Ludwigshafen Pflegenotstand verschärft sich weiter

Bis 2035 soll die Anzahl der Pflegebedürftigen um 40 Prozent steigen.
Bis 2035 soll die Anzahl der Pflegebedürftigen um 40 Prozent steigen.

Die Menschen in Ludwigshafen werden immer älter. Mehr und mehr Senioren benötigen Pflege. Dem Thema Altenpflegenotstand in der Stadt hat sich am Dienstag ein öffentliches Symposium in der Anna-Freud-Schule in Süd gewidmet.

Die berufsbildende Schule möchte künftig eine staatliche Fachschul-Ausbildung im Bereich Pflege anbieten. Bislang gibt es nur private Angebote von unterschiedlichen Trägern wie beispielsweise der Caritas. Fast 100 interessierte Bürger, darunter zahlreiche Schüler und Lehrer der Schule, verfolgten die Podiumsdiskussion. Schulleiter Detlef Krammes, Tobias Ferber, Vorsitzender von Balu (der Vertretung ambulanter Einrichtungen in Ludwigshafen), CDU-Stadtratsfraktionschef Peter Uebel, SPD-Landtagsabgeordnete Anke Simon und Süd-Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) beleuchteten die Lage aus unterschiedlichen Perspektiven. „Pflege ist ein wunderschöner Beruf, weil er mit Menschen zu tun hat. Man erfährt Dankbarkeit“, betonte Uebel, der als Internist Einblick in den Alltag von Pflegenden und Pflegebedürftigen hat. „Ich habe seit drei Jahren meine Mutter zu Hause“, berichtete Simon persönlich die Sicht von pflegenden Angehörigen. Ferber wies auf die großen Belastungen in Pflegeberufen hin und berichtet über die Schwierigkeiten, Personal zu finden. Er unterstützte Krammes Anliegen, an der Anna-Freud-Schule eine staatliche Fachschulausbildung in diesem Bereich einzurichten. „Wir können es uns nicht leisten, darauf zu verzichten“, meinte Heller. „Wenn wir selbst ausbilden, laufen sie nicht so schnell weg“, berichtet er aus seinem Alltag als Malermeister und Arbeitgeber. „In Ludwigshafen fehlt momentan in den stationären und ambulanten Einrichtungen gut ausgebildetes Pflegepersonal in einem noch stärkeren Maße als in anderen Oberzentren“, sagte Krammes. Die Stadt besitze anders als Mainz, Koblenz, Trier und Kaiserslautern keine eigene staatliche Fachschulausbildung in diesem Bereich. Auch etliche Mittel- und Unterzentren wie Worms, Germersheim und Annweiler seien besser aufgestellt. Bis 2035 werde sich die Lage weiter verschärfen. Um etwa 40 Prozent, um 45.600 auf 162.000, soll die Zahl der Pflegebedürftigen in Rheinland-Pfalz steigen. Bis 2060 rechnet das Statistische Landesamt sogar mit 90 Prozent mehr Pflegebedürftigen. „Es ist unverantwortlich, sich darauf zu verlassen, dass weiterhin das Land Baden-Württemberg für Ludwigshafen mit ausbildet“, meinte Krammes. Das sei bei den steigenden Zahlen an Pflegebedürftigen sowie bildungs- und sozialpolitisch gegenüber den alten Menschen in der Stadt und in der Region unverantwortlich, so der Schulleiter. „Das Absaugen von Fachkräften aus Drittstaaten, ist auch kein freundlicher Akt diesen Ländern gegenüber“, meinte er. Hinzu komme, dass neben den erforderlichen Qualifikationen für Menschen aus Polen, Bulgarien oder Rumänien wie Deutschkurse und Fortbildungen auch Wohnungen, Kita- und Schulplätze für die Familien der Arbeitskräfte bereitgehalten werden müssten, die teurer kämen als die Einrichtung des neuen Schulzweigs. Krammes bedauerte, dass Ludwigshafen und das Land Rheinland-Pfalz es bisher nicht geschafft hätten, ein Pflege-Modellprojekt für interessierte Migrationsjugendliche einzurichten, die die Anna-Freud-Schule besuchen. Nordrhein-Westfalen sei mit einem ähnlichen Projekt mit EU-Mitteln und der Bundesagentur für Arbeit vorangeschritten. Raumprobleme und der marode Zustand des Schulgebäudes seien Gründe für die Ablehnung gewesen. „Die Baracke auf dem Hof ist eine Schande“, meinte Raik Dreher (Grüne) in der lebhaften Debatte. Mehr Infos über die Pflegeberufe fordert eine Schülerin. „Wir machen genug Werbung“, lautete die Antwort. „Ich hatte von dem Beruf Heilerziehungspflegerin vor dem Abitur noch nie gehört“, widersprach Jessica Müller aus Mannheim, die eine entsprechende Ausbildung gerade absolviert. „Warum werden wir nicht gefragt?“, wunderte sich Julia Becker aus der gleichen Klasse über den Verlauf der Veranstaltung. Sie ist aus Köln nach Ludwigshafen gezogen wegen der dualen Ausbildungsmöglichkeit an der Anna-Freud-Schule. „Die reden über uns, nicht mit uns“, beschwert sich auch Klassenkameradin Stephanie Kiefer. Fazit des Abends: Es gibt viel Redebedarf und die Notwendigkeit zu handeln.

Diskutierten über die Lage: Tobias Ferber (Balu), Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU), Schülerin Julia Becker sowie die Politik
Diskutierten über die Lage: Tobias Ferber (Balu), Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU), Schülerin Julia Becker sowie die Politiker Peter Uebel (CDU) und Anke Simon (SPD).
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