Ludwigshafen Sport als Seelenmassage

„Der Sport hat mir geholfen, die Behinderung zu akzeptieren“, sagt Erik Heydrich und fügt an: „Er hat geholfen, vieles positiver
»Der Sport hat mir geholfen, die Behinderung zu akzeptieren«, sagt Erik Heydrich und fügt an: »Er hat geholfen, vieles positiver zu sehen. Und ich bin selbstbewusster geworden.«

«Limburgerhof.» Der Leichtathlet Erik Heydrich (TG Limburgerhof) ist seit seiner Geburt hochgradig gehörlos. Der Sport hat keinen ganz unbedeutenden Anteil, dass der 18-Jährige, der bei Wettbewerben der Gehörlosen und der Hörenden startet, mit der Gehörlosigkeit so gut klarkommt.

„Es war schön zu sehen, dass ich nicht der Einzige mit diesem Problem bin“, sagt Erik Heydrich über seinen ersten Wettkampf im Diskuswerfen. Dieser erste Wettkampf im Diskuswerfen, das waren die Vorderpfalz-Bezirksmeisterschaften im Jahr 2010. Und Heydrich merkte: Auch viele seiner Konkurrenten haben Probleme, die Scheibe so zum Fliegen zu bringen, dass es nach Fliegen und nicht nach Flattern aussieht. Es hat dann rund eineinhalb Jahr gedauert, ehe das, was Heydrich mit dem Diskus anstellt, auch nach Diskuswurf aussah. „Es war ein Ansporn, diese Scheibe fliegen zu lassen“, sagt der heute 18-Jährige. Nach einer normalen leichtathletischen Grundausbildung hatte er sich früh den Wurfdisziplinen angenommen, in seinem Fall dem Kugelstoßen und dem Diskuswerfen. „Kugelstoßen und Diskuswerfen haben mich als Disziplinen von Beginn an gefesselt“, erzählt Heydrich: „Was man damit machen kann, wie man etwa die Kugel physikalisch zum Fliegen bringt, das fand ich spannend.“ Und Erfolg hatte er ja auch schon von Anfang an – obwohl er sagt, dass ihm stets die persönliche Weiterentwicklung wichtiger als die Platzierung sei: 2012 etwa stand Heydrich bei den Pfalzmeisterschaften im Diskuswerfen der M12 auf dem obersten Treppchen des Siegerpodestes. „Es war schön zu sehen, dass ich nicht der Einzige mit diesem Problem bin“, sagt Erik Heydrich über seine erste Teilnahme an einer internationalen Meisterschaft bei den Gehörlosen. Diese erste Teilnahme an einer internationalen Meisterschaft der Gehörlosen waren die Europameisterschaften 2016 in Karlsruhe. Heydrich merkte: Er kann erfolgreich sein – trotz seiner Behinderung. Der Schüler des Speyerer Nikolaus-von-Weis Gymnasiums gewann in der Altersklasse U18 Silber im Diskus und mit der Kugel. Erik Heydrich ist seit seiner Geburt hochgradig gehörlos, an Taubheit grenzend. Im Alter von vier Jahren hat er seine ersten Implantate bekommen. Er hat gelernt, damit umzugehen, sagt er. Und auch sein Umfeld hat gelernt, damit umzugehen. „Natürlich gab und gibt es immer mal Momente, in denen es einem schwer fällt“, sagt Heydrich und fügt an: „Aber irgendwann akzeptiert man die Behinderung.“ Er sieht mittlerweile weniger die Nachteile, sondern die Vorteile. „Ich kann mich zum Beispiel glücklich schätzen, dass ich nachts ungehört schlafen kann, weil mich keine Geräusche stören. Meine Freunde können das zum Beispiel nicht“, sagt Heydrich. Der Sport – und die Erfolge im Sport – haben auch ihren Teil dazu beigetragen, dass Heydrich mit der Gehörlosigkeit so gut klar kommt. „Der Sport hat mir geholfen, die Behinderung zu akzeptieren“, sagt er und fügt an: „Er hat geholfen, vieles positiver zu sehen. Und ich bin selbstbewusster geworden.“ Dass er bei Wettbewerben der Gehörlosen startet, ist eigentlich einem Zufall geschuldet. Eine Bekannte seiner Mutter machte die Heydrichs auf die deutschen Gehörlosen-Meisterschaften in der Halle im Jahr 2016 aufmerksam, die damals quasi vor der Haustür stattfanden: in Ludwigshafen. Heydrich nahm im Kugelstoßen teil, siegte – und erhielt von den Bundestrainern eine Fast-schon-Zusage für einen Startplatz bei den Europameisterschaften ein paar Monate später. Er müsse seine Leistung nur noch mal bestätigen, hieß es. Das schaffte er locker. Und weil er auch im Diskuswerfen, das in der Halle nicht angeboten wird, überzeugte, durfte er gleich in zwei Disziplinen an den Europameisterschaften teilnehmen. Seitdem startet Heydrich in Wettbewerben der Gehörlosen und der Hörenden. Wobei das mit den Wettbewerben der Gehörlosen manchmal nicht so einfach ist – damit ist nicht gemeint, dass Heydrich und sein Trainer Michael Weber, bei dem er seit 2015 trainiert und der dem Übungsprogramm professionellere Züge verlieh, dort über eine Zeichensprache miteinander kommunizieren müssen. Vielmehr ist das Wettkampfangebot klein. Sehr klein. In diesem Jahr gab es eine Gehörlosen-Olympiade, doch sich dafür als Athlet zu qualifizieren, der noch der Altersklasse U20 angehört, war eine (zu) große Herausforderung. Im kommenden Jahr soll es eine Hallen-EM geben. Wie gesagt, soll. Aber Erik Heydrich ist ja auch so erfolgreich. Bei den Hörenden. 2016 und 2017 sicherte sich der deutsche U20-Rekordhalter der Gehörlosen im Diskuswerfen (39,30 Meter) jeweils den Pfalzmeistertitel im Diskuswurf der U20.

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