Mannheim Sommertheater: Wenn der Wahnsinn um sich greift

Szene aus der Mannheimer Inszenierung der „Komödie der Irrungen“: Antipholus (Konstantinos Gattos) verliebt sich Hals über Kopf
Szene aus der Mannheimer Inszenierung der »Komödie der Irrungen«: Antipholus (Konstantinos Gattos) verliebt sich Hals über Kopf in Luciana (Nele Kiau).

Für viele Freunde des klassischen Theaters ist es die Mutter aller Verwechslungskomödien. Auf dem Hof der Theaterakademie Mannheim im Felina Areal wurde das Stück „Die Komödie der Irrungen“ von William Shakespeare aufgeführt. Die Premiere war Auftakt für das Sommertheater, das bereits im zehnten Jahr von jungen Absolventen unter freiem Himmel in Szene gesetzt wird.

Shakespeare scheint sich bei den Studenten der Mannheimer Theaterakademie einiger Beliebtheit zu erfreuen. Schon im vergangenen Jahr hatten sie ein Stück des englischen Dramatikers als Auftakt ihres Sommertheaters auf die Bühne gebracht. Nun also die „Komödie der Irrungen“. Regie führte die Leiterin der Theaterakademie, Silvana Kraka. Das Format findet mittlerweile seit zehn Jahren an jenem Standort mit seinem subtilen Hauch von Industrieromantik statt.

Ein wenig Sorgen, bemerkte Kraka bei ihrer Begrüßung, habe sie sich schon gemacht und schaute dabei kurz nach oben: „Zum Glück hat es noch rechtzeitig aufgehört zu regnen“. Weder das Wetter noch die Europameisterschaft hatten das Publikum davon abgehalten, sich an diesem Abend für die Kunst von William Shakespeare anstatt der von Cristiano Ronaldo zu entscheiden. Sie ließen sich von den Schauspielstudenten des dritten, fünften und sechsten Semesters bestens unterhalten.

Im Stil einer Scharade

Es ist eine gute Tradition, dass die jungen Absolventen bei der Auswahl des neuen Sommerstücks ein Mitspracherecht haben. Komödie oder Tragödie? Das war hier die Frage, um es mit den Worten von William Shakespeare zu sagen, der sich in seinen Werken gerne Welten erschaffen hat, in denen nicht alles so ist wie das auf den ersten Blick erscheinen mag. Seine „Komödie der Irrungen“ ist ein Paradestück dafür. Ganz im Stil einer Scharade angelegt, baut die Handlung auf einer endlosen Spirale aus Verwechslungen auf, in der die Figuren langsam aber stetig versinken.

Kraka setzte bei der Inszenierung auf das bewährte Konzept, das auf der Körperlichkeit und Mimik ihrer jungen Darsteller und deren Interaktion mit dem Publikum gründet. Eingepflegt in eine Geschichte, in deren Mittelpunkt zwei nach der Geburt vertauschte Zwillingspaare stehen, die sich auf absurde Weise in der antiken Hafenstadt Ephesus treffen. Shakespeare bediente sich als Quelle der Inspiration bei einer Komödie des römischen Autors Plautus, um sie reich an Nuancen neu zu interpretieren. Eine Freiheit, die man sich auch an der Theaterakademie genommen hat.

Ein Hauch von Musical

Modern ist deren Version alleine schon im Sinne ihrer visuellen Interpretation. Nicht die Toga des alten Griechenlands war die Kleidung der Akteure, die stattdessen im schicken Anzug, Kleid und schrillen Clown-Kostüm von einem Fettnapf in den nächsten traten. Begleitet von einem Sound, den eine Band aus Studenten der Theaterakademie, aber auch die Darsteller selbst beisteuerten, die Songs der schwedischen Pop-Barden Abba sangen. Titel wie „Mama mia“, „SOS“ und „Voulez-Vous“ ließen einen Hauch von Musical in der Handlung aufblitzen.

Auch dieser Regie-Streich geriet dem Publikum wohl, das Antipholus aus Syrakus (Konstantinos Gattos) und seinem treuen, aber tollpatschigen Diener Dromio (Hanna Hettich) auf ihren Irrungen und Wirrungen folgte. Auf der Suche nach seinem Zwillingsbruder Antipholus aus Ephesus (Nico Weiland), der seit einem Bootsunglück, das die Geschwister als Kinder überlebten, als verschollen gilt, beginnen sich die Gäste zunehmend im Wahnsinn zu verstricken, dem offenbar die komplette Stadt anheim gefallen ist.

Die Wahrheit hinter dem Chaos

Wildfremde Damen laden den jungen Antipholus zum Abendessen ein, sein Diener Dromio macht plötzlich wie weiland Pippi Langstrumpf was er will, und als eine irrsinnige Zugabe kreuzen auch noch lichtscheue Gestalten seinen Weg und wollen ihr Geld zurück. Doch auch der Antipholus von Ephesus und sein Diener Dromio (Ally Gergen), der nicht nur genauso heißt wie der aus Syrakus, sondern seinem einst ebenso auf jenem Schiff vertauschten Zwillingsbruder wie ein Spiegelbild gleicht, geraten in den Sog der chaotischen Umstände. Sind womöglich gar magische Kräfte am Werk?

Auch die beiden Damen aus dem Hause des Antipholus in Ephesus, dessen Liebste Adriana (Paolina Krafczik) und deren Schwester Luciana (Nele Kiau), werden aus der Bahn geworfen, was in einer Sinfonie aus geschlechterübergreifenden Backpfeifen gipfelt. Bis der zugereiste Antipholus aus Syrakus endlich die Wahrheit hinter dem Chaos entdeckt, müssen alle beteiligten Personen noch eine Menge heikler Situationen überstehen und Prügel einstecken. Für das junge Ensemble, das in dem von Dialogen, Gesang und artistischen Einlagen reich geprägten Theaterstück aufging, ist so eine Inszenierung ein wichtiger Schritt in der schauspielerischen Entwicklung. Einer, der gelungen ist und mit viel Applaus honoriert wurde.

Termine

Die nächsten Inszenierungen von William Shakespeares „Komödie der Irrungen“ finden am 28. Juni (20 Uhr), 30. Juni, 7. Juli (jeweils 19 Uhr), 12. Juli (20 Uhr), 21. Juli (19 Uhr) und am 26. Juli (20 Uhr) auf dem Hof der Theaterakademie im Felina-Areal statt. Weitere Infos unter www.theaterakademie-mannheim.de.

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