffey profilierten sich als erstklassige, eminent musikalische Stilisten und gefielen sehr durch erlesene Stimmqualität und zwingende gestalterische Präsenz. Diffey erwies sich seinerseits in Donizettis Lied „Ah! rammenta o bella Irene“ als Belcanto-Virtuose von imponierendem Format, als brillanter Meister des halsbrecherischen Ziergesangs und nahm die Zuhörer bei Brittens Michelangelo-Sonetten durch Nachdruck, Sensibilität und Facettenreichtum seines Vortrags gefangen. Bellos warm gefärbte Stimme, im Grenzbereich zwischen Sopran und Mezzo angesiedelt, war ihrerseits der reine Ohrenschmaus. Hinzu kamen der außerordentlich ausgeprägte Wille der Sängerin zum Ausdruck, ihre Fähigkeit zum Differenzieren und ihr stets waches Detailgespür. Zu vernehmen waren wahre Herztöne. Zudem ließ Bello durch gestischen und mimischen Einsatz ihre Lieder gleichsam miterleben, so mit Anmut und Esprit die Darbietung von Verdis „Zingara“ und des „Kusswalzers“ und mit mitreißend schwärmerischer Emphase die von Paolo Tostis „Aprile“.

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