Ludwigshafen Mit großer Berliner Schnauze

Ein bisschen Lady Gaga, ein bisschen Nina Hagen: Mia-Frontfrau Mieze Katz.
Ein bisschen Lady Gaga, ein bisschen Nina Hagen: Mia-Frontfrau Mieze Katz.

Die Berliner Elektropop-Band Mia um Front-Frau Mieze Katz hat an der Entwicklung der jüngeren deutschen Musikkultur kräftig mitgestaltet. Sie lieferten Kontroversen und Charterfolge. Auf ihrer „Nie wieder 20“-Tour anlässlich ihres 20-jährigen Bandbestehens schaute sie jetzt in der Alten Feuerwache in Mannheim vorbei. Die Geburtstagsparty wurde schrill, laut und sehr speziell. Auch wenn es mehr Geburtstagsgäste hätten sein dürfen, die treuen Fans feierten.

„And The Golden Choir“, das Soloprojekt des Musikers Tobias Siebert, entlockte gleich zu Beginn dem Publikum Staunen. Mit selbstaufgenommenen Tonspuren auf Schallplatte und allerlei ungewöhnlichen Instrumenten stieß er das Portal in das Reich der Extravaganzen auf. Der passende Opener für Mia, denn die Mutter aller Elektropop-Bands ist ebenfalls alles andere als gewöhnlich. Front-Frau Mieze Katz, bürgerlich Maria Mummert, ist in Attitüde und Extravaganz gelinde gesagt eine Verschmelzung aus Lady Gaga, Björk und Nina Hagen. Hinzu kommt ihre freche Berliner Schnauze. Für knapp zwei Stunden ließ die hibbelige Front-Frau das Universum um sich herum tanzen. Ihre drei Männer, Gunnar Spies (Schlagzeug), Robert „Bob“ Schütze (Bass) und Andy Penn (Gitarre), bauten ihr ein energetisches Klangfundament, auf dem sie mit einer ungeheuren Präsenz prangte. Mal agierte sie fast verspielt und kumpelhaft locker, dann zeigte sich Katz wieder ganz der Punk-Attitüde verpflichtet. Ab und zu holt sie auch ihre Jungs ins Rampenlicht. Es gibt Bands, die polarisieren. Mia gehört dazu und musste bereits einige Kritik wegstecken, von fehlendem Punkcharakter ihrer anfangs als „Elektro-Punk“ verorteten Musik bis hin zu Nationalismusvorwürfen aus dem linken Lager. Das letzte Album „Biste Mode“ liegt drei Jahre zurück und die Zuschauerzahlen – auch in Mannheim – deuten auf eine Durststrecke hin. Doch für Mia ist das nicht wirklich etwas Neues. Ihr Bandlebenszyklus wies bereits mehrfach Höhen und Tiefen auf. Die nächste Platte, die nach Band-Angaben im Entstehungsprozess ist, kann im Grunde alles ändern. Eines ist unumstößlich: Mia schrieb Musikgeschichte, als sie Ende der Neunziger auf deutsche Texte und eine Front-Frau setzten. Die Musikindustrie horchte auf und Juli, Silbermond, Wir sind Helden und viele weitere Bands mit einer starken Front-Frau oder deutschem Textgut waren die Nutznießer. Mia präsentierte sich in Mannheim gewohnt laut und schrill, zu Vorbild Nina Hagen bleibt aber noch Luft nach oben. Den Song „Verrückt“ aus ihrem Debüt „Hieb und Stichfest“ widmeten sie der deutschen „Godmother of Punk“, die laut Katz „das Salz in der Suppe“ darstellt. Zwischen Neue- Deutsche-Welle-Anleihen und launigem Elektropop bewiesen sie in der Alten Feuerwache klar ihre allseits gelobten Live-Qualitäten. Für eine Geburtstagstour angemessen, kredenzten sie einen Querschnitt durch ihre sechs Alben, die sich fast wie Tagebücher lesen lassen. So wurde es ein Abend, der seinen Reiz für Mia- Kenner und Neueinsteiger entfaltete. Doch ganz auf neues Material musste das Publikum nicht verzichten. Statt Jubiläumsplatte hatten andere deutsche Künstler alte Mia-Songs als Coverversionen oder Kollaborationen mit neuem Glanz versehen, die sie auf ihrer Geburtstagstour in der neuen Fassung präsentieren: „Hungriges Herz“ von Madsen, „Kreisel“ von Nisse und „Fallschirm“ als Duett-Version von Gregor-Meyle. Letzteres startete als gefühlvolle Akustik-Version, bevor es in die härtere Gangart der Originalversion überging. „Lauffeuer“ oder „Berg und Tal“ aus ihrem aktuell sechsten Album heizten mit treibenden Dance-Beats die Tanzparty an. Mia nahm sich auch Zeit für die leisen kostbaren Momente: „Oder nicht oder doch“ und „Hoffnung“ als Duett mit dem Schlagzeuger bescherten Gänsehautmomente. „Tanz der Moleküle“, eine ihrer erfolgreichsten Singles aus dem Album „Zirkus“ (2006), schickten sie zuletzt in die tanzende Menge. Ihr Publikumsgast auf der Bühne traf mit seinem Kommentar ins Schwarze: „Mieze – Du bist ’ne coole Socke“ rief der ins Mikrofon.

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