Ludwigshafen Mystisches Müsli

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„De Weeschwie’sch-Män“ hat Chako Habekost sein neues Programm in gewohnter semantischer Vieldeutigkeit betitelt. Pfälzischer Zweifel ist hier gepaart mit Superman, was im Programm aber keine weitere Rolle spielt. Dort tauchen alte Bekannte wie der Prediger und der Weinfest-Pfälzer auf. Neuerdings schlüpft Chako auch in die Rolle von zwei Zuschauern und greift zeitgeistiges Genörgel an Satire auf. Die Premiere im Mannheimer Capitol zeigte einen Chako, der Neues probiert, sich dabei aber manchmal selber ausbremst.

Die Zeiten sind schwierig geworden, auch für Kabarettisten und Comedians. Was darf man sagen? Was muss man sagen? Was sagt man besser nicht? Und wie bleibt man bei dem ganzen Elend unterhaltsam und lustig? Der Künstler Christian Habekost stellt sich diese Fragen. Und er setzt sich mit den Themen der Zeit auseinander, denkt über seine Rolle nach. Im neuen Programm treten Figuren auf, die diese widersprüchlichen Ansprüche personifizieren. Da ist der eine, der spricht Hochdeutsch, gibt sich anspruchsvoll, fordert Relevanz – aber bitte politisch korrekt. Der andere will Spaß haben, spricht breites Pfälzisch, ein „Olwer-Dolwer“, der eigentlich nicht doof ist, aber genervt vom zwanghaften Differenzieren, Abwägen, Hinterfragen. Er erstere degustiert achtelweise, der letztere hat „Dorscht“ schoppenweise. Es ist schon ziemlich clever, den Konflikt der Ansprüche so anschaulich auf die Bühne zu bringen. Es wird auch viel gelacht im Publikum, vermutlich kennt jeder einen ähnlichen Typ Mensch, wie von Chako karikiert – oder erlebt womöglich einen Moment der Selbsterkenntnis? Es gibt auch Szenen, die sind einfach lustig: Wenn der „Frieher hott’s des net gewwe“-Alte mit den Tücken moderner, sensorgesteuerter Sanitärtechnik kämpft, ist das erzählter Slapstick, und die Zuschauer lachen Tränen. Leicht verdauliche Zeitgeistkritik bringt Chako zum sogenannten „Superfood“. Körnchen und Beerchen, die um die halbe Erde geflogen den Bewusst-Essern Superkräfte geben sollen. Hier lässt der Künstler seiner Fantasie freien Lauf und treibt den Glauben an mystisches Müsli ins Absurde. Alles Quatsch und der heimische Leinsamen ist preiswert und gesund, fast Chako zusammen. Mehr zu kauen haben Kabarettisten an den Themen Ausländer, Flüchtlinge, Religion und Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter. Aber irgendwie muss das ins Programm – nicht nur weil der politisch korrekte Kabarettgänger das erwartet. Chako will auch etwas dazu sagen. Mehrmals im Programm kommen entsprechende Szenen und in der Gesamtschau wirkt das, als seien es mehrere Anläufe, um die hoch gelegte Latte der aufgetürmten Ansprüche zu überspringen. Es gibt Gags, die sind kurz und gut: „Negerkuss? Nä, des sag isch net! Nie!“ - „Ach? Und was sagen sie stattdessen?“ - „Mohrekopp.“ Stellenweise versucht Chako den Hürdenlauf auf Zehenspitzen. Da vermeidet er das, was er „M-Wort“ nennt, bis ihm der „Moslem“ doch absichtlich-unabsichtlich herausrutscht. Darf man mit und über Moslems Witze machen? „Als Tucholsky um 1920 behauptet hat, Satire darf alles, da hat er nicht geahnt, was auf Satire noch alles zukommt“, sagt Chako an anderer Stelle. Und was darf Chako im Jahr 2016? An manchen heiklen Stellen wirkt der Comedian, als würde er sich bremsen, als wäre da noch mehr, aber das will er nicht rauslassen. Einmal lehnt er sich weit aus dem Fenster: Leute, die nach Deutschland kommen, unter sich bleiben, nur ihre Sprache sprechen und in Deutschland alles schlecht finden – die sollten doch lieber zu Hause bleiben, sagt Chako klar und deutlich. Das Publikum nimmt das zur Kenntnis, eine auffällige Reaktion gibt es nicht. Vielleicht auch deshalb, weil die Pfälzer von Natur aus cool sind, wie Chako meint. Lobeshymnen auf Pfalz und Pfälzer gibt es reichlich und nicht nur als Häppchen, sondern vom Ausmaß einer original Schlachtplatte „mit allem“. Das mundet dem Publikum. Ob Chakos Schilderung der wundervollen Pfälzer Heimat beschreibend oder beschwörend ist, darüber kann man streiten. Seine selbstironische Beschreibung als „Lokalpatri(di)ot“ trifft immer noch zu. Die Verbrüderung mit den Pfälzern ist so etwas wie der rote Faden des Abends. Wenn Chako „Weeschwie`sch män?“ ruft, schallt es „Ajoo!“ aus dem Saal.

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