Ludwigshafen Musik als Medizin

Songs aus 40 Jahren: Anne Haigis.
Songs aus 40 Jahren: Anne Haigis.

Anne Haigis lässt ihre Fans nicht hängen: Trotz einer Gallenkolik in der Nacht zuvor ist die Deutschrockerin im Capitol in Mannheim aufgetreten. Begleitet wurde sie von Niklas Hauke an den Keyboards und bei einigen Songs von Usch Bierlein, Roadie mit stimmlichen Qualitäten.

Trotz gerade überstandener heftiger Schmerzen machte Anne Haigis einen entspannten Eindruck. Das Konzert im Capitol entwickelte eine intime Atmosphäre. Die Zuhörer konnten spüren, dass Singen einen Art Medizin ist. Gut gelaunt und sympathisch entwickelte die 63-Jährige einen guten Draht zum Publikum. Im Programm hatte sie Stücke aus verschiedenen Phasen ihrer Karriere, die in den 1970er-Jahren begann. Seit längerer Zeit schon hat sich die Sängerin aus dem Schwäbischen auf kleine Besetzungen für Livekonzerte verlegt. Angefangen hat das 2004 mit Gitarrist Josef Filser. 2014 wurde sie von Ina Boo an Gitarre und gelegentlich Keyboard begleitet. Diesmal ist es ein Keyboarder, nämlich Niklas Hauke, der sie unterstützt. Das eröffnet einige neue Möglichkeiten. Niklas hat zwei Keyboards mitgebracht, eins für Klavier- und E-Piano-Sounds und eins, das Orgeln und weitere flächige Klänge bietet. Die Sängerin schlägt Akkorde auf der akustischen Gitarre. Eine echte Bereicherung ist Usch Bierlein, die für einige Stücke eine weitere Harmoniestimme singt. In gewisser Weise ist die Duobesetzung auch eine Rückkehr zu den Wurzeln der schwäbischen Sängerin. Mit Folk hat Anne Haigis einst angefangen, dann wurde sie von dem Jazz-Pianisten Wolfgang Dauner entdeckt, machte jazzige Stücke, und 1979 gewann sie den Nachwuchspreis der Phonoakademie für Jazz. Im folgenden Jahrzehnt widmete sich Haigis mit recht großem Erfolg dem Deutschrock. In den neunziger Jahren hielt sich die Sängerin in den USA auf, wo sie mit Größen wie Melissa Etheridge, Eric Burdon und Nils Lofgren arbeitete. Jetzt singt Haigis ihre Lieblingsstücke. „Kind der Sterne“ ist wohl ihre bekannteste Ballade, die kam auch schon früh im Programm. Das 1989 erschienene Album „Indigo“ sei ihr Lieblingsalbum, sagte sie den Zuhörern im Capitol. Und so gab es noch ein paar mehr Stücke daraus. „Nur ein paar Tage“ erzählt von einer doch nicht so ganz überwundenen Trennung. Etwas unheimlich ist „Nacht aus Glas“, ein Text von Trude Herr, den sie kurz vor ihrem Tod geschrieben hat auf die Melodie von „Sorry seems to be the hardest word“. Neu im Programm ist ein Song des italienischen Sängers Zucchero, nämlich „Un soffio caldo“. Wie Haigis erklärte, hat sie Zucchero live gehört und ist seither großer Fan. Der Song, den er geschrieben hat, handelt von der Freiheit, die er in seiner Heimat, der Toskana, lebt und atmet. Und dass wir auch hierzulande in Freiheit leben, solle man sich ab und zu bewusst machen, meint die Sängerin. Ganz oben auf der Liste ihrer Lieblingslieder steht „Waltzing Mathilda“, ein Stück, das Tom Waits beruhend auf einem australischen Traditional geschrieben hat. Die Stimme der Sängerin ist mit der Zeit etwas dunkler und markanter geworden. Das schadet gar nichts – im Gegenteil, es klingt noch markanter und typischer. Das Konzert hätte ein paar mehr Zuhörer verdient gehabt. Wer da war, bekam aber einen gelungenen Abend mit viel Atmosphäre und guten Songs aus der gut 40 Jahre währenden Karriere der Sängerin.

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