Ludwigshafen Um Mitternacht bricht der Damm

Um die Jahreswende ist der Rhein in Ludwigshafen wieder über die Ufer getreten. Mildes Wetter, Regenfälle und Schneeschmelze haben den Fluss binnen kurzer Zeit anschwellen lassen. Eine ähnliche Konstellation hat vor 135 Jahren zu einer Katastrophe geführt. Der Pegel war am 29. Dezember 1882 auf 9,17 Meter gestiegen – das ist Rekord bis heute. Das Unglück wirkt bis heute nach.

In der Nacht zum 30. Dezember 1882 brach bei Oppau der Rheindamm – mit verheerenden Folgen für die umliegenden Gemeinden. Als sich das Wasser im Januar wieder zurückzog, hinterließ es eine Spur der Zerstörung. Besonders betroffen waren neben Oppau die Gemeinden Edigheim, Friesenheim, Mörsch und Roxheim. Wohnungen im Erdgeschoss waren überflutet. Häuser stürzten ein. Edigheim war nahezu unbewohnbar. Erst am Nachmittag des Neujahrstags kam der Rhein zum Stillstand. In der etwas höher gelegenen katholischen Kirche in Friesenheim wurden 400 Menschen mit ihrem Vieh und Hausrat untergebracht, die vor der Flut geflohen waren, berichten die Chronisten. Zu allen Verwüstungen kam noch ein weiteres Unglück hinzu: Ein mit 15 Personen besetzter Nachen setzte am 2. Januar von Sandhofen aus nach Oppau über, um die Hochwasseropfer mit Lebensmitteln und Kleidung zu versorgen. Auf dem Rückweg nahmen die Helfer 25 Flüchtlinge mit ins Boot, um sie auf die badische Seite mitzunehmen. Doch der alte Nachen stieß gegen eine Pappel und zerbrach. Die Passagiere stürzten in die reißenden Fluten. 30 Menschen ertranken.

6750 Flüchtlinge in Notunterkünften

Als nach einigen Wochen notdürftig alles aufgeräumt war, zogen die Behörden Bilanz. Die Flut hatte in Ludwigshafen und umliegenden Gemeinden 36 Tote gefordert. 4200 Menschen hatten ihr Zuhause verloren – das waren mehr als zehn Prozent der damaligen Bevölkerung. 6750 Flüchtlinge mussten in Notunterkünften untergebracht werden. 915 Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt. Der Sachschaden wurde auf etwa 820.000 Goldmark geschätzt. Allein in Friesenheim betrug der Schaden nach heutigem Wert mehr als sieben Millionen Euro. Die Hochwasser-Katastrophe kam unerwartet, denn noch am 22. Dezember war der Rheinpegel auf 4,92 Meter gefallen. Doch um Weihnachten brachte ein „mit plötzlicher Wucht“ über die Alpen hereinbrechender Föhnwind dort die Schneemassen in kürzester Zeit zum Schmelzen – der Pegel bei Ludwigshafen stieg innerhalb von fünf Tagen um 4,50 Meter auf 9,17 Meter an.

Katastrophe wirkt bis heute nach

Der Damm bei Oppau liegt gegenüber der Neckareinmündung und geriet deshalb zusätzlich unter Druck. Er war schnell durchweicht – den immer mehr anschwellenden Wassermassen konnte er nicht standhalten. Die befürchtete Katastrophe trat um Mitternacht des 29. auf den 30. Dezember 1882 ein: Etwa 300 Meter unterhalb der Oppauer Rheinfähre brach der Damm – die mächtigen Fluten stürzten sich mit solcher Schnelligkeit in das Hinterland, dass die Deichwache sich nur mit Mühe retten konnte. Innerhalb weniger Minuten hatte das Wasser Oppau, Edigheim und Friesenheim in seiner Gewalt – die Glocken läuteten, um die Bevölkerung zu warnen. Die bayerische Regierung in München (die Pfalz gehörte damals zu Bayern) organisierte eine Sofortnothilfe. Naturalien und Kleidungsstücke wurden ins Katastrophengebiet geschickt. Für den Wiederaufbau und die Reparatur des Rhein-Hauptdeiches flossen auch etwa 2,5 Millionen Euro an die betroffenen Gemeinden. Die Katastrophe wirkt bis heute nach: 2010 haben sich Ludwigshafen, Frankenthal, der Rhein-Pfalz-Kreis, die Gemeinde Bobenheim-Roxheim, der Gewässer-Zweckverband Isenach-Eckbach und die BASF zur Hochwasser-Patenschaft „Nördliche Vorderpfalz“ zusammengeschlossen, um sich für einen solchen Extremfall zu wappnen. In den vergangenen Jahren sind Überflutungsflächen (Polder) und Pumpwerke geschaffen worden, die verhindern, dass ein Wasserrückstau aus Isenach, Eck- und Rehbach das Hinterland überflutet. Außerdem ist auf Oppauer Gemarkung zwischen dem BASF-Nordhafen und der A 6 ein sogenannter Riegeldeich geplant, der im Falle einer Überflutung des Rheinhauptdeiches verhindern soll, dass weite Teile von Ludwigshafen von Norden her überflutet werden.

Viele Häuser stürzten durch das Wasser ein.
Viele Häuser stürzten durch das Wasser ein.
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