Ludwigshafen Sehnsuchtsstadt Paris

Chanson und neoklassisches Ballett passen gut zusammen und bilden eine Mischung, die anrührt und gefällt.

Es war ein Abend der Erinnerung. Er führte in das Paris der 1950er und 1960er Jahre, als das französische Chanson seine hohe Zeit erlebte. Es ist eng mit der Stadt Paris und dem Lebensgefühl jener Jahre verbunden. Auch Jacques Brel, der jüngste der großen Chansonniers, feierte hier seine Erfolge, wenn er auch stimmungsmäßig mehr seiner flämischen Heimat verbunden war. Für die überwältigende Mehrheit der Zuschauer im Theater im Pfalzbau war der Abend eine nostalgische Rückkehr in ihre Jugend.

Das französische Chanson gibt es nicht mehr. Es ist heute ein Kulturgut, das immer weniger Menschen kennen. Zu seinem Wesen gehört - neben dem Charme von Paris, den es so auch nicht mehr gibt, und dem unverwüstlichen Thema Liebe - dass sich der Sänger biografisch intensiv einbringt. Dies macht das Chanson zu einem Bühnenthema, das mit der Gestalt von Edith Piaf wiederholt erfolgreich aufgegriffen wurde. Ihr Leben war wie ein Roman. In einem Milieu aufgewachsen, das von Armut, Gewalt und Alkoholismus geprägt war, begann sie als 15-Jährige, sich in Paris als Straßensängerin durchzuschlagen. Sie wurde berühmt. Ihr von Höhen und Tiefen zerrissenes Leben endete mit nur 47 Jahren.

Eine Ahnung davon vermittelt Ben van Cauwenberghs Choreografie, wenn das schwarz gekleidete Persönchen (Judit Szalai) in Pirouetten und Fouettés ihren Geliebten umtanzt, einen Boxer, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. In der Grundstruktur treten biografische Aspekte jedoch hinter einem chronologischen Nummernballett zurück. Die Ballettauftritte - Solos, Duos, Ensemble - werden durch einen Conférencier verbunden. Heute würde man ihn Moderator oder Erzähler nennen. Er ist als Clochard Jef einem Chanson von Jacques Brel entstiegen; die Nummern sind Stationen seiner Erinnerung.

Károly Rupnik, der ihn spielt, ist ein Allroundtalent. Gemütvoll erzählt er von den alten Zeiten, stimmt auch selbst ein Chanson an (wie zu sich selbst sprechend und ohne Ballett), lässt schalkhaft den Entertainer aufblitzen, wird zum Schluss in das Tanzgeschehen einbezogen. Er ist die Stimme der Melancholie, die trotz ausgelassener Passagen voller Lebensfreude den Abend wie ein Leitmotiv durchzieht.

Da liegt ein eleganter Strohhut. Jef setzt ihn auf und wird für den Moment einer Liebeserklärung an Paris zum Grandseigneur Maurice Chevalier. Bühnenbildner Dmitrij Simkin setzt Parismotive auf zwei gestaffelten transparenten Projektionsflächen zu nostalgischen Sehnsuchtsbildern zusammen. Außerdem gibt es noch bunte funktionslose Regenschirme, und ein mitspielendes Klavier wird über die Bühne geschoben.

Ben van Cauwenbergh war von 1992 bis 2004 Ballettdirektor in Wiesbaden. Seine Choreografie überzeugt mehr durch anmutigen tänzerischen Fluss und ansprechenden Gefühlsausdruck als durch Innovation. Immer wieder die Liebe in klassischen Duetten: Edith Piaf und ihr Boxer, Gilbert Bécaud und die rot gewandete Nathalie, seine Stadtführerin in Moskau, Jacques Brel, dem sich vor Begeisterung die Welt auf den Kopf stellt, als seine Mathilde zurückkommt. Bálint Sebestyén tanzt Gilbert Bécaud in mehreren ausdrucksvollen Facetten. Jacques Brel ist aufgespalten in Balázs Pátkai und zwei explosive Männerauftritte, ein Solo und ein Duo, aus dem Ensemble.

Den biografisch gefärbten Rollen der Solisten ist das Ensemble nicht nur illustrierender Chor, wie der Russentanz der Männer in

x