Ludwigshafen Sanfte Jazzlegende

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Beim Festival Enjoy Jazz war Lee Konitz mit schöner Regelmäßigkeit zu Gast, sei es mit seinem New Nonett oder in kleineren Besetzungen. Jetzt spielte der Altmeister des Altsaxophons im Duo mit dem Pianisten Florian Weber im Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus. Es wurde ein wunderbarer Auftritt, der am Ende vom Publikum mit stehendem Applaus goutiert wurde.

Erst kürzlich hat Konitz seinen 88. Geburtstag gefeiert, das ist schier unglaublich, wenn man ihn spielen hört. Ein wahrer Jungbrunnen ist seine Tongebung, schmiegsam und wunderbar blühend. Der freundliche alte Herr ist eine Jazzlegende. In der Band von Miles Davis erlebte Konitz seinen Durchbruch, 1950 mit dem Album „Birth of the Cool“, das dem neuen Stil den Namen gab. Der Cool-Jazz wurde zu seinem Stil, wenig später in der Band von Lennie Tristano. Nicht den wilden Feuerstrom des Bebop blies Konitz also aus seinem Altsaxophon, sondern bevorzugte die feine, unaufgeregte Spielweise, die lässige Eleganz, die für den Cool-Jazz stilbildend waren. Diesen einzigartigen Ton, der auch Miles Davis auf Anhieb so faszinierte, hat sich Konitz bis heute bewahrt: ein unerhört sanglicher Ton, wachsweich gleitend in der lyrischen Abgeklärtheit. Aus dieser Abgeklärtheit entwickelt er eine überraschende Intensität, die Herzen aufgehen lässt. Ein paar Standards hatten Konitz und Weber ausgesucht, Evergreens wie „All the things your are“. Dass die alten Stücke keineswegs abgenudelt klangen, adelt diese Duokunst umso mehr. Ein verschlungenes Piano-Intro führte in fantasiereiche Improvisationen über die Harmonien, wobei das Thema selber erst spät, nach vielen durchlaufenen Chorussen aufschien. Wie sehr seine Saxophonsoli im Gesang verwurzelt sind, hört man in der sehr sanglichen Phrasenbildung von Konitz und in ebensolchem Ausdruck. Und man hörte es dann, wenn er zwischen seinen Soli vokal weiter machte. In entspanntem Scatting legte er dann mit einem brabbelnden Singsang nach, der ihm gleichfalls aus dem Herzen kam, mit seinem schönen Instrumentalton indes nicht mithalten konnte. Aber das passte zu seiner locker-jovialen Art, den Abend zu gestalten. Welche Standards man spielt, entschied Konitz spontan und ermutigte auch das Publikum, sich etwas zu wünschen. Rein akustisch, ohne Verstärkung spielten die beiden und das gab den Songs eine noch größere Intimität. Mit unwiderstehlich samtigem Ton ließ der Altsaxophonist die Melodien blühen: ein abgeklärtes Spiel von altersweiser Meisterschaft mit einer Patina aus leiser Nostalgie und Sehnsucht. Auch lockerer Spielwitz mischte sich immer wieder hinein, der von Pianist Florian Weber nur zu gerne aufgegriffen wurde zum Beispiel in kleinen Frage-und-Antwort-Duellen. Florian Weber umrankte Konitz’ Spiel mit quirligen Kapriolen, exquisiten Harmonien oder Dissonanzen im Stile eines Thelonious Monk. Wahrheit und Schönheit strebt Konitz in seiner Kunst an. Wahrheit erreicht er durch die Expression seines Spiels. Gefällige Glätte kennt dieses nicht. Klangliche und melodische Schönheit einte er mit einer Hymnik, die alle Jazzheiligen im Himmel selig lächeln ließ.

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