Ludwigshafen Rettungsanker für Mädchenwerkstatt

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Eigentlich hätte sich Hans Jürgen Flörchinger, Geschäftsführer des Zentrums für Arbeit und Bildung in Frankenthal, für seinen ungeplanten Auftritt beim Pressegespräch von Mädchenwerkstatt und Koordinierungsstelle (KOM) gestern Nachmittag als Weihnachtsmann verkleiden müssen. Denn die überraschenden Nachrichten, die der Chef des Trägers beider Einrichtungen mitgebracht hatte, ließen die Mädchen und Frauen strahlen. Sie wollten die Öffentlichkeit traurig und enttäuscht darüber informieren, dass die erfolgreichen Projekte im neuen Jahr nicht mehr fortgesetzt werden können. Denn die bisherigen Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds stehen nicht mehr zur Verfügung. Daran hat sich auch nichts geändert. Aber gestern habe das Mainzer Arbeitsministerium ihm mündlich zugesagt, das Geld – rund 380.000 Euro – im neuen Jahr aus Landesmitteln beizusteuern und damit die Zukunft der Projekte für immerhin weitere zwölf Monate zu sichern, wie Flörchinger erleichtert berichtete. Schon im kommenden Frühjahr soll dann darüber diskutiert werden, wie Mädchenwerkstatt und KOM auch nach 2015 und wieder mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds weiterarbeiten können. Die mündliche Zusage wertete Flörchinger als „tollen Schritt“. In Ludwigshafen gebe es einen ständigen Zuzug von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund, für die etwas gemacht werden müsse. Dafür seien die beiden Projekte für Mädchen und Frauen unverzichtbar. Über die drohende Schließung habe er das Dezernat von Bürgermeister Wolfgang van Vliet (SPD) und die Ludwigshafener Landtagsabgeordneten längst informiert. Viele hätten versucht, das Ruder noch rumzureißen. Er sei froh über die befristete Rettung in letzter Sekunde, sagte Flörchinger. Irritiert zeigten sich davon indes Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) und Stadträtin Sabine Gerassimatos (Linke), die erst am Dienstag vom drohenden Aus für Mädchenwerkstatt und KOM erfahren hatten. Die städtischen Gremien hätten darüber nicht informiert. Beide betonten, dass die Ludwigshafener Zuschüsse für die Einrichtungen in den entsprechenden Ausschüssen längst genehmigt worden seien und die Projekte unbedingt in der Stadt gebraucht werden. Das sei auch politischer Wille, bekräftigte Heller: „Ihre Zukunft ist uns ganz wichtig.“ Was Mädchenwerkstatt und KOM in den vergangenen zehn Jahren bewirkt haben, davon erzählten eindrucksvoll Mädchen und Frauen. Wie zum Beispiel die 21-jährige Setareh aus dem Iran. Sie sei ohne Deutschkenntnisse Anfang 2009 hier angekommen, habe mit Hilfe der Mädchenwerkstatt schnell die Sprache gelernt, nach dem Hauptschulabschluss auch die Mittlere Reife geschafft und sei jetzt gerade dabei, ihr Fachabitur zu machen. Oder die 16-jährige Triva, die von den Mitarbeiterinnen der Mädchenwerkstatt schon lange beim Lernen unterstützt wird – „alleine zu Hause, das mag ich nicht“ – und eine Ausbildung zur Bäckereiverkäuferin macht. Eine junge Frau aus Nigeria berichtete, dass sie derzeit täglich darauf wartet, dass ihr Medizinstudium, das sie in der afrikanischen Heimat absolviert habe, hier anerkannt wird, damit sie wieder als Kinderärztin arbeiten kann. Bei den Formalitäten hätten ihr die KOM-Mitarbeiterinnen sehr geholfen. Außerdem haben sie der Mutter eines Kleinkindes ein Praktikum in einer Arztpraxis vermittelt und sie darin bestärkt, dass auch eine Frau mit kleinem Kind berufstätig sein kann. Wie eine weitere junge Frau aus Syrien schilderte, habe sie durch KOM in ihrer neuen Heimat Deutschland endlich wieder eine berufliche Perspektive. Zwar werde ihr Jurastudium hier nicht anerkannt. Aber sie mache derzeit eine Ausbildung als Pharmazeutisch Technische Assistentin.

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