Ludwigshafen Sogar der Teufel hat seine Hände im Spiel

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Zum letzten Mal in dieser Spielzeit hat im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau „Wort und Wein“, die Gesprächsrunde bei einem edlen Tropfen, stattgefunden. Diesmal ging es um die jüdische Weintradition, und die Besucher durften koscheren Wein probieren.

„Ich danke dem Schöpfer in der Höh’, / Der durch sein großes Werde / Die Austern erschaffen in der See / Und den Rheinwein auf der Erde!“ So dichtete Heinrich Heine in „Deutschland. Ein Wintermärchen“, als er ein Diner in einem Hamburger Feinschmeckerlokal besang. Die darauf folgenden Verse trug der Wiesbadener Schauspieler Uwe Kraus leider nicht mehr vor. Sie lauten: „Der Rheinwein stimmt mich immer weich, / Und löst jedwedes Zerwürfnis / In meiner Brust, entzündet darin / Der Menschenliebe Bedürfnis.“ Vielleicht ließ der Rezitator die Verse deswegen weg, weil sie nur eine Seite der Wirkung des Weins, die versöhnlich stimmende, hervorheben. Alte rabbinische Auslegungen der Heiligen Schrift jedenfalls warnen vor dem übermäßigen Genuss des berauschenden Getränks und meinen, Satan habe seine Hand im Spiel gehabt, als der erste Wein angebaut wurde. Der Hochschätzung des Weins im Judentum hat seine teuflische Seite freilich keinen Abbruch getan. Das Volk Israel habe die Kunst des Weinbaus wohl aus der ägyptischen Sklaverei ins gelobte Land mitgenommen, sagte Hans Neu, Importeur koscherer Weine aus Frankreich, im Gespräch mit dem Intendanten Tilman Gersch. Sein Großonkel habe nach dem Krieg die Juden, die in der französischen Armee dienten, mit Wein beliefert. Als Kind sei er in leere Weinfässer gekrochen, um sie mit Bürsten zu schrubben, erinnerte sich der ältere Herr. Ursprünglich gelernter technischer Kaufmann, sei er dann eher durch Zufall ebenfalls zum Lieferanten französischer Weine geworden. Freunde in Berlin und Köln hätten für die Hochzeitsfeiern ihrer Töchter nämlich koscheren Wein gewünscht. Heute lebt Hans Neu bei Straßburg und unterhält eine Niederlassung seiner Firma in Deidesheim. Sehr gefragt sind seine Weine auch in Israel, wohin er große Lieferungen exportiert. Einen Unterschied im Geschmack zwischen koscherem und nicht-koscherem Wein werde selbst der Kenner nicht feststellen, sagte Hans Neu. Bei Proben zweier Rotweine und eines Weißweins, eines Beaujolais, eines Médoc und eines Chablis, konnten sich die Besucher im Pfalzbau von deren Wohlgeschmack überzeugen. Koscher, nach dem hebräischen Wort Kashrut für die Speisegesetze, bedeutet, dass die Weine von Juden nach jüdischen Reinheitsgesetzen hergestellt wurden. Dazu gehört es, dass die Fässer dreimal mit Wasser gefüllt und gereinigt werden müssen. Jüdischer Weinbau am Rhein lasse sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen, führte Susanne Urban, Geschäftsführerin des Vereins Schum-Städte in Worms, als weitere Gesprächspartnerin Gerschs aus. Schum ist aus den Anfangsbuchstaben der hebräischen Namen für Speyer, Worms und Mainz gebildet: Schpira, Warmaisa und Magenza. Die drei Städte bildeten im Mittelalter eine der Hochburgen jüdischer Gelehrsamkeit in Europa. Inzwischen gebe es nach der Vernichtung jüdischen Lebens durch die Nationalsozialisten hier wieder kleinere Gemeinden, deren Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion zugewandert seien, sagte Susanne Urban. Derzeit bereite ihr Verein ein Dossier vor, mit dem sich die Schum-Städte bei der Unesco in Paris bis 2020 um die Anerkennung als Weltkulturerbe bewerben wollen. Der Ursprung des Weinbaus ist im Nahen Osten vor rund 4000 Jahren zu suchen. Zu jeder jüdischen Feier gehört der Weingenuss. Zeugnisse für die Wertschätzung des Rebensaftes gibt es vom Hohelied Salomos über Heinrich Heine bis zu Kurt Tucholsky, die die Schauspieler Uwe Kraus und Evelyn Faber vom Hessischen Staatstheater in Wiesbaden vortrugen. Die Veranstaltung begleitete das Cello-Quartett der Ludwigshafener Musikschule. Die vier jungen Damen spielten unter anderem das wunderschöne „La Poesia“ von Saverio Mercadante. Aus Rücksicht auf den jüdischen Sabbath, der endet, wenn der dritte Abendstern aufgegangen ist, begann die Veranstaltung nicht wie gewohnt um 19.30 Uhr, sondern erst um 20.15 Uhr. Die Wartezeit verkürzte den Gästen die Gruppe De roode Pelikan mit Klezmer-Musik.

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