Ludwigshafen Sie will doch nur spielen

Ludwigshafen. Jule Polsz gehört in der Handball-Pfalzauswahl des Jahrgangs 2001 zu den Leistungsträgerinnen. Vor Kurzem ist die am Freitag 13 Jahre alt werdende Handballerin vom TV Schifferstadt zur TSG Friesenheim gewechselt. Sie träumt davon, Bundesligaspielerin zu werden.

Bis dahin hatte Jule Polsz eigentlich zwei Zuhause. Das eine Zuhause war die Wohnung in Schifferstadt, in der sie zumindest aß, schlief und Hausaufgaben machte. Das andere Zuhause war die Schifferstadter Trainingshalle, wo sie eigentlich immer dann war, wenn sie gerade nicht aß, schlief oder Hausaufgaben machte – also ziemlich oft. Polsz spielte nämlich teilweise parallel in bis zu fünf Mannschaften. Und in jeder Mannschaft, in der sie spielte, musste sie ja vor der Partie zumindest einmal mittrainieren. Polsz hätte vermutlich auch noch in einer sechsten, siebten oder zwölften Mannschaft geholfen, so gerne spielt sie. „Manchmal haben wir schon gewitzelt, ob wir ihr nicht ein Bett in die Halle stellen sollen“, erzählt ihre Mutter Maria. Manchmal, sagt Maria Polsz, wenn es ihr zu viel wurde, habe sie ihre Tochter bremsen müssen. Aber sie hat großes Verständnis für die Handballlust ihrer Tochter – und wenn sie ganz ehrlich ist, sogar in diesen Manchmal-Momenten. Sie weiß, dass Jule im Sport aufgeht. Sie weiß, was der Sport Jule bedeutet. Und sie weiß, dass Jule dadurch ausgeglichener ist, weil sie ihr Temperament auf dem Handballfeld ausleben kann. Ist das Talent in der Halle, sind eigentlich alle glücklich – zumindest fast alle. Denn wenn Polsz bei den Schifferstadter Jungs mitspielte, führte das zu zwei Problemen. Zu Problemen bei den Gegnern, die nicht wussten, wie sie mit einem Mädchen als Kontrahentin umgehen sollten und sie oft unbedrängt werfen ließen. Und zu Problemen bei so manchem Mitspieler, der nicht so gut damit klar kam, dass ein Mädchen genauso viele oder sogar mehr Treffer erzielte als er. „Bei den Jungs war es eigentlich einfacher“, erzählt Polsz locker-flockig von ihren Erfahrungen, als ginge es darum, zu erörtern, ob die grünen oder die roten Gummibärchen besser schmecken. Bei den Mädchen hatte sie nämlich oft zwei Gegenspielerinnen. Manchmal sogar drei. „Das hat dann keinen Spaß mehr gemacht“, sagt die Schülerin der Integrierten Gesamtschule Mutterstadt. Sie wusste, dass sie, um sich weiterzuentwickeln, zur TSG Friesenheim, die eine Klasse höher in der Oberliga spielen, gehen musste. Sie wusste aber auch, dass ihr der Schritt zu gehen, sehr schwer fallen würde – schließlich war (und ist) der TV Schifferstadt ihre Handballfamilie. Polsz brauchte fast ein halbes Jahr, um sich zum Wechsel durchzuringen. Doch wer in der Pfalzauswahl spielt, wer – wie Polsz zuletzt – bei einem Turnier knapp 40 Prozent der Tore der Pfalzauswahl wirft, wer davon träumt, mal in der Bundesliga und sogar in der Nationalmannschaft zu spielen, der darf sich nicht von Emotionen aufhalten lassen. Der muss den nächsten Schritt gehen. „Jule hat sich zuletzt enorm entwickelt“, sagt Maria Polsz. Die Linkshänderin, die am liebsten im Rückraum spielt, ist dem TV Schifferstadt, der C-Jugend-Pfalzliga entwachsen. Zum Handball ist Jule Polsz eher zufällig gekommen. In der Grundschule musste jedes Kind mindestens eine Arbeitsgemeinschaft besuchen. Polsz ging zum Tanzen und zum Handball. Beim Tanzen war sie ganz gut. Beim Handball war sie ziemlich gut. Wenn die Jungs sie bei Spielen wie Völkerball versuchten abzuwerfen, fing sie die Bälle. Meistens zumindest. Weil sie aber schon im Turnverein war – Turnen ist die Sportart in der Familie, ihr Großvater war Leistungsturner – dauerte es noch ein bisschen, bis sie sich breitschlagen ließ, ins Handballtraining zu gehen. Da konnte man noch so oft auf sie einreden. Im Endeffekt entschloss sie sich hinzugehen, weil ein Schulfreund sie überredete. Und vom ersten Mal an war Handball dann plötzlich viel toller als Turnen. Polsz ist ein sehr lebhaftes Kind, sprüht vor Energie, lacht viel, plappert meistens wild drauflos. Ihr Akku scheint immer voll zu sein. Vermutlich hat sie selbst am Ende einer harten Trainingseinheit noch Lust, weiterzumachen, will den Ball nicht weglegen. „Ich will einfach immer spielen“, sagt Polsz. Egal mit wem, egal wie und egal wo.

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