Ludwigshafen Rauchen für die Revolution

Wolfgang Schmitter, JosefinLössl und Hans Georg Sütsch im neuen Kabarett-Theater der Mannheimer Dusche.
Wolfgang Schmitter, JosefinLössl und Hans Georg Sütsch im neuen Kabarett-Theater der Mannheimer Dusche.

Das Mannheimer Kabarett Dusche gedenkt der alten, auch schon fünf Jahrzehnte zurückliegenden Zeiten der Studentenrevolte. Wolfgang Marschalls neues Stück mit dem langen Titel „Children of the Revolution oder Die Avantgarde lässt grüßen – reloaded“ erlebte seine Uraufführung in der Klapsmühl.

Dass 1968 lange vorbei ist und die Zeiten sich wahrlich geändert haben, erkennt man schon, wenn man das Foyer der Kleinkunstbühne betritt. „Im Stück werden vier Zigaretten angeraucht“, informiert da ein Warnhinweis neben der Kasse. Undenkbar im Jahr ’68, in dem das Rauchen nicht allein im Namen der Kunstfreiheit auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum und Foyer erlaubt war. So voll von dicker Luft waren damals Bars und Kleinkunsttheater, dass man nicht selten nur wie durch einen Schleier wahrzunehmen vermochte, was nur ein paar Meter entfernt vor sich ging. Für eine getreue Darstellung jener Zeiten wie für den Handlungsverlauf von „Children of the Revolution“ sind „angerauchte“ Zigaretten jedenfalls unverzichtbar. Caroline, gespielt von Josefin Lössl, hat ihre alten WG-Genossen eingeladen: Klaus (Wolfgang Schmitter) und Fritz (Hans Georg Sütsch), mit denen sie in Studententagen jahrelang zusammenlebte. Heute stöhnen die beiden bereits, wenn sie die Treppen zu Caros Dachgeschosswohnung erklommen haben. Aber Klaus und Fritz sind nicht nur kurzatmiger (wegen des Rauchens) und 50 Jahre älter, sondern auch längst bürgerlich geworden. „Wir sind schon lange nicht mehr die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben“, stellt Fritz pointiert fest. „Wir sind inzwischen die, die wir nie werden wollten.“ Dabei hadern die beiden Ex-Revoluzzer keineswegs mit den eingeschlagenen Lebenswegen. Fritz ist ein erfolgreicher Anwalt, Klaus bereits zufriedener Pensionär. In Caros Wohnung stellen sie jedoch fest, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. „Da lebt wohl jemand ziemlich im Gestern“, bemerkt Fritz beim Anblick der Wohnungseinrichtung. Tatsächlich sieht hier alles so aus wie in den 1970er Jahren, vom Wählscheibentelefon über die großen Sitzsäcke in Orange bis zum Che-Guevara-Poster an der Wand und den Schriften von Adorno und Bloch im Bücherregal. Dass sich auf Caros Plattenteller T. Rex mit „Children of the Revolution“ dreht, versteht sich von selbst. Das kabarettistische Bühnenstück, das bis zum September im Spielplan bleibt, gefällt besonders durch die stimmige Ausstattung und die Kostüme von Claudia Seiler. Die Psychologin Caro, in einer langen Strickweste über dem Rock mit Batikmuster, hält bis heute unvermindert an den alten Idealen fest und hebt ihr Glas „auf den Kampf der niemals endet, bis es sich zum Guten wendet“. Von ihren Ex-Kommilitonen ist sie natürlich enttäuscht: „Was für erbärmliche Luftpumpen, damals waren diese Luschen meine Helden.“ Solange es darum geht, einvernehmlich in Erinnerungen zu schwelgen und die glorreiche Vergangenheit Revue passieren zu lassen, läuft die Retro-Fete. Das ändert sich, als Caro sich mit Migräne ins Bett zurückzieht und stattdessen „Daggi“ (ebenfalls Josefin Lössl) auftaucht, oder Fritz und Klaus mit ihren Zigaretten auf den Nachbarbalkon aschen und plötzlich Veteran Adolf Schmittke (Schmitter) und „der Verschwörer“ (Sütsch), zwei altbekannte Figuren im Dusche-Kosmos, erscheinen, und die Handlung sich in Alkoholrausch und Drogennebel allmählich verliert.

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