Ludwigshafen „Sehr gut funktionierendes Netzwerk“

Sie sind die Türöffner für Integration: Menschen, die sich in Ludwigshafen ehrenamtlich bei der Flüchtlingshilfe einbringen. Für sie öffnen wir im „Adventskalender“ täglich ein Türchen. Heute stellen wir Reinhard Herzog (69) vor.

In den Nachrichten flimmern nahezu täglich Bilder von chaotischen Zuständen bei der Unterbringung von Flüchtlingen über den Bildschirm. In Ludwigshafen hingegen gibt es kein Chaos. Grund: Der Katastrophenschutz hat die Regie bei der Unterbringung der Menschen übernommen, die jede Woche aus den Erstaufnahmeeinrichtungen mit Bussen nach Ludwigshafen gefahren werden. Rund 1400 Menschen werden es bis Jahresende sein. „Im Katastrophenschutz sind wir keine Einzelkämpfer, sondern wir haben hier ein sehr gut funktionierendes Netzwerk“, sagt Reinhard Herzog. Die Neuankömmlinge werden auf sogenannte SOS-Unterkünfte verteilt – Massenquartiere in Leichtbauhallen. Familien kommen meist in Wohnungen oder Asylbewerberheimen unter. In den SOS-Hallen landen überwiegend alleinreisende Männer, bis besserer Wohnraum zur Verfügung steht. Ein Bauprogramm für Einfach-Häuser soll dafür sorgen. Die Notunterkünfte stehen unter der Leitung des Katastrophenschutzes Ludwigshafen, den Feuerwehrchef Peter Friedrich leitet. Jeden Donnerstag treffen sich die Verantwortlichen der Berufsfeuerwehr, von Sanitäts- und Rettungsdiensten, der Polizei und des Gesundheitsamts, der Stadtverwaltung und der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Mit am Tisch sitzt Reinhard Herzog. Der pensionierte Chemiker ist ehrenamtlicher Notfallseelsorger und stellvertretender Leiter des zwölfköpfigen PSNV-Teams. Zu seinem Job als Notfallseelsorger gehört es, nach Unfällen Todesnachrichten an die Angehörigen zu überbringen oder die Opfer von Katastrophen wie der Gasexplosion in Edigheim zu betreuen. Herzog kümmert sich nun auch um die Betreuung von Flüchtlingen in den SOS-Unterkünften der Stadt. Zwei winterfeste Hallen für jeweils 120 Menschen stehen mittlerweile auf dem Messplatz. Fünf weitere Hallen sollen im neuen Jahr dazu kommen. Der ehemalige Aniliner hat eine Hausordnung mitentworfen – Regeln für ein friedliches Zusammenleben in den Massenunterkünften. Die Hinweise sind mehrsprachig und mit Piktogrammen versehen, die jeder versteht – beispielsweise das Rauchverbot in der Halle. Auch für die Hausmeister, Sanitätsdienste und Sicherheitsleute vor Ort gibt es klare Regeln und Ansprechpartner. Herzog ist oft in den Unterkünften, redet mit den Flüchtlingen und versucht so, Konflikte frühzeitig zu entschärfen. Die Bewohner wählen Sprecher nach Nationen, die dann Anliegen vortragen. „Das ist kein Hexenwerk. Es geht darum, Probleme zu lösen und die Menschen ernstzunehmen“, sagt der 69-Jährige, der in Graz geboren wurde und in Friesenheim lebt. Den österreichischen Akzent hat er behalten, obwohl er seit über 40 Jahren in Ludwigshafen zu Hause ist. Oft gilt es, ganz praktische Probleme zu lösen: Herzog hat einem Mann, der kein Deutsch konnte und Kopfschmerzen hatte, nach einem Blick in dessen Mund einen Zahnarztbesuch organisiert. Ein fauler Zahn wurde gezogen, der Schmerz war weg. Ein anderer Flüchtling fiel ihm auf, weil er sehr bedrückt wirkte. Mithilfe eines Dolmetschers fand Herzog heraus, dass die kranke Frau des Mannes in einer Unterkunft in der Südpfalz gelandet war. In Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde gelang es, den Mann noch vor der Registrierung zu seiner Frau zu bringen, wo er bleiben konnte. Es sind solche kleinen Momente, die Herzog in seiner Arbeit bestätigen: „Wir lösen die Probleme gemeinsam. Für unsere Gesellschaft ist es besser, wenn wir alle respektvoll miteinander umgehen. “ Da hört man den Politiker Herzog heraus. Seit 1990 ist er CDU-Mitglied, sitzt mittlerweile zum dritten Mal im Stadtrat und im Ortsbeirat. Zur Debatte in der Union um den Umgang mit der Flüchtlingskrise hat der 69-Jährige eine klare Meinung: „Ich bin Merkelianer. Natürlich schaffen wir das – wenn wir es wollen. Wir brauchen uns nicht ins Hemd zu machen, wenn mal etwas nicht klappt.“ In Ludwigshafen läuft es laut Herzog dank der Arbeit des Katastrophenschutzes prima. Und er schiebt lachend hinterher: „Für mich ist der Umgang mit Flüchtlingen eine Bereicherung und keine Katastrophe.“ (Foto: Kunz)

x